„Bedenke, dass du sterblich bist“: Dieser Satz hatte im Laufe der Menschheitsgeschichte bereits viele Bedeutungen. Ob er nun dazu dienen sollte, einen römischen Feldherren nach einem Sieg daran zu erinnern, dass er auch in der nächsten Schlacht Vorsicht walten lassen muss, oder ob im Mittelalter die grausamen Alltagsprobleme durch ein noch viel größeres unwichtig erscheinen sollten – immer wieder prägten Menschen in ganz verschiedenen Situationen den berühmten Satz auf neue Weise. Entsprechend vielseitig geht auch der neueste Titel aus dem Hause Centauri Production mit seinem Adventure Memento Mori 2 – Wächter der Unsterblichkeit um. Vor kurzem erschien der düstere Krimi um die Interpol-Mitarbeiterin Lara und ihren Ehemann Max Durant. Wir haben uns für euch in den makabren Mordfall gestürzt.
Frisch verheiratet bleibt dem Ehepaar Durant nicht viel Zeit für traute Zweisamkeit: Ein Einbruch in der lokalen Kunstgalerie in Kapstadt fordert das Ermittlungstalent der beiden Turteltauben. Zeitgleich wird Max von furchtbaren Alpträumen geplagt. Keiner der beiden ahnt, dass der zunächst harmlos anmutende Diebstahl von zwei Statuen den Beginn einer nervenaufreibenden Jagd nach einem fanatischen Serienmörder markiert. Über den gesamten Globus verteilt tauchen immer mehr Leichen auf, denen merkwürdige Symbole in die Körper geritzt wurden. Zu allem Überfluss sprechen einige Indizien deutlich für die Schuld von Max Durant. Mit der Zeit zerrt der Fall sichtlich an Laras Kräften, bis sie zu guter Letzt eine folgenschwere Entscheidung treffen muss…
Die Geschichte hinter Memento Mori 2 bewegt sich irgendwo zwischen einem klassischen Krimi, einem Dan-Brown-Roman (allerdings ohne dem meist verkorksten Ende) und einer Folge CSI. Dabei wurde viel Wert auf die Charakterzeichnung gelegt und das zahlt sich auch aus. Bereits nach den ersten Kapiteln fühlt sich der Spieler mit Lara und Max stark verbunden und auch die Nebencharaktere lösen mit ihrem Verhalten Emotionen vor dem Bildschirm aus. Die Dialoge wurden zielsicher auf den Punkt gebracht und tragen einen erheblichen Teil zur Atmosphäre bei.
Mit vergleichsweise wenigen Tracks, die häufig mehrfach eingesetzt werden, fällt die Musik zum Spiel etwas schwächer aus als die restliche Präsentation. So dudelt das Stück aus dem Intro nochmals nicht ganz perfekt passend in mehreren Action-Sequenzen vor sich hin und auch einige Titel aus dem ersten Teil wurden unverändert übernommen. Mehr Variation wäre hier wünschenswert gewesen, auch wenn die Musik ihren Teil zur Atmosphäre insgesamt zufriedenstellend beiträgt. Bei der Synchronisation von Publisher dtp wurde ganze Arbeit geleistet: Der Einsatz professioneller und bekannter Sprecher macht das Zuhören zu einem Vergnügen. Einige Sprecher wurden mehrfach besetzt, doch deren schauspielerische Leistung sorgt dafür, dass dies dem normalen Spieler gar nicht auffallen dürfte. Dass das Schicksal des Hauptcharakters Lara dem Spieler mit der Zeit so nahe geht, liegt nicht zuletzt an der guten Regie bei den Tonaufnahmen und der tollen Schauspielleistung von Nana Spier, die eine hohe Variation von Gefühlszuständen glaubhaft zu transportieren vermag.
Das erste, was dem Spieler nach dem Start auffällt, ist die fantastische Grafikqualität. Die Schauplätze wurden liebevoll erstellt und mit zahlreichen Animationen zum Leben erweckt. In Nahaufnahmen kommen die detailreichen Gesichter der einzelnen Charaktere voll zur Geltung: So präsentieren sich Max‘ Bartstoppeln ebenso eindrucksvoll auf dem Bildschirm wie Laras rote Haarsträhnen. Mit seiner atemberaubenden und realitätsnahen Grafik spielt Memento Mori 2 definitiv in der Oberliga des Genres. Hinzu kommen unzählige Animationen und Zwischensequenzen. Für nahezu jede Aktion gibt es bewegte Bilder. In der Nahansicht von Objekten und Orten kann der Spieler die Kamera per Mausbewegung leicht hin- und herschwenken – ein toller Effekt. Mit der Zeit werden diese Ansichten immer größer und bieten dann zusätzlich noch die Möglichkeit, um Objekte „herumzufliegen“, um weitere Details zu entdecken. Diese Eigenschaften und die cineastisch anspruchsvoll umgesetzten Dialogszenen machen das Spiel zu einem echten Augenschmaus. Die Qualität hat jedoch auch ihren Preis: Um in den Genuss der fantastischen Grafik zu kommen, sollte der verwendete Rechner relativ neu und gut ausgestattet sein. Wer außerdem noch eine 3D-Brille, einen entsprechenden Bildschirm und eine passende Grafikkarte sein Eigen nennt, kann das gesamte Spiel auch mit „echtem“ 3D-Effekt genießen. Memento Mori 2 lässt also bei der visuellen Präsentation keine Wünsche offen.
Der erste Teil der Memento-Mori-Reihe wurde von einigen Seiten für seine kurze Spielzeit kritisiert. Das wollten die Entwickler auf jeden Fall ändern. Allerdings sind sie dabei in den ersten Kapiteln ein wenig über das Ziel hinausgeschossen: Bis die Geschichte richtig in Fahrt kommt, vergehen zwei gefühlt sehr lange Kapitel, in denen man sich des Öfteren einen kleinen Schubs geben muss, um weiterzuspielen. Doch mit der Zeit zieht die Spannung deutlich an und gerade in den letzten Kapiteln fällt es zunehmend schwerer, mit dem Spielen aufzuhören. Am Ende bleibt der Eindruck, die ersten Kapitel hätten doch etwas eingedampft werden können, um die Geschichte gleich zu Anfang ordentlich ins Rollen zu bringen. Stattdessen ziehen sich die Ermittlungen in einer Galerie inklusive mühsamen Fingerabdruck-Vergleiches und die folgende Suche nach einer Verkleidung sehr in die Länge. Und damit wären wir auch beim größten Kritikpunkt an dem Spiel: An einigen Stellen finden sich zeitaufwändige und streckenweise auch nervtötende Minispiele im Verlauf der Handlung, die nicht überspringbar sind. Besonders die Aufgabe, aus zerrissenen und verwaschenen Zettelchen wieder eine Inventarliste zusammen zu puzzeln, fiel hierbei negativ auf. Da alle Teile frei drehbar sind und auch noch umgeschwenkt werden können, bringt einen diese Aufgabe schnell an die Grenze der Frustrationstoleranz. Auch dem anscheinend obligatorischen Schiebespielchen auf einer Kiste hätte eine Überspringen-Funktion sehr gut getan. So bremst sich der Titel mehrmals durch kleinere Aufgaben selbst aus. Glücklicherweise ist dies letztendlich aber nicht sehr oft der Fall. Im weiteren Verlauf wird der Spieler für den etwas langsameren Anfang mehr als entschädigt. Die tolle Geschichte und die beiden großen, alternativen Enden führen zu einem letztlich sehr befriedigenden Spielerlebnis. Die Einstufung der USK des Titels als ""Freigegeben ab 12 Jahren"" ist allerdings etwas gewagt, denn es geht ordentlich zur Sache in Memento Mori 2. Verstümmelte Leichen in der Nahaufnahme und recht intensive Gruselmomente lassen doch den einen oder anderen Schauer über den Rücken laufen. Die Empfehlung ab 16 von PEGI erscheint daher deutlich besser.
Wie das Ende von Memento Mori 2 aussieht, obliegt bis zu einem gewissen Grad dem Spieler selbst. Insgesamt gibt es zwei alternative Enden, die sich nochmals in kleineren Details unterscheiden können. Je nachdem, wie gründlich Lara ermittelt und welche Entscheidungen sie im Gespräch mit anderen trifft, gestaltet sich das Finale. Schlussendlich zählt vor allem eine Frage: Existieren übernatürlich Kräfte oder lässt sich alles rein rational erklären? Das Spiel bietet für beide Varianten Ansätze und die Geschichte gibt auch beide Erklärungen her - ein sehr schönes Element in dem sonst sehr strikt linear gehaltenen Spielverlauf. Als nette Kleinigkeit bewertet das Spiel zusätzlich die Aufmerksamkeit und Genauigkeit bei der Untersuchung von Tatorten und Beweismitteln: Am Ende jedes Kapitels erscheint im Tagebuch eine Abschlusswertung. Und um 100 Prozent zu erreichen, ist ziemlich viel Mühe notwendig. Dies motiviert zusätzlich, die grafisch anspruchsvollen Umgebungen genau abzusuchen. Zur Not auch mit der Hotspot-Anzeige, die in einem modernen Adventure natürlich nicht mehr fehlen darf.
Rätseltechnisch bewegt sich Memento Mori 2 über das gesamte Spiel hinweg immer wieder zwischen einem einfachen und einem mittleren Schwierigkeitsgrad. Die meiste Zeit wird für Inventar- und Kombinationsrätsel aufgewendet, hin und wieder müssen Dialoge korrekt zu Ende gebracht werden und ab und zu gilt es, ein Minispiel zu lösen. Die Rätsel passen zu einem Großteil gut in den Ablauf der Geschichte, hinken aber teilweise etwas, wenn man genau auf die Logik achtet. Insgesamt sind die Rätsel gut umgesetzt aber wenig überraschend: Die meisten Aufgaben hat man schon einmal so oder so ähnlich irgendwo gesehen oder sogar selbst durchgeführt. Allerdings sind genau deswegen auch keine allzu abwegigen Kombinationen gefordert: Der erste Gedanke ist auch meist der richtige. Besonders schön ist auch die Tatsache, dass einige Rätsel tatsächlich das Gefühl vermitteln, man sei als echter Ermittler tätig. Die Steuerung ist dabei insgesamt gut und sehr weich gelungen, wenn auch manche Hotspots ziemlich klein geraten sind und einige Funktionen etwas umständlich ausgeführt werden müssen. So ist zum Beispiel nicht ganz nachzuvollziehen, warum die Steuerungshebel eines Autokrans im sechsten Kapitel nicht einfach mit der rechten und der linken Maustaste nach oben und unten bewegt werden können. Stattdessen muss der Cursor an unterschiedlichen Stellen auf dem Hebel platziert werden, um die Bewegungsrichtung zu verändern. Ansonsten lassen an manchen Stellen die Kommentare zu einem bestimmten Problem stark zu wünschen übrig oder führen gar in die Irre. Als Paradebeispiel dient hier eine Szene, in der Lara Benzin aus einem Generator entfernen muss. Im Inventar finden sich zu diesem Zeitpunkt ein Schlauch und eine leere Flasche. Kombiniert man den Schlauch mit dem Tank, erklärt Lara, dass das Benzin so nur auf den Boden tropfen und Verdacht erregen würde. Also kombiniert man den Schlauch mit der leeren Flasche, die einen geschlossenen Deckel hat, der aber als „offen“ bezeichnet wird. Das funktioniert natürlich nicht. Dreht man dann den Deckel ab, weigert sich Lara immer noch, den Schlauch in die Flasche zu stecken. Die Lösung: Die Flasche muss zunächst unter dem Generator abgestellt werden, erst dann kann der Schlauch kombiniert werden. In Situationen wie dieser wären mehr hilfreiche Kommentare sinnvoll gewesen, um unnötige Hänger zu vermeiden.
Memento Mori 2 ist vor allem eines: Wunderschön anzuschauen. Die cineastischen Zwischensequenzen, die tolle Sprecherleistung und die vielen Schauplätze mit zahlreichen Details überzeugen von Anfang an und setzen neue Standards im Adventure-Genre. Der Geschichte muss man ein wenig Zeit geben, doch dann überzeugt auch diese durch spannende Entwicklungen und toll ausgearbeitete Charaktere. Die Rätsel sind meist guter Durchschnitt, ohne dabei besonders schwierig zu werden. Die Spielzeit, die fast schon wieder Raum für Kürzungen bietet, wirkt sich, insgesamt gesehen, belohnend aus. Alles in allem ist Memento Mori 2 also ein wirklich schönes Erlebnis.
Memento Mori 2 ist grafisch sicherlich das derzeit aufwendigste Adventurespiel abseits von Heavy Rain. Fantastische Nahaufnahmen der Charaktere, wunderschöne 3D-Landschaften und hübsche Lichteffekte können überzeugen. So habe ich auch nur an Kleinigkeiten etwas zu meckern: Warum muss vor der Gallerie immer exakt der gleiche Lieferwagen vorne durchs Bild fahren? Warum stehen die unbeteiligten Passanten immer an der gleichen Stelle? Bei einem Standardtitel fällt mir das schon gar nicht mehr auf, bei der grafischen Wucht eines Memento Mori 2 hingegen umso mehr. Spielerisch haben mich die immer wieder eingestreuten und sehr abwechslungsreichen Aufgaben abseits der üblichen Item-Kombinationen ziemlich positiv überrascht, auch wenn sie nicht alle hundertprozentig ausgereift sind und eine Option zum überspringen teilweise gut getan hätte. Einzig die etwas längeren Ladezeiten haben mir ein wenig den Spielspass gedämpft, wenn es darum ging von einer Location zur anderen zu wechseln, und wieder zurück. Insgesamt ein sehr gelungenes Adventure mit einer spannenden Geschichte und, was ja leider nicht selbstverständlich zu sein scheint, einem (oder besser gesagt zwei) befriedigendem Ende! Axel Kothe
Dass Spiele einen behäbigen Aufbau haben und später besser werden, scheint wohl das Adventure-Stilmittel im Jahr 2012 zu sein. Wer nur die erste Stunde spielt, wird zwar von der Grafik beeindruckt sein, nicht jedoch von der Geschichte. Und das ist schade, denn diese entwickelt sich nach ein paar Stunden prächtig. Fast ist Memento Mori 2 wie ein Besuch im Kino, nur mit deutlich mehr Mitbestimmung. Grafisch zeigt uns Centauri Production, dass nicht nur Shooter eine wundervolle Optik bekommen können. Wenn ihr nächstes Spiel noch dynamischer und nutzerfreundlicher wird, rückt ein Platz neben den besten Adventures der letzten Jahre in greifbare Nähe.
Adventure-Treff-Verein
IBAN: DE38 8306 5408 0004 7212 25
BIC: GENODEF1SLR