Es war einmal ein großer, schlauer Wolf, der wollte unbedingt ein Dschinn werden. Also schrieb er sich für die Dschinn-Akademie ein, nahm an Kursen teil und legte schließlich seine Abschlussprüfungen ab. Um nun noch als Dschinn zugelassen zu werden, muss er seine erlernten Fähigkeiten in realen Situationen unter Beweis stellen.
Big Brain Wolf erzählt die Geschichte eines vegetarischen Wolfs, der lieber seinen Gemüsegarten pflegt als Schafe zu reißen und dann doch eher eine Partie Schach spielt, statt den Mond anzuheulen. Darüber hinaus räkelt er sich gerne auf der Couch und löst Logikrätsel oder Gedächtnisspiele statt um den Platz als Leitwolf zu ringen. Sehr zum Leidwesen seiner Mutter. Mama Wolf würde ihren Sohn lieber ganz im Sinne der Familientradition als blutrünstige, unberechenbare Bestie sehen, die keine Gelegenheit auslässt sich der Fleischeslust hinzugeben. Doch Wolf hat nicht die geringste Lust, in die Fußstapfen seiner Vorfahren zu treten. Nein, er will sogar Dschinn werden, um anderen zu Diensten zu sein. Und trotz aller Faulheit hat er es tatsächlich geschafft nahezu sämtliche Prüfungen abzulegen. Fehlt nur noch die praktische Erprobung im Feld. Und so sucht ihn eines Morgens ein Dschinn auf, um Wolf auf seine Tauglichkeit zu prüfen. Bei dem Versuch das Haus zu verlassen, muss Wolf jedoch feststellen, dass seine Mutter des Mordes an Rotkäppchens Großmutter angeklagt wird und von der königlichen Polizeieinheit abgeführt wurde. Sofort ist Wolf klar, dass er ihr zur Hilfe eilen muss. Die Geschichte von Big Brain Wolf ist also prinzipiell in der Märchenwelt angesiedelt, ohne aber einen konkreten Bezug zu einem bestimmten Märchen zu haben. Zwar ist eine modifizierte Rotkäppchen-Geschichte vorherrschendes Leitthema des ganzen Spiels, hat mit dieser aber ungefähr so viel gemein wie ein Schweizer Taschenmesser mit einer Lachscremesuppe. Vielmehr handelt es sich bei Big Brain Wolf um eine Parodie auf die gesamten Märchenwelt, welche Grimms Märchen mit den Märchengeschichten des Morgenlandes zusammenwirft und wild durcheinander würfelt. Heraus kommt eine Geschichte, welche abgesehen von den Charakteren und gelegentlichen Anleihen und Anspielungen mit der Märchenwelt nicht mehr allzu viel gemein hat.
Das Spiel ist aufgeteilt in fünf Kapitel, welche jeweils 12 Minispiele enthalten, die man entdecken muss. Oftmals befinden sich diese Minispiele an Schlüsselpositionen, die man passieren muss, um im Spielverlauf weiter zu gelangen. So ist im ersten Kapitel ein Gerichtssaal zu betreten. Da sich in diesem aber ein großes Gedränge befinden soll, das es zu durchqueren gilt, muss ein Schieberätsel gelöst werden, bevor man in diesen Gerichtssaal gelangt. Andere Minispiele hingegen sind an völlig uninteressanten Orten versteckt, die keinen Zusammenhang mit dem Spielverlauf haben. So ist ein Minispiel in einem Busch versteckt, während man für ein anderes auf ein Steinpflaster klicken muss. Zusätzlich gibt es keine Hotspotanzeige und auch keine Hervorhebung. So besteht der Großteil des Spieles im Wesentlichen daraus, in jedem Bildschirm mehr oder weniger sinnfrei alles anzuklicken, was ein Hotspot sein könnte, um potentiell das nächste Minispiel zu lösen. Bei den Minispielen handelt es sich meist um Logikrätsel wie Schachaufgaben oder Fortsetzung von Zahlen-/Buchstabenfolgen. Manchmal sind jedoch auch Redewendungen zu erraten. Die Schwierigkeit der Minispiele zieht über die Kapitel beständig an, wobei die Rätsel des ersten Kapitels gut machbar sind und die Rätsel des fünften Kapitels noch als fair bezeichnet werden können. Leider sind bei deren Lokalisierung einige Fehler aufgetreten, die bei einem Logikrätsel zu einer falschen Lösung führen, welches jedoch dennoch mit etwas Antizipation gelöst werden kann. Andere Rätsel setzen Grundkenntnisse der Märchenwelt und Redewendungen des Herstellungslandes voraus, da diese wortwörtlich übersetzt wurden. Auch ist die Anordnung innerhalb der Minispiele stellenweise ungeschickt und inkonsistent, sodass man nicht automatisch erkennt, was Teil des Rätsels und Teil der Lösung ist. So werden beispielweise Buchstaben, die zum Lösen von Fortsetzungreihen verwendet werden müssen, manchmal über dem Rätsel und manchmal darunter angeordnet, sodass die zur Verfügung stehenden Lösungsbuchstaben mit den Buchstaben der Fortsetzungsreihe verwechselt werden können. Zusätzlich zu den Minispielen gilt es gelegentlich Dialogrätsel zu lösen, die im Wesentlichen daraus bestehen, in der richtigen Reihenfolge mit den unterschiedlichen Charakteren der aktuellen Szenerie zu sprechen. Üblicherweise wird dabei jedoch schon im Dialog hervorgehoben, mit wem man als nächstes zu sprechen hat.
Sprachausgabe gibt es nicht. Wolf kommentiert zwar einen Großteil der Hotspots, was meist zu einem kleinen Dialog zwischen Wolf und Dschinn führt, aber der Spieler hat jeden dieser Dialoge selber zu lesen. Dafür werden die Aussagen der einzelnen Charaktere unbefristet angezeigt und müssen aktiv weggeklickt werden, bevor die nächste Aussage angezeigt wird. So wird jede Lesegeschwindigkeit berücksichtigt. Das Spiel hat durchweg Musikuntermalung, die nach mehreren Szenen oder mit einem neuen Kapitel gewechselt wird. So hört man zwar einerseits nicht ständig die gleiche Musik, aber dennoch stößt man recht schnell an die Toleranzgrenze, bei der einem das permanent gleiche Gedudel auf die Nerven zu gehen beginnt. Je nach Szene werden passende Hintergrundgeräusche in die Soundausgabe eingespielt. Diese Hintergrundgeräusche lassen die Szenerie authentischer erscheinen. Dauerhaft negativ fällt auf, dass beim Klicken auf einen Hotspot visuell kleine Sterne wie bei der Explosion einer Silversterrakete von dem Hotspot ausgehen und ein nach einer Triangel klingendes, klirrendes Geräusch ausgegeben wird. Allerdings ist dies das einzige Erkennungsmerkmal, mit dem man nach einem Klick sofort feststellen kann, dass man auf einen Hotspot geklickt hat. Wolf muss sich nämlich erst zu besagtem Punkt bewegen, bevor er diesen kommentiert oder damit interagiert. Handelt es sich bei dem besagten Punkt um keinen Hotspot, so bewegt sich Wolf einfach nur zu diesem Punkt.
Um zwischen Bildschirmen zu wechseln, ist auf die kleinen Pfeile zu klicken, welche am Rand des Bildschirmes erscheinen, sofern in diese Richtung ein weiterer, zu begehender Ort existiert.
Das Spiel ist durchweg im Comic-/Cartoon-Stil gehalten sowie ansehnlich und mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Dabei sind in nahezu jeder Szene nicht nur Anspielungen auf die Märchenwelt und Popkultur zu finden, sondern auch auf aktuelle, politische Ereignisse versteckt. So stoßen wir während des Spiels auf Überwachungskameras, VIP-Clubs, Metalldetektoren, Demonstrationen und linksextreme Schafe. Trotz aller Detailtiefe und vorhandenen Animationen vermag das Spiel jedoch kaum ein atmosphärisches Gefühl der aktuellen Situation wiederzugeben. Viel zu steril und statisch wirken die jeweiligen Szenen, da sich in einer Szene zwar durchaus viele Charakter befinden können, sich diese aber größtenteils nicht bewegen und nie sichtlich ihren Platz verlassen. So kommt beispielsweise bei einer Flucht aus dem Gefängnis keine Dynamik auf, welche einem den Eindruck von Eile vermitteln könnte.
Big Brain Wolf ist technisch ein solides und robustes Spiel. Allerdings dürften weder die Geschichte noch der Humor erwachsene Spieler vom Hocker reißen. Somit peilt das Spiel ganz eindeutig Kinder und Jugendliche als Zielgruppe an. Hierfür sind die Logikrätsel jedoch stellenweise zu fordernd und gerade die kulturellen Unterschiede zum Herstellungsland dürften es schwer machen, jede Redewendung zu kennen, die man zum Lösen des Spieles benötigt. Spieler mit einem Faible für Logikrätsel und Knobelaufgaben sowie Lust auf Gehirn-Trainer-Software, die sich nicht scheuen auch mal eine Lösungshilfe zu konsultieren, könnten dennoch ihre Freude an diesem Spiel finden, da es neben den 60 Knobelspielen auch noch einen Gehirn-Trainer mit 5 unterschiedlichen Kategorien beinhaltet.
Gegenüber Big Brain Wolf verbleibe ich mit gemischten Gefühlen. Die seichte Geschichte ohne große Überraschungen und die flachen Witze, welche mich vielleicht noch als Jugendlichen zum verkrampften Schmunzeln hätten bewegen können, haben nicht gerade dazu beigetragen meine Meinung zu dem Spiel positiv zu beeinflussen. Das Spiel ist für mich kein Adventure, sondern eine Knobelsammlung, um welche künstlich eine Geschichte gebastelt wurde, damit man ein breiteres Publikum erreicht. Lediglich die absolut abstruse Welt und die vielen Anspielungen verstrahlen einen gewissen Charme, den ich dem Spiel und den Machern positiv anrechne. Und auch junge Spieler dürften meiner Meinung die meisten der Anspielung erfassen und verstehen können.
Adventure-Treff-Verein
IBAN: DE38 8306 5408 0004 7212 25
BIC: GENODEF1SLR