Es sind gleich zwei Punkte, die dafür sorgen, dass Daedalics jüngste Eigenproduktion, Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten, unter den Adventure-Fans kritisch gesehen wird. Zum Einen wird zum ersten Mal komplett auf Steam gesetzt – selbst Käufer der Box-Version müssen ihr Spiel über Steam aktivieren –, zum Anderen wirft die bekannte Rollenspiel-Lizenz Das Schwarze Auge Fragen auf. Ob euch das Spiel eine Registrierung bei Steam samt eventueller Probleme wert ist, ist letztendlich eure Entscheidung. Was wir euch aber beantworten können sind die Fragen, ob das Spiel auch nicht eingeweihten DSA-Spielern genügend Spielspaß bietet oder ob es sich gar um ein „Weichspül-Adventure“ handelt, das lediglich auf Genre-Besucher zugeschnitten ist.
Satinavs Ketten erzählt die Geschichte des jungen Vogelfängers Geron. Vor 13 Jahren wurde Geron Zeuge, wie ein blinder Seher auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Kurz vor seiner Verbrennung machte er eine letzte Prophezeiung: Geron würde Unheil bringen. Seitdem wird der Vogelfänger von den meisten Bewohnern seiner Heimat Andergast kritisch beäugt. Auch mit sich plötzlich häufenden Unglücken wird er in Verbindung gebracht, doch Gerons Ziehvater Gwinnling hat eine andere Theorie; er befürchtet, dass der Seher zurückgekehrt ist. Ein Indiz dafür ist, dass nach und nach Schlüsselfiguren bei der damaligen Ergreifung des Sehers mit ausgehackten Augen aufgefunden werden.
In den nahegelegenen Wäldern trifft Geron auf die Fee Nuri, die bei der Lösung des Rätsels helfen könnte. Paradoxerweise – bezeichnend für Gerons unheilvolle Aura – erfährt Geron von Gwinnling, dass die gutgläubige Nuri essentiell für den finsteren Plan des Sehers ist. Um das Schicksal zu wenden, muss Geron sie töten. Das wollen wir natürlich nicht zulassen und da uns sowieso nichts mehr in unserer Heimatstadt hält, die inzwischen von Nuris Zauberei in Aufruhr versetzt wurde, machen wir uns auf die Suche nach einem Feenforscher, der hoffentlich einen anderen Ausweg kennt.
Die Einführung zeigt bereits: Die Geschichte von Satinavs Ketten gehört zu den komplexeren im Genre und ist eine der Stärken des Spiels. Bis zum Schluss gibt es interessante Wendungen, die nicht unbedingt vorhersehbar sind. Leider können die Charaktere da nicht ganz mithalten. Es gibt zwar einige nette Nebencharaktere, wie einen Ritter, der direkt versucht uns Nuri abspenstig zu machen, doch gerade die zwar sehr sympathischen Hauptcharaktere Geron und Nuri sind einfach gestrickt und lassen Tiefe vermissen. Es passt auch einfach gar nicht zu der Dramatik der Szene, wenn Geron Nuri ein wenig hilflos erklärt, dass eine Weggefährtin nicht ermordet wurde, wie ihr Aufschrei vermuten ließ, sondern in den Wald gelaufen sei. Glücklicherweise sind die meisten anderen Dialoge deutlich besser gelungen, besonders gefallen immer wieder auftretende Situationen, in denen sich dritte Charaktere einschalten, was die Szenen erfrischend lebendig wirken lässt.
Der Lizenz sind Auftritte von Orks oder Zwergen geschuldet, die bisweilen auch mit kleinen Seitenhieben wie der Knauserigkeit letzterer einhergehen. Diese Anspielungen sind jedoch beispielsweise im Vergleich mit Book of Unwritten Tales eher diskret und sollten jemanden der mit dem DSA-Universum wenig am Hut hat nicht weiter stören.
Störender für fortgeschrittene Abenteurer könnte sich der eher einfache Aufbau der Rätsel erweisen. Zu Beginn verteilen sich Rätsel auf kaum mehr als ein oder zwei Bildschirme, so dass ein Einsammeln aller Gegenstände in der Regel schon die halbe Lösung ist. Positiv ist, dass mit der Beschränkung auf wenige Bildschirme auch die Aufgabe immer sehr deutlich ist, wodurch das eigentliche Rätsel und nicht die Suche danach im Vordergrund steht. Diese Form des Rätseldesigns ist für den Einstieg sehr geschickt gewählt, die schnellen Belohnungen in Form von gelösten Rätseln machen Spaß und sorgen für weitere Zwischensequenzen, welche die Erzählung weitertreiben. Satinavs Ketten wirkt zunächst wie ein Rätsel-Märchenbuch, bei dem sich eine Seite mit Rätseln mit einer Seite Erzählung abwechselt. Leider wird es dadurch auch extrem linear.
Doch das ist nicht alles, was Daedalic zu bieten hat. Gerade wenn einen das Gefühl beschleicht, dass das doch nicht alles sein kann, nimmt der Schwierigkeitsgrad zu. Und dies im Prinzip sukzessive über das ganze Spiel. Erst gegen Ende, dem Spannungsbogen der Story folgend, vereinfachen sich auch die Rätsel wieder. Trotz des steigenden Schwierigkeitsgrads gilt aber: Solange keine Gegenstände übersehen oder Charaktere und entsprechende Dialogoptionen übergangen werden, stellen die meisten Rätsel kein zu großes Problem dar.
Sehr schön ist der erfrischende Abwechslungsreichtum der Rätsel. Mal gilt es einen Rätselspruch richtig zu interpretieren, um einen Gegenstand zu finden, mal muss eine sinnvolle Krähenfalle gebaut werden. In einer verfallenen Mühle hat Geron nur einen beschränkten Aktionsradius, so dass Nuri eingesetzt werden muss, um diesen zu erweitern. Speziell ist auch die magische Fähigkeit Gerons, Glas zerspringen zu lassen – passenderweise verfügt Nuri über den exakt gegenteiligen Zauber, nämlich Zerbrochenes zu richten. Hin und wieder muss hier um die Ecke gedacht und ein Gegenstand erst zerstört, dann wieder geflickt werden. Je weiter wir im Spiel fortschreiten, desto phantasievoller werden die Rätsel, gipfelnd im Schloss einer Feenkönigin, in dem einige Naturgesetze beliebig gesteuert werden können.
Phantasievoll wie die Rätsel sind auch die Hintergründe. Sie sind wundervoll gezeichnet und detailliert und selbst in hohen Auflösungen gestochen scharf. Daedalic war sich hier nicht zu fein, selbst für einige nur kurz sichtbare Szenen detaillierte Hintergründe zu erstellen, auf denen es überall etwas zu entdecken gibt. Für zahlreiche Aktionen gibt es passende Animationen, die dadurch getrübt werden, dass immer wieder unpassende Sprechanimationen in den häufigen Nahansichten auffallen. Während eine Silbe perfekt passend animiert ist, steht das Gesicht für die nächste Silbe einfach still. Auch das altbekannte Nachziehen oder Gleiten der Füße über den Boden gibt es immer wieder zu sehen.
Es gibt zwei Typen von Zwischensequenzen: Solche in Spielgrafik, z.B. in Dialogen oder bei besonderen Aktionen und solche in animierten Strich- bzw. Schwarzweißzeichnungen, die den größten Teil der Story erzählen. Wem erstere etwas unscharf erscheinen, abgesehen von einem gewollten Unschärfe-Effekt, sollte die Option ""Hochauflösende Videos"" im Visionaire-Konfigurationstool ausprobieren. Die längeren Zwischensequenzen erinnern ein wenig an die Zwischensequenzen in Lost Chronicles of Zerzura, übertreffen diese jedoch eindeutig und fügen sich gut in das Gesamtspiel ein.
Ebenso wie die Grafik überzeugt auch die Vertonung. Der Soundtrack in klassischer Stilrichtung ist im Vergleich zu den älteren Rollenspielen der Nordlandtrilogie wenig martialisch, aber natürlich passend zu der phantasievollen Feengeschichte in Satinavs Ketten. Leider kommen nicht alle Titel richtig zur Geltung, weil man sich in den entsprechenden Räumen eher kurz aufhält. Die Synchronsprecher wurden allesamt passend ausgewählt und machen ihre Arbeit überwiegend gut bis sehr gut.
Die Technik, abgesehen von der Steam-Aktivierung, die für uns zwar ungewohnt war, aber im Endeffekt unproblematisch ablief, wirkt sehr solide. Im Gegensatz zu früheren Versionen der Visionaire-Engine hatten wir diesmal auf unserem Testrechner weder Abstürze noch Perfomance-Probleme. Es fiel lediglich ein kurzes Ruckeln des Mauszeigers beim Szenenwechsel auf. Ein Nebeneffekt von Steam ist die Nutzung von Achievements, die durch das Wählen bestimmter Dialogoptionen und Aktionen freigeschaltet werden können. Viel weitreichender ist der Einfluss solcher Entscheidungen aber nicht, sie können also nicht über die Linearität des Spiels hinwegtäuschen.
Die Steuerung ist genreüblich. Ein Klick mit der linken Maustaste führt eine Aktion auf einem Gegenstand aus, ein Rechtsklick dient zum näheren Untersuchen. Welche Aktion ausgeführt wird ist vorbestimmt, als Spieler hat man hierauf keinen Einfluss. Lediglich die Zauber zum Zerbrechen bzw. Reparieren können wie Inventargegenstände ausgewählt und auf andere Objekte angewandt werden. Eine Besonderheit ist, dass man mit dem Mausrad durch das Inventar scrollen kann. Der aktive Inventargegenstand (bzw. Zauber) wird dabei als kleines Symbol neben dem Mauszeiger angezeigt. Die Funktion leidet jedoch darunter, dass das Symbol relativ klein ist und es bei einem empfindlichen Mausrad leicht passieren kann, dass der gewünschte Gegenstand übersprungen wird.
Als Komfortfunktion können Hotspot-Anzeige und Kombinationshilfen aktiviert werden. Da häufig Objekte nahtlos in die detaillierten Hintergründe integriert sind, kann die Hotspot-Anzeige so manche Sucherei ersparen. Damit sollte sich auch die Spielzeit etwas verkürzen, die ansonsten bei etwa zehn kurzweiligen und weitestgehend frustfreien Stunden liegen dürfte.
Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten besticht durch eine gute Geschichte und wunderschöne Hintergründe. DSA-Kenntnisse sind absolut nicht erforderlich. Das Rätseldesign ist interessant und der Aufbau sehr einsteigerfreundlich, ohne Adventure-Kenner verdursten zu lassen. Es macht Spaß die vielen abwechslungsreichen und phantasievollen Rätsel zu lösen, die Designer haben sich hier wirklich etwas einfallen lassen. Eine höhere Bewertung verhindern jedoch etwas zu einfache Hauptcharaktere und die starke Linearität, die einen häufig zu sehr mit der Nase auf wichtige Dinge stößt.
Ich war bei dem Titel sehr skeptisch. Warum eigentlich? Ich habe mich nie viel mit DSA beschäftigt, nur vor einer gefühlten Ewigkeit Die Schicksalsklinge (das erste DSA-Rollenspiel für PC) gespielt. Ich hatte vermutlich Sorgen, dass zu viel Rollenspielmaterial auf unpassende Weise mit einem Adventure verknüpft werden könnte. Nun ja, Daedalic hat ein reinrassiges und vor allem eigenständiges Adventure entwickelt und bewiesen, dass sie keine Stümper sind.
Die zweite Befürchtung, dass das Spiel zu einsteigerfreundlich werden könnte, wurde teilweise widerlegt. Das Spiel bietet durchaus auch ein paar Rätsel zum Nachdenken. Daedalic hat hier sicher einen guten Kompromiss gefunden. Ein großes Problem für mich ist jedoch, dass Satinavs Ketten durch den häufig eingeschränkten Handlungsradius einen eventuell vorhandenen Forscherdrang kaum befriedigt.
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