In den 90ern entwickelten die heutigen Mitarbeiter von Grasland Production die kultigen Comic-Adventures Chewy – Esc from F5 und Bazooka Sue. Sie zeichneten zusätzlich verantwortlich für die Erotik-Wirtschaftssimulationen Wet – The Sexy Empire und Wet Attack, die die vollbusige Lula einführten (an deren späteren Spielen sie teilweise auch mitwirkten). Das neueste Spiel, ein reinrassiges Point & Click-Adventure mit Parallax-Scrolling und zuschaltbarem 3D-Effekt, nennt sich The Rockin' Dead. Ob dieses ein Feuerwerk an skurrilen Ideen, Schenkelklopfern und B-Movie-Trash-Atmosphäre abfeuert oder doch eher wie die späteren Lula-Adventures mit einer größeren Verpackung den leeren Inhalt kaschiert, erfahrt ihr in unserem Triple-D-Test.
Die Deadly Lullabyes sind eine erfolglose Heavy-Metal-Band, bei der die Oberweite der Bandmitglieder schon fast zum Equipment dazugehört. So ganz erfolglos waren diese aber nicht immer, denn mit ihrem Album „Creator's Creation“ sorgten sie einst für Aufsehen. Die Zeiten der überfüllten Konzertsäle und im Backstagebereich tollenden Groupies sind allerdings vorbei. Da kommt die Einladung zu einem auf der Burg Knatterfels stattfindenden Festival gerade recht.
Die Gruppe macht sich mit ihrem schrottigen Band-Transporter dorthin auf, baut jedoch kurz vor ihrem Ziel auf einer kurvigen Bergstraße einen Unfall und findet sich unverhofft in einer Welt wieder, die nach dem Vorbild ihrer Songs entstanden sein könnte. Alyssa, Sängerin und Bandleaderin, wacht ohne Equipment und den Rest der Band auf und muss diese wiederfinden, während im Hintergrund ein unbekannter böser Gegenspieler die Weltherrschaft an sich reißen will.
Die Geschichte klingt nicht nur trashig, sie soll es auch sein. Viel Zeit verbringt der Spieler nicht damit, die Band kennenzulernen. Nur im Prolog kann sich Alyssa mit der Bassistin Cassandra und der Drummerin Sahara unterhalten, während sich der Rest der Handlung nur auf die Bandleaderin konzentriert. Natürlich will The Rockin' Dead kein Entwicklungsroman sein und hat genauso viel Anspruch wie ein im Sarg liegender Toter, außerdem fällt es schwer, eine Verbindung zur Gitarristin zu finden und sich überhaupt für den Rest der Band zu interessieren.
Ein weiteres Problem ist, dass die Story langweilig ist und erst zum Ende hin mit Erklärungen und Wendungen aufwartet (die allerdings auch schon unglücklicherweise auf der Webseite verraten werden).
Während die Handlung selbst eher lahm vor sich hindümpelt, bietet das Spiel wenigstens eine beachtliche Anzahl von skurrilen Schauplätzen wie eine schummrige Bar in einer Gruft oder ein Unterwasserlabor, die mit allerhand verrückten und toten Charakteren bevölkert wird. Denn die Songtexte und das Cover-Artwork ihres Albums „Creator's Creation“ erwecken neben einem Wackelelvis und einer Bloody Mary auch rockende Skelette und andere seltsame Kreaturen wie Tentakelwesen oder aufmüpfige Zwerge zum Leben. Die Dialoge mit den lebenden Toten sind nur teilweise gelungen, einige sind amüsant, andere wiederum nicht. Humor ist natürlich Geschmackssache, nur im Fall von The Rockin' Dead verlässt sich das Spiel zu sehr auf die witzige Optik. Auf Sprachwitz oder gar Anspielungen auf klassische Horror- oder Trashfilme verzichten die Entwickler weitestgehend. Denn mit einer Kettensäge ein Brett zersägen oder in dunklen Gemäuern eine Treppe hinuntersteigen zeugt nicht unbedingt von Einfallsreichtum. Für ein Trash-Spiel ist der Humor dann auch etwas zu brav, die Figuren nicht einprägsam genug und die Spielwelt zwar ungewöhnlich, aber aufgrund der schlechten Erzählweise auch nicht vollständig überzeugend.
Die Umgebungsgrafik präsentiert sich genau wie die Zeichnungen der Figuren als abwechslungsreich und bis auf wenige Ausnahmen mit Liebe zum Detail. Leider trifft das auf die Animationen nicht zu. Diese wiederholen sich zu häufig, und außer wippenden Brüsten der Protagonistin regt sich nicht viel bei den Charakteren. Für Protagonistin Alyssa existieren zum Beispiel nur Laufanimationen nach links und rechts, die Figur klappt deshalb bei einem Richtungswechsel einfach um. Die Bewegung in den Raum, für die es gewöhnlich zumindest eine Front- und Rückansicht geben sollte, wird durch einen bewusst offensichtlich gehaltenen Überblendeffekt kaschiert. Einige Hintergrundanimationen wie fliegende Fledermäuse oder Lichteffekte von Kerzen sorgen jedoch teilweise für Atmosphäre und lassen die Spielwelt lebendiger erscheinen. Hinzu kommt ein Parallax-Scrolling, das den Räumen in der Bewegung einen angenehmen Tiefeneffekt verleiht.
Ein ungewöhnliches Feature ist die Möglichkeit, mit der Maus an den äußeren Bildrand mancher der bis zu mehrere Bildschirme breiten Kulissen zu fahren und damit weiter in den Raum zu scrollen, selbst aus der Reichweite der Figur hinaus. Dort können auch Wegpunkte oder andere Hotspots angeklickt werden, wodurch sich die in diesem Moment nicht sichtbare Alyssa in Bewegung setzt, während die Kamera zurückfährt und sie wieder einfängt. Aufgrund des 3D-Modus (siehe Infokasten) werden die Schauplätze zusätzlich plastischer und sind deshalb mit anderen bisher erschienenen oder aktuellen Adventures von der Optik schwer zu vergleichen. Unangenehm fällt jedoch sowohl in 2D als auch 3D auf, dass das Scrolling bei etwas größeren Gebieten etwas zäh ist und diese zudem unübersichtlich sind.
Das Spiel kann sowohl in 2D als auch im jederzeit zuschaltbaren 3D-Modus gespielt werden. Letzteres funktioniert durch das Aufsetzen der mitgelieferten Rot-Cyan-Brille und bietet einen für das Adventure-Genre bisher einzigartigen plastischen Effekt, der neben einigen Gimmicks wie aus Zeitungsausschnitten hervorspringenden Details in einigen Spielabschnitten sogar für einen besseren Überblick sorgt, gerade wenn es darum geht, Alyssa über verschiedene Leitern, Treppen oder Ebenen zu schicken. Technisch bedingt entsteht durch den Anaglyph-3D-Effekt leider eine Verfälschung der Farben, sodass diese im normalen Modus kräftiger ausfallen, wie auch ein etwas langsameres Scrolling. Teilweise sind auch Performance-Einbrüche zu verzeichnen, was sich besonders bei den ohnehin recht trägen Charakteranimationen bemerkbar macht.
Die Zwischensequenzen präsentieren sich in Schwarzweiß und einem Filmfilter, der zusammen mit kurz eingeblendeten Störeffekten für B-Movie-Atmosphäre sorgt. Qualitativ sind diese gut gemacht, auffällig ist dabei, dass die Charakteranimationen deutlich natürlicher wirken als im eigentlichen Spiel.
Ähnliches gilt für die Musikuntermalung. Im Hauptmenü machen eingängige Gitarrenriffs Lust auf das Spiel, die Zwischensequenzen sind ebenso temporeich inszeniert, was dem Titel eine Gute-Laune-Attitüde verleiht, die jedes unterhaltsame B-Movie ausmachen. Leider plätschert der Rest der Musik etwas uninspiriert im Hintergrund vor sich hin, was natürlich daran liegt, dass der Handlungsverlauf selbst nur wenige Highlights bietet. Die Melodien sind allesamt nett und passen zum größten Teil zur Umgebung, allerdings hätten ein paar mehr Songs oder Balladen mit Ohrwurmcharakter dem Spiel gut gestanden.
Die Sprachausgabe kann dagegen mit professionellen Sprechern (darunter wie schon auf der Verpackung groß beworben, die deutsche Synchronstimme von Angelina Jolie) überzeugen, die bis auf wenige Ausnahmen immer den Ton treffen, auch wenn dies die oft belanglosen Dialoge nicht rettet.
Spielerisch bietet der Titel neben einer großen Spielwelt vor allem klassische Inventarrätsel. Kreativität muss Alyssa zwar bei einigen Konstruktionen unter Beweis stellen, so richtig überzeugen kann das Rätseldesign jedoch nicht. Dazu gibt es zu viele unlogische Lösungen wie beispielsweise der Tausch eines alkoholischen Getränkes mit der Spielzeugkatze eines Baby-Skeletts (ohne jegliche Hinweise zu bekommen, warum es das will) oder uninspirierte Botengänge für andere Figuren. Das Multiple-Choice-System ist auch nicht perfekt, da teilweise mehrfach durch die gleichen Optionen geklickt werden muss, bis endlich die richtige Reihenfolge der Antworten erreicht wird.
Erschwerend hinzu kommen lange Laufwege, die zwar später an manchen Stellen durch ein Transportsystem verkürzt werden können, aber trotzdem anhand einer kleinen Karte für weniger Frust gesorgt hätten.Immerhin liefern die inzwischen nachgereichten Patches eine Location-Schnellwechsel-Funktion sowie eine Hotspot-Anzeige nach. Einige Objekte heben sich nämlich optisch nur schwer vom Hintergrund ab und können deshalb leicht übersehen werden.
Für Einsteiger gibt es mit einem dreistufigen Hilfe-System Tipps zum gegenwärtigen Schauplatz, an dem sich Alyssa gerade befindet. Dies wirft allerdings das Problem auf, dass über Gegenstände geschrieben wird, die erst irgendwo anders aufgelesen werden müssen, was zu ungewollten Spoilern führt.
Obwohl die Puzzles nur bedingt Spaß machen, kann sich der Spieler wenigstens aussuchen, in welcher Reihenfolge er sie löst. Durch die große Spielwelt ist die Nichtlinearität daher ein nicht zu unterschätzender Faktor, der für eine ausreichende Spielzeit von 8-10 Stunden sorgt.
Die Steuerung der Spielfigur und Interaktion mit der Umgebung gestaltet sich in der Regel einfach, allerdings gibt es auch hier wieder nervige Probleme: Ein Abbrechen von Aktionen ist nicht möglich und da Alyssas gemächliches Gehtempo auch manuell in den Einstellungen nicht beschleunigt werden kann, dauert es häufig zu lange, um von einem Ort zum nächsten zu gelangen oder eine andere Aktion auszuführen. Die beiden bisher veröffentlichten Patches haben laut Entwickler die Laufgeschwindigkeit zwar jeweils um 10 % gesteigert, trotzdem ist das Tempo eher gemächlich.
Das Aufsammeln von Gegenständen funktioniert mit dem Klick der linken Maustaste, während im Inventar die Objekte genauso simpel miteinander benutzt werden können. Zusätzlich wird angezeigt, welche Kombinationen überhaupt sinnvoll sind, sodass stupides Ausprobieren zumindest von keinen lästigen Kommentaren wie „Das geht so nicht“ begleitet wird. Positiv sind auch die oft hilfreichen Hinweise Alyssas, wenn etwas nicht direkt funktioniert, das heißt der Spieler wird, bis auf wenige Ausnahmen, nicht komplett alleine gelassen. In der ungepatchten Version war das Inventar-Handling sehr mühsam, da nur sechs Gegenstände aufgelistet wurden, was bei der großen Menge an Gegenständen schnell zu einer Klick-Orgie ausarten konnte. Nun wurde die Anzahl der angezeigten Objekte auf acht erhöht und sie werden im Inventar automatisch nach Wichtigkeit sortiert. Grasland und bitComposer haben damit zeitnah eine echte Verbesserung nachgeschoben.
The Rockin' Dead ist ein kurzweiliges Vergnügen, das ähnlich wie B-Movies Unterhaltung mit niedrigem Anspruch bietet. Da sich das Spiel zu keiner Zeit ernst nimmt, geht das in Ordnung, auch wenn die Präsentation recht zahm ist. Der Heavy-Metal-Soundtrack ist trotz fehlender Gesangsstimmen eingängig, die Sprachausgabe gelungen und auch die Spielwelt grafisch nett umgesetzt. Leider hapert es dann doch an dem unausgegorenen Rätseldesign, der langweiligen Story und den nur bedingt witzigen Dialogen. Kleinere Steuerungsprobleme wie auch die mäßigen Animationen retten den Titel daher nicht über den gehobenen Durchschnitt, auch wenn der 3D-Brillen-Effekt im Genre einzigartig ist und sogar teilweise dem Spielablauf zugute kommt.
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So sehr ich den Versuch schätze, mal einen ungewöhnlichen Weg zu gehen und sowohl in der Präsentation als auch in der Technik innovativ sein zu wollen, bei The Rockin Dead hat es letztendlich leider nur zum Mittelmaß gereicht. Zwar können die Grafiken teils überzeugen, ebenso die Musik und Sprachausgabe, die Defizite im Bereich der Animationen und die trotz Patch sehr gemächliche Spielweise sowie das Fehlen einer Funktion zum Abbrechen von Animationen werfen starke Schatten aufs Gameplay. Dazu kommt eine phasenweise uninteressante Story und ein wenig innovatives Rätseldesign. Schade, denn aus diesem Titel hätte man mehr machen können. Nun könnte man zwar argumentieren, dass auch ein mittelmäßiges Spiel Spaß machen kann, meiner Meinung nach muss sich das dann aber im Preis bemerkbar machen. Für die knapp 40 Euro, die The Rockin Dead bei Erscheinen kostet, kann es der aktuellen Konkurrenz in seiner Preisklasse keinesfalls das Wasser reichen.Michael neon Stein
Ich liebe Trash-Filme der alten Schule wie Elvira oder auch Low-Budget-Produktionen wie Evil Dead, von denen sich The Rockin Dead offensichtlich hat inspirieren lassen. So hatte ich durchaus meinen Spaß sowohl mit den Zwischensequenzen, dem Heavy-Metal-Soundtrack als auch teilweise der skurrilen Spielwelt. Zu Trash gehören aber auch einprägsame Charaktere, verrückte Situationskomik als auch abgedrehte Ideen mit Punk-Mentalität. Davon hat der Titel leider bis auf ein paar Szenen recht wenig, denn er spielt sich wie eine jugendfreie und weichgespülte Fassung, die nicht so genau weiß, was sie sein will, was ein wenig überraschend ist, da ich von den Entwicklern nach den Lula-Spielen zumindest schlüpfrigen, wenn auch tumben Humor sowie ein bisschen mehr Freizügigkeit erwartet hätte. Rätsel und Story sind leider ebenfalls nicht der Rede wert. Einzig der 3D-Effekt mit der Rot/Cyan-Brille ist klasse eingebunden, weil er sogar spielerischen Mehrwert bringt. Sonst bleibt es bei einem billigen Spiel, das aber vom Preis-Leistungs-Verhältnis leider nicht billig genug ist.
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