Mit The Second Guest veröffentlichen Twice Effect ihr erstes Adventure, und das mit hochkarätigen Sprechern. Ob das Adventure auch mit seinen anderen Elementen überzeugt, lest ihr in unserem Test.
Völlig überraschend erbt der junge Jack Ice ein riesiges Vermögen und ein Schloss auf einer Insel. Verwundert fährt er zur Testamentseröffnung, um mehr zu erfahren. Doch dann schlägt ein Mörder gnadenlos zu und auch sein nächstes Opfer scheint bereits festzustehen: Jack. Auf der Suche nach einem versteckten, mysteriösen Gegenstand durchkämmt der Held die gesamte Insel und gerät dabei immer wieder in tödliche Gefahr. Auf einer Art Schnitzeljagd muss der Erbe einige rätselhafte Botschaften entschlüsseln, um dem Geheimnis des Nachlasses auf die Spur zu kommen.
Die Hintergrundgeschichte von The Second Guest ist schnell erzählt und bietet keine besonderen Überraschungen. Am besten lässt sie sich mit einem Roman von Agatha Christie vergleichen: Viele eher ruhige Charaktere versammeln sich an einem Ort, machen sich verdächtig und am Ende wird der Mörder enttarnt. Es handelt sich also um ein solides Grundgerüst für eine unterhaltsame Geschichte.
Grafisch kommt The Second Guest etwas gewöhnungsbedürftig daher. In den Hintergründen finden sich fast keine geraden Linien, alles ist schief und ein wenig verzerrt. Während der Anblick zunächst etwas irritiert, gewöhnt man sich mit der Zeit an die Art der Darstellung. Durch den eigenwilligen Zeichenstil wird die allgemeine Atmosphäre der düsteren Insel gut unterstützt. Letztlich ist die Grafik wohl Geschmackssache, in ihrem Stil konsequent umgesetzt ist sie aber auf jeden Fall. Dass die meisten Schauplätze recht steril wirken, scheint gewollt. Die nüchterne und klare Darstellung passt zum klassischen Kriminalroman des 19. und 20. Jahrhunderts. Entsprechend sind die dominierenden Farben auch Schwarz und Weiß. Die Szenerie erhält hierdurch eine gelungene, düstere Atmosphäre. Auch wenn die grafische Umsetzung der Schauplätze nicht jedem gefallen wird, transportiert sie die Geschichte recht passend.
Die Rätsel in The Second Guest sind hauptsächlich Kombinationsrätsel, vereinzelt gibt es auch sehr einfache Dialogrätsel. Leider fehlt die meiste Zeit auch nur der leiseste Hinweis, was man denn nun eigentlich zu tun hat. So irrt man hauptsächlich durch die zahlreichen Schauplätze, hebt ständig Gegenstände auf und versucht durch wildes Kombinieren weiterzukommen. So ganz logisch mögen dann einige Aktionen auch nach dem erfolgreichen Ausprobieren nicht erscheinen und auch die Kommentare führen eher in die Irre, als dass sie weiterhelfen würden. So kommentiert Jack einen Eimer mit Leim mit den Worten: „Den brauche ich nicht“. Allerdings kann und muss man eine Feder mit Kleber einschmieren. Das funktioniert jedoch nur durch direkte Kombination der Feder mit dem angeblich nicht benötigten Leim. Über allen Rätseln stehen fünf Hinweise des verstorbenen Sir Charles August Averton, die dabei helfen sollen, ein mystisches Artefakt zu finden, das ""den Lauf der Menschheitsgeschichte verändern kann"". Diese können über die „R“-Taste oder durch einen Klick auf ein Tagebuch links unten aufgerufen werden. In Reimen erhält man dort Hinweise zum nächsten Schauplatz, den man aufsuchen soll. Was es dort zu tun gibt, wird wiederum nicht erklärt, und so geht die Kombinationsorgie von vorne los. Ein in Adventures an sich gutes Element, nämlich die Möglichkeit, Rätselketten in beliebiger Reihenfolge zu lösen, wirkt sich bei The Second Guest negativ aus. Beim Testspiel lösten wir das Rätsel zum vierten Hinweis, bevor wir den dritten Hinweis überhaupt gefunden hatten. Die Geschichte lief weiter, den Schauplatz zum dritten Gedicht noch einmal aufzusuchen erschien sinnlos. Als besondere Krönung gibt es dann auch noch eine Aufgabe, die einfach nur stupide mehrmals wiederholt werden muss: Um bei einem Problem weiterzukommen, muss man einen Eimer dreimal hintereinander mit Sand füllen und an anderer Stelle ausleeren. Insgesamt wirken die Rätsel willkürlich, unkreativ und nicht gut durchdacht. Dass einige Objekte nur zum Spaß dienen und recht lustige, aber sinnlose Cutscenes auslösen, hilft dabei auch nicht weiter. Ebenfalls störend ist die mangelnde Integration der Rätsel in die Geschichte. Die verschiedenen Kombinationsaufgaben stehen völlig für sich und halten den Verlauf der Ereignisse eher auf, als dass sie für ein Vorankommen sorgen würden. Das tut der ohnehin schon dünnen Geschichte nicht gut und führt dazu, dass die schwache Erzählung zusätzlich noch in den Hintergrund tritt.
An The Second Guest merkt man, dass man viele komfortable Funktionen aus anderen Adventures schon sehr gewöhnt ist. Entsprechend negativ fällt auf, dass sie hier fehlen. Jack Ice schleicht langsam durch die Szenerie, auch ein Doppelklick macht ihn nicht nennenswert schneller. Das sofortige Verlassen eines Schauplatzes durch zweimaliges Klicken ist nicht möglich. Der Rechtsklick wird nicht verwendet, bei jeder Person und bei jedem Objekt muss per Klicken und Ziehen eine von drei Aktionen ausgewählt werden, auch wenn eine oder zwei davon völlig sinnlos sind. Die Inventargegenstände bleiben nach einem Kombinationsversuch nicht aktiv, man muss sie dann erneut auswählen. Wenn man einen Hotspot betrachtet oder mit ihm agiert, so muss Jack zuerst dorthin laufen. Ein Umstand, der ebenfalls viel Zeit in Anspruch nimmt. Überschreibt man einen Spielstand, wird nicht davor gewarnt. Dialoge lassen sich manchmal überspringen, manchmal nicht. Immerhin ermöglicht es eine Karte, später im Spiel schnell zwischen den verschiedenen Orten zu wechseln und die Kommentare zu besonders sinnfreien Aktionen sind zahlreich und zumindest anfangs noch ganz lustig.
Es sind immer nur kleine Details, die mit Fehlern behaftet sind, aber es sind unglaublich viele. Zum Beispiel erklärt der Kommissar dem jungen Jack, jemand warte in der Bibliothek auf ihn. Allerdings befinden sich beide Charaktere selbst in diesem Zimmer, gemeint war eigentlich der Salon. Außerdem verfügt der Hauptcharakter über hellseherische Fähigkeiten: Obwohl er noch nie im Haus war, weiß er zum Beispiel genau, wo die Küche ist oder ob sich etwas in verschlossenen Schubladen befindet. Ein versteckter Schlüssel fällt einfach aus einer Statue heraus, wenn man ein anderes Objekt irgendwo dort hinsteckt. Damit noch nicht genug: Jack wird in einer Zwischensequenz von einer dunklen Gestalt im Burghof angegriffen, kann sich aber hinter den Brunnen retten. Der Angreifer schießt von vorne, verfehlt aber sein Ziel. Kurz darauf erzählt Jack dem Kommissar er sei „von hinten angegriffen worden“, was mit den vorherigen Ereignissen definitiv nicht übereinstimmt. Doch es kommt noch besser: Ein gewisser Dott soll Jack im Burghof gerettet haben. Der erkennt ihn später auf dem Friedhof nicht wieder, sondern stellt sich erst einmal vor. Mit dem Voranschreiten der Geschichte häufen sich die Logiklöcher, über die der aufmerksame Spieler stolpert.
Bei der Synchronisation verspricht das Spiel nicht zu viel: Die Sprecher sind allesamt sehr gut besetzt und leisten gute Arbeit. David Nathan (Jack Keane, Johnny Depp) und seine Kollegen gestalten ihre Rollen ansprechend und kurzweilig. Die Dialoge wirken lebendig und gut aufeinander abgestimmt. Auch die Musik ist hervorragend und trägt viel zum Spiel bei. Doch damit wären wir auch schon wieder am Ende der positiven Punkte in Sachen Vertonung. Die Musik ist selbst auf der dritt-leisesten Stufe zu laut und übertönt die Sprecher. Hier kann man glücklicherweise im Menü nachregeln. Doch leider schwankt die Lautstärke der Sprachaufnahmen, sodass manche Sätze trotzdem im Soundtrack untergehen. Teilweise werden sogar Sätze abwechselnd laut und leise gesprochen. Dass die Stimme des Hauptcharakters in einer Krypta hallt, ist ein toller Effekt – den hätte man aber dann auch auf die „Das geht so nicht“-Kommentare anwenden sollen, denn so wechseln an diesem Ort die Dialogzeilen ständig zwischen Hall und Nicht-Hall. Viele der Dialoge haben die meiste Zeit nur eine Wahlmöglichkeit, sodass man sich fragt, warum das Gespräch nicht einfach so durchläuft, sondern der Spieler ständig klicken muss. Nicht besonders hübsch anzusehen ist außerdem der Umstand, dass Sprechertexte immer vollständig auf dem Bildschirm angezeigt werden, egal wie viele Zeilen dafür benötigt werden. Eigentlich handelt es sich um „Über“- und nicht um Untertitel.
Technisch wirkt das Spiel alles andere als ausgereift. Auf jedem unserer fünf Testrechner kam es zu irgendeinem Problem. Wer das Spiel unter Windows 7 im Programme-Ordner installierte, konnte ohne Patch oder ohne Administrator-Rechte nicht speichern und auf einigen Computern weigerte sich das Spiel zu starten. Hin und wieder verschwanden Texte aus dem Menü und wurden erst wieder sichtbar, wenn man mit der Maus darüberfuhr. Im zweiten Kapitel verschwanden plötzlich Umgebungskarte und Inventar und waren erst nach einem Neustart wieder auffindbar. Der Text für einen Brief, der eigentlich auf dem Weg zum Schloss vorgelesen wird, wurde nicht abgespielt, dafür aber später jedes Mal, wenn man den Ort wieder betrat. Die Entwickler haben bereits Patches versprochen, aber es gibt noch einiges zu tun. Rund läuft das Spiel noch lange nicht.
Nach nur etwa 3-5 Spielstunden, die hauptsächlich durch nerviges Herumgelaufe und wilde Kombinations-Versuche geprägt sind, ist The Second Guest dann auch schon wieder vorbei. Das Spiel endet ziemlich abrupt und es wird klar, dass hier ein Episodenformat angestrebt wurde. Zwei von fünf Kapiteln sind in diesem Spiel enthalten. Laut Headup soll angeblich ""jede einzelne Episode in sich geschlossen"" sein und ""ebenso auch für sich allein stehen"", doch das ist schlichtweg falsch. Die ersten beiden Kapitel sind keinesfalls unabhängig voneinander und auch am Ende der zweiten ""Episode"", wie Entwickler und Publisher dies nennen, ist das Ende offen. Ob und wann die weiteren Teile erscheinen, ist noch nicht klar. Sie seien ""geplant, wahrscheinlich dann alle einzeln"" teilte man uns auf Nachfrage mit. Wahrscheinlich will Publisher Headup erst einmal auf die Verkaufszahlen des ersten Teils warten. Ein offenes Ende ohne zum Verkaufsstart angekündigte Fortsetzung ist allerdings nicht die feine englische Art.
Will man The Second Guest mit nur einem Wort zusammenfassen, so fällt die Wahl wohl auf: Unfertig. Das Spiel überzeugt durch gute Atmosphäre, hervorragende Dialoge und Sprecher. Die Grafik erfüllt ihren Zweck und die Grundidee der Geschichte ist stabil. Doch letztlich scheint es, als sei das ganze Geld für die Sprecher und die Musik ausgegeben worden. An der Umsetzung, den Rätseln und vor allem am Testen des Spiels wurde dann enorm gespart. Die recht dünne Geschichte tritt durch die fehlende Einbindung der Rätsel vollkommen in den Hintergrund und ihr Kernstück, die Schnitzeljagd auf der Insel, lässt sich auch noch überspringen. The Second Guest könnte vielleicht ein gutes Spielerlebnis bieten, wenn die vielen kleinen Fehler und Ungereimtheiten vorher beseitigt worden wären. Und vielleicht war das Episodenformat auch keine glückliche Entscheidung. In einem größeren Kontext hätte die Geschichte sicher bessere Chancen, sich zu entfalten. Es bleibt die Erkenntnis: Aus einer guten Hörspielproduktion wird nicht automatisch auch ein gutes Adventure.
The Second Guest nutzt sein gesamtes Potential, um alles das falsch zu machen, was man in einem Adventure verkehrt machen kann. Die Geschichte war für mich nur am Anfang und am Ende des Spiels zu erkennen. Auch die Rätsel wirkten auf mich größtenteils künstlich und völlig aus dem Kontext gerissen, ohne Bezug zu jedweder Handlung. Noch dazu sind alle Gegenstände wild über die Spielwelt verteilt, sodass ich die meiste Zeit damit verbrachte, Gegenstände zu suchen, einzusammeln und wahlfrei an allerlei möglichen und unmöglichen Schauplätzen zu benutzen - in der verzweifelten Hoffnung, damit irgendetwas zu bewirken und im Spiel voran zu kommen. Die musikalische Begleitung war mir zu aufdringlich und nicht gedämpft genug, sodass ich sie schließlich auf Minimallautstärke gedreht habe und immer wieder überrascht war, wenn diese Einstellung dann doch mitten im Spiel wieder zurückgestellt wurde. Die nett anzusehende Grafik und die tolle Sprecherleistung können den Gesamteindruck zu diesem Spiel jedoch auch nicht mehr retten und so hake ich The Second Guest enttäuscht als Spiel mit verschenktem Potential ab. Von den technischen Mängeln ganz zu schweigen.Benedikt BENDET Delker
The Second Guest bietet einen interessanten Grafik- und Musikstil, kann aber letztendlich nicht vollständig überzeugen. Die Figuren bewegen sich extrem steif, den Hintergründen fehlt es an Details und in der Geschichte kann ich weder Tiefe noch einen Spannungsbogen erkennen. Die Musik nervt nach einer Weile, hauptsächlich durch ihre schlechte Abmischung, die auch nur temporär geändert werden kann. Ärgerlich auch, dass uns mehrere Kommentare pro Aktion versprochen wurden, letztlich aber nur teils schnippische und sinnlose Sprüche zufällig durch die Objekte rotiert werden, die man nicht mitnehmen kann. Dazu kamen technische Schwierigkeiten bereits beim Starten und auch im Spiel selbst. Zu guter Letzt ist das Spiel dann auch noch extrem kurz und endet sehr abrupt. Ich bin ein wenig enttäuscht, von diesem Titel habe ich mir mehr versprochen.Michael neon Stein
Ich bin von The Second Guest enttäuscht. Zu viele Kleinigkeiten stören in der Summe gewaltig, daran kann auch die Atmosphäre und die tolle Sprecherleistung nichts mehr ändern. Das Spiel zeigt deutlich: Es lohnt sich sehr, einen Titel vorher gründlich zu testen, denn die meisten Fehler wären absolut vermeidbar gewesen. Der neue Trend, dass Spielefirmen und Publisher Fans zu einem Ortstermin einladen, hätte auch diesem Titel sicherlich gut getan. Doch auch sonst hat The Second Guest zu viele Schwächen. Es ist noch ein wenig früh, aber ich glaube, wir haben bereits die Enttäuschung des Jahres 2012 gefunden.
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