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Test

von  Michael Stein
14.07.2012
1953 - Im Netz des KGB
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Bereits auf der gamescom im August 2011 durften wir bewegtes Material sehen - seinerzeit noch unter dem Titel Phobos 1953. Mit etwa einem halben Jahr Verspätung liegt nun die Download-Variante vor, eine Veröffentlichung als Retail-Version soll noch in diesem Quartal folgen. Ob der Bunker-Grusler 1953 - Im Netz des KGB aus der Feder der Outcry-Entwickler Phantomery Interactive überzeugen kann oder so unterirdisch wie sein Schauplatz ist, haben wir für euch zusammengefasst.

Russland in Zeiten des Kalten Krieges

1953, Moskau. Wir sehen Filmaufnahmen in Schwarzweiß, die Szenen aus dem Stadtleben zeigen: Geschäftiges Treiben auf den Straßen sowie vorbeifahrende Autos und Straßenbahnen. Plötzlich fährt die Kamera durch die Straßendecke und hält in einem dunklen, durch Warnlichter periodisch rot beleuchteten und von Rohren durchzogenen Gang, in dem ein Mann erwacht. Er weiß nicht, wer er ist und wie er an diesen Ort gelangt ist. Kurz darauf übernimmt der Spieler die Kontrolle über ihn und sieht alles durch seine Augen, um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Doch vorerst ist seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt, denn er ist eingesperrt. So besteht seine Aufgabe darin, erst seinem Gefängnis und dann der Unterwelt zu entkommen.

Altbekanntes Spielprinzip

Technisch bietet 1953 - Im Netz des KGB nichts Neues. Aus der Ego-Perspektive heraus bewegt sich der Spieler über Bewegungs-Hotspots von einem Punkt zum nächsten, wo die Sicht durch das Fahren mit dem Mauszeiger an den Bildschirmrand gedreht werden kann. Das Festhalten der linken Maustaste ermöglicht ein schnelleres Umsehen. Schwebt der Mauscursor über einem Ausgang oder einem benutzbaren Gegenstand, verändert er seine Form. Die rechte Maustaste blendet in den Ecken des Bildschirms die Symbole für das Journal, das Inventar oder Spielmenü ein und aus. Eine Hotspotanzeige sucht man, genau wie eine integrierte Spielhilfe, vergeblich.

Keine Grafiksensation, aber auch kein hässliches Entlein

Grafisch gewinnt das Spiel keine Preise, die Optik geht aber dennoch als recht ansehnlich durch und wirkt authentisch. Kahle Bunkerwände, rostige Rohre, alte Möbel aus den Fünfzigern, alles passt zusammen. Mit Schablonen auf Gegenstände aufgesprühte Markierungen und Beschriftungen unterstreichen das militärische Grundthema. Was jedoch fast vollständig fehlt, sind Animationen. Weder begegnen wir anderen Personen, die sich in irgendeiner Form bewegen könnten, noch öffnen sich Türen oder Schränke in einer für den Spieler sichtbaren Form. Im einen Moment ist die Bodenluke noch geschlossen, im nächsten Moment ist sie offen. Lediglich mit Lichteffekten haben die Entwickler ein bisschen Bewegung in die sonst so sterile Welt gebracht. Selbst die Zwischensequenzen werden entweder durch in Schwarzweiß gehaltene Fotos dargestellt oder sie bestehen aus Lautsprecherdurchsagen eines geheimnisvollen Beobachters, die unser Protagonist von Zeit zu Zeit über sich ergehen lassen muss, wobei der Blick in einer schier unglaublichen Langsamkeit durch den Raum schweift. Eine auffällig unangenehme Randerscheinung ist hierbei, dass dieses Verhalten auch nach dem Verstummen der Stimme noch einige Sekunden anhält, während der Spieler die Steuerung noch nicht zurück erhält. Dadurch entstehen langweilige Wartezeiten, die dem Spielfluss nicht gut tun.

Schlecht sieht das Spiel nicht aus, mangels <br /><br />Animationen wirkt die Grafik aber sehr steril.

Tolle Klänge

Zweifellos auf der Haben-Seite lässt sich die gelungene Musikuntermalung verbuchen. Die meist bedrohlich wirkenden und atmosphärisch starken Stücke aus der Feder des russischen Ein-Mann-Musikprojekts Anthesteria verleihen dem Spiel einen spannenden Grundton. Auch die Soundeffekte sind passend und gekonnt ins Spiel implementiert. Ebenfalls gut gelungen ist die deutsche Sprachausgabe. Zwar sind nur wenige Stimmen zu hören, diese passen aber gut zu ihren Rollen und die Sprecher leisten sich zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Schnitzer.

Was passiert hier und warum?

Die große Frage bei diesem Spiel ist die nach der Handlung. Diese ist quasi nicht vorhanden, denn 1953 setzt, wie auch schon das früher in diesem Jahr erschienene Corrosion - Cold Winter Waiting, lediglich auf eine Hintergrundgeschichte, die im Laufe des Spiels durch den Spieler erforscht werden muss. Dieses Abweichen vom Prinzip des Erlebens einer Handlung passt aber sehr gut zum Spielerlebnis, denn was die Entwickler von Phantomery Interactive hier machen, braucht keine Story-Entwicklung im herkömmlichen Sinn. Sie schicken den Spieler nicht auf eine Reise in ferne Länder, wo sie Abenteuer bestehen müssen. Sie spielen mit seinen Ängsten. Ganz langsam machen sie den Sack immer weiter zu und arbeiten dabei nur selten mit überraschenden Schockeffekten, sondern erzeugen eher eine subtile Art von Beklemmung - mit erstaunlich einfachen Mitteln. Die Zutaten sind eigentlich nur das Spiel mit Licht und Dunkelheit, leichte optische Effekte und der ausgezeichnete Soundtrack. Dennoch entsteht gerade in der zweiten Hälfte eine sehr dichte und gruselige Atmosphäre, in die sich selbst einige der Rätsel so gut einfügen, dass sie diese nicht ernsthaft unterbrechen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die meisten Aufgaben zumindest für die Spieler, die brav alle Schriftstücke einsammeln und aufmerksam lesen, keine wirklich unüberwindbaren Hürden darstellen. Lediglich einige etwas zu klein geratene Hotspots bremsen das Vergnügen stellenweise ein wenig aus.

Einige wenige Rätsel können überzeugen,<br /><br />die meisten fordern den Spieler jedoch nicht wirklich.

Fazit

Atmosphärisch macht 1953 - Im Netz des KGB eine sehr gute Figur. Optisch wäre noch einiges drin gewesen, vor allem im Bereich der Animationen. Dafür macht das Spiel dann aber akustisch wieder alles richtig. Schade ist jedoch, dass das Erlebnis bereits nach knapp 4 Stunden recht unerwartet und auch nicht besonders einfallsreich endet. Man kann es noch verschmerzen, denn der Preis der Retail-Version wird bei rund 20 Euro liegen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Obwohl die Sonne hell in mein Zimmer schien und alle Mitbewohner da waren, schaffte es die beklemmende Atmosphäre von 1953, mich ziemlich zu beunruhigen. In Sachen Atmosphäre hat der Titel viel zu bieten. Umso bedauerlicher ist es, dass das Spiel sein Ende komplett versemmelt. Das Spiel endet abrupt in einem ziemlich abstrusen Rätsel mit einer für mich sehr dürftigen und unlogischen Auflösung, die so gar nicht zum Rest des Spiels passen will. Gegen kurze Horror-Spiele mit knackigen Rätseln ist ja nichts einzuwenden - aber auch eine kurze Geschichte sollte eine vollständige Geschichte sein. So bleibt 1953 eine Art Demonstration, wie man mit sehr schlichten Mitteln ein ziemliches Unbehagen auslöst, aber leider auch ein Beispiel dafür, wie man ein Spiel nicht zu Ende bringen sollte.
Hans Duschl
Tja, wie bewertet man so ein Spiel? Selbst wenn man hinterher vom irgendwie unbefriedigenden Ende enttäuscht wird, macht das Spielen selbst doch Spaß. Ich hätte gerne noch ein bisschen weitergespielt und gesehen, ob die Entwickler noch mehr von den teils wirklich gut umgesetzen Horror-Einlagen auf Lager haben. Das nächste Spiel von Phantomery Interactive ist hoffentlich länger oder arbeitet wenigstens geschickter auf den Abspann hin und kommt dann noch mal mit einer Wendung. So bleibt es ein atmosphärisch und akustisch gut gemachtes Spiel mit einer guten deutschen Synchronisation. Nicht mehr und nicht weniger.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Dichte Atmosphäre
  • Toller Soundtrack
  • Gute Synchronisation
  • Kaum Animationen
  • Recht kurz
  • Extrem abruptes Ende