Neben eigenen Projekten bringt Daedalic Entertainment hin und wieder auch Spiele anderer Entwickler nach Deutschland. Auch wenn diese oft nicht ganz das Niveau der eigenen Spiele halten konnten, war die Ausbeute in der Regel doch sehr gut. In diesem Test wollen wir klären, ob dies beim neuesten dieser Titel, dem Noir-Adventure Face Noir des italienischen Studios Mad Orange, ebenfalls der Fall ist.
New York in den 30er Jahren. Die Prohibition ist gerade vorbei, jetzt kämpfen die Leute mit der Rezession, die dem ganzen Land zu schaffen macht. Mittendrin steckt Jack del Nero, Ex-Polizist und Privatdetektiv, der sich von Auftrag zu Auftrag durchhangelt und seine Feierabende mit mehr als nur ein wenig Whiskey verbringt – wenn er ihn sich leisten kann. Gerade kommt Jack von einem erfolgreich beendeten Beschattungsauftrag zurück, da erhält er einen anonymen Anruf. Es heißt, dass sein Ex-Partner Sean MacLeane wieder in der Stadt sei. Diese Ratte war dafür verantwortlich, dass Jack ein Jahr unschuldig im Gefängnis saß, während Sean selbst mit einer unehrenhaften Entlassung aus der Polizei davon kam. Doch als Jack an den Docks ankommt, an denen er sich mit dem Anrufer für weitere Informationen treffen soll, trifft er nur noch auf Blutspuren - und schließlich auf eine Leiche ...
Das ist nur der Anfang eines klassischen Third-Person-Abenteuers voller Intrigen, korrupten Polizisten und anderen zwielichtigen Gestalten mit fragwürdigen Zielen. Dabei steuert ihr nicht nur den Helden Jack, sondern in seinen Träumen auch den Ex-Kollegen Sean durch das weitgehend linear aufgebaute Spiel. Zwar könnt ihr nach den Anfangsszenen mit einem Taxi alle möglichen Orte in New York anfahren, aber letztendlich gibt es immer nur eine aktuelle Aufgabe mit einem Lösungsweg.
Die Rätsel sind dabei recht unterschiedlich. Neben den bekannten Item-basierten Rätseln gibt es Dialogrätsel in Form von Verhören, Puzzles, bei denen Dinge wie ein Streichholzbriefchen oder eine Puppe zusammengesetzt werden müssen und leichte Maschinen-/Logikrätsel. Außerdem gibt es auch kleine Geschicklichkeitseinlagen, welche mit einer Gestensteuerung umgesetzt sind. So müssen Schlösser mit dem Dietrich geknackt werden, wobei man mit der Maus den Dietrich so lange in eine Richtung bewegt bis es ""Klick!"" macht. Schließlich gilt es noch in einigen Schlüsselmomenten in einer Art ""Gedankeninventar"" zwei verschiedene Informationen zu einer neuen Schlussfolgerung zusammenzufügen. Das wird in etwa zehn Mal im gesamten Spiel eingesetzt. Die Rätsel sind allesamt nicht besonders aufregend oder herausfordernd, mit Ausnahme der Puzzles. Diese sind zwar an sich nicht schwer, allerdings nimmt es das Spiel extrem genau mit der Positionierung der einzelnen Teile, so dass man auch mal zehn Minuten rumprobieren muss, bis die richtigen Positionen gefunden sind, obwohl man das Puzzle eigentlich schon nach 2 Minuten gelöst hat. Das Problem ist den Entwicklern allerdings bewusst und soll in einem Patch ausgemerzt werden.
Wenn wir schon bei der Steuerung sind: Hundertprozentig gelungen ist die Umsetzung den Entwicklern nicht. Sehr umständlich ist zum Beispiel das Inventar, das mit der mittleren Maustaste aufgerufen wird. Um einen Gegenstand zu benutzen, muss dieser zunächst angeklickt werden, damit man eine Nahansicht gezeigt bekommt, dann diese mit der rechten Maustaste angeklickt, damit das „Benutzen“-Symbol erscheint und schließlich mit der linken Maustaste die Benutzen-Aktion bestätigt werden. Erst dann kann der Gegenstand in der Szene eingesetzt werden. Direkt im Inventar miteinander Kombinieren lassen sich Gegenstände übrigens nicht. Genauso wenig lässt sich Jack mit einem Doppelklick dazu überreden, zu rennen, aber immerhin führt ein Doppelklick auf einen Ausgang zum sofortigen Wechsel der Szene.
Als weitere Komfortfunktion hat es die Hotspot-Anzeige in das Spiel geschafft, die auf der F1-Taste liegt. Ansonsten wirkt der Titel, der auf der etwas betagten Wintermute-Engine läuft, wie ein Spiel von vor fünf Jahren: Die Auflösung liegt bei 1024x768 Bildpunkten, die Charaktermodelle sehen sich alle sehr ähnlich und die Lippen bewegen sich alles andere als synchron zur Sprachausgabe. Demgegenüber stehen liebevoll ausgearbeitete Hintergrundgrafiken, die mit vielen Details die Ära hervorragend einfangen und die nette Gehanimation von Jack. Für zusätzlich Atmosphäre sorgen Nebel- und Regeneffekte.
Während die Grafik auf Grund der etwas veralteten Technik keine Begeisterungstürme auslöst, sieht es bei der Soundkulisse deutlich besser aus. Die deutsche Sprachausgabe ist zu großen Teilen mit passenden Sprechern besetzt und gut eingesprochen worden. Einzig der Hamburger (?) Dialekt des Hafenmeisters passt meiner Meinung nach überhaupt nicht in das Spiel und auch die Stimme von Sean hat mich nicht überzeugt. Auch fehlt in einer Verhörszene bei der Polizei relativ am Anfang des Spiels die Sprachausgabe komplett - ob das Absicht war oder ein Versehen ist nicht ganz klar, jedenfalls fällt es negativ auf. Begeistert bin ich hingegen vom Jazz-Soundtrack des Spiels, welcher die schon gelungene Atmosphäre ganz hervorragend unterstützt. Umso schöner, dass der Soundtrack dem Spiel (zumindest in der Erstauflage) als Audio-CD beiliegt.
Face Noir ist ein überzeugendes Debut des italienischen Entwicklers Mad Orange. Besonders in Sachen Atmosphäre und Story kann das Spiel punkten. Und dann die Musik erst. Abzüge gibt es für die veraltete Technik, das lineare, uninspirierte Gameplay und die umständliche Bedienung. Hier gibt es noch Steigerungspotential für einen bereits im Abspann angedeuteten zweiten Teil, der den Rest der Geschichte erzählt – Face Noir endet hier mit einem Cliffhanger.
Face Noir hat mich von der ersten Minute an in seinen Bann gezogen. Die spannende Geschichte und die unglaublich dichte Atmosphäre und fantastische Musik fesselten mich an den Monitor. Nicht mal das Cliffhanger-Ende hat mir was ausgemacht, immerhin habe ich viel Story und ein mit circa 15 Stunden relativ langes Spiel bekommen. Leider kann das Spiel das hohe Niveau nicht in allen Bereichen halten. Besonders genervt haben mich die Puzzle-Aufgaben bei denen pixelgenaue Arbeit notwendig ist – doch hier soll ja zum Glück mit einem Patch nachgeholfen werden. Wer von so etwas schnell genervt ist, sollte unbedingt auf diesen warten. Auch spielerisch und von der Bedienung her konnte das Spiel mich dann doch nicht so überzeugen. Trotzdem ist Face Noir für mich ein tolles Adventure welches ich gerne gespielt habe – nur die erhoffte Liebe ist nicht daraus geworden.
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