Er hat den dritten Teil der Reihe Baphomets Fluch geschrieben und er schuf das Adventure So Blonde. Nun hat Steve Ince nachgelegt und erzählt in Captain Morgane and the Golden Turtle die Geschichte einer jungen Kapitänin, die große Abenteuer vor sich hat. Oder besser: Haben sollte.
Der Boden ist dreckig und die Vitrine ist verstaubt. Riesige Wollmäuse liegen in der Gegend herum und die Fenster gehören auch mal dringend wieder geputzt. Nein, hier wurde nicht gerade der Zustand in den Wohnungen unserer Spieleredakteure beschrieben, sondern die ersten Minuten von Captain Morgane. Die verlangen nämlich tatsächlich einen Hausputz, inklusive Wasserholen, Staubwischen und Fensterputzen. Spannend wie das Fußnägelschneiden vom Vorabend, macht es das Spiel einem in den ersten Minuten ziemlich schwer, einen gespannten Gesichtsausdruck zu bewahren. Um aber die Demotivation nach dem Hausputz nicht direkt wieder zu verringern, treiben einem die Sprecherleistung, die platten Dialoge und die streckenweise grausame Übersetzung gleich zu Spielbeginn die Tränen in die Augen. Was ist so schwer daran, Leute ins Synchronstudio zu holen, deren Stimmen einigermaßen angenehm klingen und die nachweislich schon einmal vier Sätze hintereinander richtig betont herausgebracht haben? Die deutschen Sprecher in Captain Morgane klingen jedenfalls, als hätten sie sich noch nie mit professioneller Synchronisation auseinandergesetzt. Besonders ätzend wirken sich die nervig-piepsigen Stimmen der Kinderrollen im ersten Kapitel aus. Erstens klingen sie unglaubwürdig, da sie von Erwachsenen gesprochen werden, die keine Kinder imitieren können und zweitens sind sie dann auch noch nervtötend. Macht aber fast nichts, denn die unglaublich stark zeitversetzten Sprachanimationen lenken häufig effektvoll von diesem Makel ab. Während die Sprecherin bereits drei Sätze herausgestolpert bekommen hat, beginnt die Spielfigur auch schon, sich einen Wolf zu winken. Blöderweise ist jetzt aber schon ihr Gesprächspartner mit Winken dran. Das macht der später auch, allerdings erst wenn der Dialog schon längst beendet wurde. Hier waren die Entwickler auch noch richtig clever: Dass die Animationen viel zu stark zeitversetzt sind, würde wahrscheinlich nicht allen Spielern auf Anhieb auffallen. Also sorgt man dafür, dass der Cursor mit einer enorm aggressiv machenden Drehbewegung solange alle Aktionen sperrt, bis die verspätete Animation abgeschlossen ist. Um zu kontrollieren, dass sich vor dem Bildschirm nicht bereits ein Tod durch Langeweile ereignet hat, muss übrigens auch jeder einzelne Dialogabschnitt per Klick bestätigt werden. Schlau, schlau. Aber hey, man kann den Spieler nicht nur mit öden Aufgaben, mäßiger Übersetzung, belanglosen Dialogen und schlimmer Synchronisation im ersten Kapitel verschrecken: Da geht noch mehr!
So richtig wohl fühlt sich das Spiel auf dem PC nicht. Dieses Gefühl drängt sich spätestens auf, wenn man zum ersten Mal versucht, das Inventar aufzurufen. Das ist nämlich bildschirmfüllend und legt sich über die aktuelle Szene. Per Rechtsklick wird es aufgerufen und bietet neben eingesammelten Objekten auch das Speicher-Menü und Informationen (wenn man das denn wirklich so nennen möchte) zur aktuellen Aufgabe. Möchte man einen Gegenstand mit der Szenerie kombinieren, muss das Inventarmenü aufgerufen und der Gegenstand mit gedrückter Maustaste nach unten gezogen werden. Das Inventarmenü verschwindet und gibt den Blick auf die Szenerie frei. Jetzt kann man den Gegenstand auf einem aktiven Punkt fallenlassen – und hoffen, dass das so richtig war, denn ansonsten beginnt die ganze Prozedur von vorne. Sehr merkwürdig wird die Steuerung übrigens, sobald man Hilfe von anderen Menschen benötigt. Die landen nämlich vollständig unerwartet als Gesicht im Inventar. Möchte nun Morgane zum Beispiel irgendwo hochklettern, so muss der Spieler das Gesicht eines Freundes auf das zu erklimmende Hindernis ziehen. Texte wie „Benutzen Sie Bobby mit Nell“ machen das Ganze dann auch nicht besser.
So richtig laufen will Morgane auch nicht. Zwar beginnt sie - ihre viel zu langen Beine in die Luft schleudernd - zu rennen, sobald ein geklickter Punkt weiter weg ist, den Bildschirm per Doppelklick gleich zu verlassen ist aber nicht möglich. Eine im Inventar aufrufbare Karte dient in den ersten Kapiteln auch nur dazu, den Spieler zu ärgern, denn für Wegabkürzungen kann diese erst einmal nicht verwendet werden. Man könnte dies als das „Museums-Prinzip“ bezeichnen: Nur angucken, nicht anfassen. Immerhin leistet die Karte bei der Wegabkürzung in späteren Kapiteln gute Dienste. Vom automatischen Speichern hat der Entwickler übrigens auch noch nichts gehört, zusätzlich lässt sich auch nur ein Spielstand pro Spieler anlegen. Hier wollte man vermutlich den Konsolenspielern den Einstieg in die Welt der PC-Spiele erleichtern. Immerhin warnt das Spiel vor dem Beenden, dass nicht gespeicherte Änderungen verloren gehen. Aber hey, man kann den Spieler nicht nur mit öden Aufgaben, mäßiger Übersetzung, belanglosen Dialogen, schlimmer Synchronisation und umständlicher Steuerung bereits im ersten Kapitel verschrecken: Da geht immer noch mehr!
Nach etwa zwanzig Spielminuten ist klar: Ganz so genau mit der Logik nimmt es dieses Spiel nicht. Erst weigert sich Morgane, den Hirtenstock einer „schlafenden Figur“ (Grüße an den Übersetzer an dieser Stelle) zu stehlen, nur um dann eine Wasserflasche mitgehen zu lassen. Später sitzt gut sichtbar in den Büschen versteckt ein Junge, der sie überfallen möchte, vor dem sie aber in aller Seelenruhe Gras pflücken und in Brand stecken kann, sodass ihn ein Esel vertreibt. Sicher, es ist ein Comic-Adventure, und generell muss nicht alles an Spielen super logisch sein, aber ein bisschen Mühe kann man sich dann schon geben. Selbst wenn die Haupteigenschaft des Hauptcharakters ist, dass seine Beine bis zum Boden reichen und dafür auch verdammt viel Platz brauchen.
Trotz all der Widrigkeiten zu Beginn des Spiels, bleibt es nicht die ganze Zeit so schlecht, wie es sich zu Anfang noch gibt. Hat man die ersten zwei Kapitel überstanden, kommt die Geschichte endlich in Fahrt. Diese ist nicht besonders atemberaubend, aber immerhin unterhaltend: Die 17-jährige Morgane jagt als erster weiblicher Kapitän der Karibik einem legendären Schatz hinterher. Um den zu finden, muss sie insgesamt fünf Inseln erkunden und natürlich gibt es auch einen bösen Widersacher. Zusätzlich gibt es ab dem zweiten Kapitel zahlreiche Anspielungen auf die moderne Popkultur, zum Beispiel auf Star Wars, Steve Jobs und Per Anhalter durch die Galaxis, die das Spiel deutlich humorvoller gestalten. Somit federt die zweite Spielhälfte die Wertung deutlich ab. Ebenfalls positiv fällt die die Grafik auf. Detailreiche Umgebungen locken zum Erkunden, für nahezu jede Aktion gibt es eine eigene Animation und überall bewegt sich etwas, wodurch die Umgebung sehr lebendig erscheint. Das Spiel stellt automatisch die Auflösung ein und auch Besitzer von hochauflösenden Widescreens kommen dabei auf ihre Kosten. Zwischensequenzen sind im Manga-Stil sehr dynamisch umgesetzt und transportieren sogar kleine Schmunzler. Die Idee, die Hotspot-Anzeige einfach so lange eingeblendet zu lassen, bis der Spieler sie wieder abschaltet, ist auch recht interessant. Und wenn man das erste Kapitel und den Anfang des zweiten Kapitels überstanden hat, kommt auch langsam so etwas wie eine Geschichte mit Spannung auf.
Die Rätsel wirken sich weder positiv noch negativ aus. Es handelt sich um absoluten Genre-Standard, hauptsächlich Kombinationsrätsel. Minispiele können auf Wunsch übersprungen werden. Ob man den Spieler wirklich durchweg mit „Sie“ ansprechen muss, sei mal dahingestellt, Morgane duzt ihn sowieso hin und wieder. Die Musik dudelt belanglos karibisch im Hintergrund und ist in Ordnung. Geräusche und Effekte klingen angemessen bis billig, aber auch das ändert schon nicht mehr viel am Gesamteindruck.
Wir lernen: Nur weil ein bekannter Name auf der Packung steht, ist noch lange kein tolles Spiel drin. Zum Teil liegt das sicherlich an der grottigen Synchron- und Übersetzungsarbeit des Publishers, zum anderen ist aber auch die Spielengine nicht ganz ausgereift. Die schlimmen deutschen Stimmen kann man zwar umgehen, in dem man die englische Version installiert, doch die restlichen Ärgernisse bleiben auch in dieser Variante fester Bestandteil des Spiels. Was bleibt ist ein Standard-Vertreter des Adventure-Genres mit vielen Kinderkrankheiten, einer mäßig interessanten Geschichte und langen Beinen. Nur wer sich der enormen Geduldsprobe der ersten beiden Kapitel stellt, erlebt noch ein durchschnittliches Adventure mit netten Gags. Schade drum.
Als besonderes Schmankerl haben wir hier noch einmal die Original-Systemanforderungen auf der Rückseite der DVD-Hülle abgedruckt:
Minimales Systems-Anforderungen:
-64MB-grafische Karte
-Die kompatible, stichhaltige Karte kompatibles DirectX9
-DVD-ROM-fahren
-CA 3GBs freier Raum der harten Diskette
Captain Morgane hat sich den Titel Schlechtester Adventure-Anfang aller Zeiten redlich verdient. Bei kaum einem anderen Adventure musste ich mich so sehr dazu überwinden, nach dem ersten Kapitel weiter zu spielen, und habe das Spiel dementsprechend auch erst einmal fast zwei Wochen liegen lassen.
Doch zum Glück habe ich mich nicht komplett abschrecken lassen: Denn mein Fazit bezüglich Captain Morgane fällt sehr viel positiver aus, als zunächst vermutet. Das mag daran liegen, dass ich die auf der DVD enthaltene englische Fassung gespielt habe, welche wirklich passende, gute Sprecher vorweisen kann und dadurch sehr viel an Atmosphäre gewinnt - außer bei den Kinderstimmen in Kapitel 1. Oder auch daran, dass ich mich mit der Zeit an die vielen kleinen nervigen Makel wie die riesigen Untertitel, die unterirdischen Gesprächsanimationen sowie die ständig notwendige Klickerei schnell gewöhnt hatte und im weiteren Spielverlauf darüber weitestgehend hinwegsehen konnte. Denn im Kern, hinter all den überflüssigen und völlig unverständlichen Fehlern steckt ein durchaus gelungenes Adventure mit toll gezeichneter Grafik, guten Animationen, einer netten aber letztlich belanglosen Geschichte, einigen witzigen Anspielungen, genug Abwechslung und einem befriedigendem Umfang von ca. 10 Stunden. Wer So Blonde mochte, und auf die deutsche (wirklich grauenvolle) Sprachausgabe verzichten kann, sollte meiner Meinung nach ruhig einen Blick riskieren - und sich nicht vom wirklich schlechten ersten Kapitel abschrecken lassen.Axel Kothe
Im Nachhinein betrachtet ist Captain Morgane kein so schlechtes Spiel, wie es anfangs den Eindruck macht. Ich musste aber einiges an Geduld investieren, denn es gehört ein großes Maß an Durchhaltevermögen dazu, sich durch das erste, teilweise auch das zweite Kapitel zu kämpfen. Gründe dafür gibt es viele: ob es die unterirdische Übersetzung mit teils unfreiwilliger Komik, die grottenschlechten Sprecher, die hakelige Inventarbedienung, die seltsam versetzten Gesprächsanimationen, die uninteressanten Aufgaben oder die sich nur schleppend entwickelnde Story waren, die ersten 30 bis 60 Minuten des Spiels kamen mir wie stundenlange Folter vor. Mit der Zeit habe ich mich an die technischen Defizite halbwegs gewöhnen können und auch Story und Rätsel wurden ein bisschen besser, leider jedoch nicht die Lokalisierung. Ich kann nur jedem, dessen Englisch zum Spielen ausreicht, empfehlen, auf die englische Version auszuweichen, denn die deutsche Übersetzung ist eine der schlechtesten, die ich je erlebt habe.Michael neon Stein
Wäre ich nicht Spieleredakteur, ich hätte den Titel nach zwanzig Minuten in die Ecke geschmissen und eine Kerze für mein verlorenes Geld angezündet. Dann wäre mir allerdings auch die Verbesserung im Spielverlauf nicht aufgefallen. Mit eiserner Motivation und vielen Tagen Abstand habe ich mich durchgekämpft. Am Ende blieb das Gefühl, dass es den Umständen entsprechend doch ziemlich gut war, sobald die ersten Kapitel überwunden waren. Aber empfehlen kann ich den Titel trotzdem nicht. Oder nur mit viel, viel Rum.
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