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  • Dark Alleys - Penumbra Motel

Test

von  Baldur Brückner
06.02.2013
Dark Alleys - Penumbra Motel
Getestet auf Windows, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch

Wenn der US-Publisher Big Fish Games ein neues „Adventure“ verspricht, fühlen wir uns für gewöhnlich eher nicht angesprochen, da es sich in der Regel um Wimmelbild-Spiele handelt. Auch der neue Titel Dark Alleys – Penumbra Motel trägt einen „Wimmelbild“-Hinweis auf der Verpackung – es wimmelt aber nichts, adventuret dafür umso mehr. Grund genug, einen Blick auf das vom russischen Entwickler ERS Game Studios gestaltete Spiel zu werfen.

Ein wirrer Anfang

Ort des Geschehens ist eine ländliche Gegend irgendwo in den USA. Der Spieler ist zusammen mit Monica, der kleinen Tochter seiner Freundin, unterwegs zur kranken Großmutter des Mädchens. An einer abgelegenen Tankstelle mit angeschlossenem Motel halten die beiden an, um aufzutanken. Monica schnorrt ein bisschen Kleingeld für Süßigkeiten und betritt den in einem größeren Holzhaus untergebrachten Laden. Plötzlich wird es unheimlich: Ein Unbekannter zeigt sich am Fenster, die Tür des Hauses schlägt von selbst zu, und schlagartig zieht ein schwerer Sturm auf, der das Gebäude binnen Sekunden um Jahrzehnte altern lässt. Genauso schlagartig lässt der Sturm wieder nach und der Spieler steht verdutzt vor einer baufälligen, vor Jahren verlassenen Ruine. Nun erscheint ein Geist eines jungen Mannes und erklärt dem Spieler, dass er an dieser Stelle vom Vater seiner Freundin, einem Herrn Penum, umgebracht wurde und dass anschließend die gesamte Familie Penum zu Tode kam, mit Ausnahme des jüngsten Sohnes, der spurlos verschwand. Nun hause ein Geist im Penumbra Hotel, und der Spieler müsse Monica schleunigst finden, da sie sonst das nächste Opfer wäre.

Der Einstieg in die Story ist genauso wirr, wie er sich anhört. Soviel sei vorweggenommen: Das Schlimmste ist damit überstanden. Der Spieler steht nun auf dem Gelände der Tankstelle und beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. Und so erkundet man auf der Suche nach Monica im folgenden das weitläufige Gelände des namensgebenden Motels und erforscht nach und nach das schreckliche Geheimnis der Familie Penum.

Nett anzuschauen

Grafisch präsentiert sich Dark Alleys primär als 1st-Person-Point’n’Click-Adventure mit handgezeichneten Grafiken. „Primär“ deshalb, weil einige Zwischensequenzen in 3D gehalten sind und sämtliche Personen als FMV-Charaktere eingebunden sind, es wurden also Schauspieler engagiert und abgefilmt. Das wirkt anfangs (man versuche nochmals, die Beschreibung der Einleitung zu verstehen) ziemlich unentschlossen, man gewöhnt sich aber schnell dran und muss zugeben: Das sieht schon vertretbar aus. Das tun auch die Räume selbst. Zwar werden sie nur durch einzelne Bilder dargestellt, aber die sind leidlich gut gezeichnet, nicht grad auf Blockbuster-Niveau, aber durchaus annehmbar. Dass die Macher aus dem Wimmelbild-Genre kommen, merkt man deutlich an „aufgesetzten“ Gegenständen, die in der Gegend herumliegen und sich nicht recht ins Gesamtbild einfügen wollen. Dafür wurden die ansonsten statischen Bilder liebevoll animiert: Vögel streiten sich, Staubflocken oder Blätter wehen herum, Insekten und Nagetiere krabbeln durchs Bild, Spinnweben wehen im Wind und Türen schwingen hin und her. Schaut schon nett aus. Durch das Thema bedingt gibt es relativ viele Skelette und Geistererscheinungen – wer ein Geburtstagsgeschenk für seinen fünfjährigen Neffen sucht, sollte Dark Alleys lieber meiden, empfohlen ist es ab 12.

Für die Ohren gibt es pro Raum eine andere musikalische Untermalung, die Auswahl ist aber nicht sehr groß – einige Außenräume werden mit Wettergeräuschen beschallt, ansonsten gibt es Musik, aber nur eine Handvoll unterschiedliche Stücke. Selbige sind handwerklich nicht schlecht gemacht, wollen aber so gar nicht zur Umgebung passen. Unterstützt anfangs noch ein Piano die unheimliche Atmosphäre, setzt schnell fröhliches Klarinettengedüdel ein und schafft eher Kaffeehausatmosphäre. Immerhin gibt es vielerorts stimmige Soundeffekte – Schritte aus dem Off, knarzende Türen etc. Schön spooky.

Die Spielsprache ist Englisch. An der Sprachausgabe gibt es nichts auszusetzen, offenbar wurden Muttersprachler engagiert. Für Deutschland hat Big Fish deutsche Untertitel und Menüs spendiert; diese Version wird von Astragon als DVD-Box vertrieben. Hier und da gibt es unnötige Rechtschreibfehler.

Benutze Schlüssel mit Tür

Der Spielverlauf gestaltet sich genreüblich: Man sucht die Gegend ab (Hotspotanzeige gibt es keine, bis auf ein, zwei Gegenstände ist aber alles schnell gefunden, man vermisst sie nicht), klaubt Gegenstände auf, wendet sie irgendwo an und bekommt neue Gegenstände oder schaltet weitere Räume frei. Dialogrätsel gibt es nicht; andere Personen tauchen nur als in die Raumgrafik eingebundene FMV-Filmchen oder Standbilder auf. Die Rätsel als solche sind eins der größten Ärgernisse des Spiels: Zwar sind sie reichlich vorhanden, aber schlicht und ergreifend zu einfach. Eine Tür ist verschlossen? Zwei Meter weiter liegt der Schlüssel in einem Holzkasten voller Schlangen. Das Werkzeug, um die Schlangen zu vertreiben, liegt quasi direkt daneben. Das zieht sich durch das gesamte Spiel, so dass man sich mehr oder weniger im Wachkoma durch die Räume klickt, unterbrochen nur durch die reichlich vorhandenen Minispiele. Die sind immerhin gut gemacht, wenn auch zu keinem Zeitpunkt innovativ – Bilderfragmente zusammenpuzzeln, Sokoban-Varianten spielen, Leitungssysteme zusammensetzen, alles Dinge, die man schon gefühlte 100 Mal gesehen hat. Für die Minispiele gibt es cthulhulob eine Lösungshilfe – ein Balken unten rechts füllt sich langsam, und wenn er voll ist, kann das Spiel übersprungen werden. Löblich! Hierfür bietet das Spiel sogar drei anfänglich wählbare Schwierigkeitsstufen, die die Geschwindigkeit der Balkenfüllung beeinflussen. Insgesamt aber ist Dark Alleys dann doch vor allem eins: Einfach. Pipileicht. Casual. Wenn man mit den Minispielen zurecht kommt, müsste man es an einem (etwas längeren) Abend durchspielen können. Der eine Speicherplatz, den es gibt, reicht aus. Wenn man das Spiel beendet, geht es beim erneuten Start an der gleichen Stelle weiter. Hilfreich beim erneuten Starten ist das Tagebuch, in dem alle gefundenen Notizen abgelegt und kommentiert werden. Die jeweils aktuelle Aufgabe geht aus dem Tagebuch gut hervor.

Die Geschichte ist übrigens vom Setting her gar nicht mal übel. Durch Briefe, Notizen sowie kleine Filmchen erschließt sich nach und nach das Drama um die Famile Penum. Bedingt durch die geringe Spieltiefe stößt man allerdings nur oberflächlich zu den allesamt toten Penums vor und diverse Fragen bleiben unbeantwortet. Einige zusätzliche Personen rufen sogar ziemliche Verwirrung hervor – warum sind sie da, warum tun oder lassen sie, was sie tun oder lassen, wer sind die eigentlich? Fragen, mit denen ein Casual-Game überfordert ist. Blöd, dass eine dieser Personen gegen Ende zur zentralen Figur des Spiels mutiert. So bleibt am Ende ein fader Geschmack haften – war schon ganz nett, aber so richtig verstanden hat man die Geschichte nicht.

Fazit

Dark Alleys ist ein kurzweiliges Casual-Adventure, nicht mehr und nicht weniger. Es sieht vertretbar aus, die Ohren bluten nicht, die Geschichte ist nicht uninteressant und das Interface ist durchdacht. All diese Aspekte sind aber nur mittelmäßig umgesetzt, alles wirkt wie Fließbandware, und es bleibt nichts hängen. Früher wäre Dark Alleys als Budget-Titel durchgegangen – im Jahr 2013, in Zeiten, in denen man auf Online-Vertriebsplattformen wenige Monate alte ehemalige Vollpreistitel für kleines Geld bekommt, muss man sich aber schon überlegen, ob man 10 Euro für einen netten, aber in keinster Weise nachhaltigen Spieleabend aufwenden möchte.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Casual-Games sind für gewöhnlich nicht mein Ding, sie wirken oft wie dahingeschludert und fordern den Spieler nicht. Am Anfang fand ich meine Vorurteile denn auch bestätigt – das Script zum Intro wirkt, als wäre es im Suff geschrieben worden, so stümperhaft wird man selten in der Spielwelt abgesetzt. Das Ende ist ähnlich gestaltet, die Handlung wird zwar abgeschlossen, aber so richtig wurde nichts erklärt, es bleiben mehr offene Fragen als Antworten. Zwischen Anfang und Ende jedoch präsentiert sich Dark Alleys durchaus als ein richtiges Adventure, kinderleicht zwar, aber unterhaltsam, stellenweise sogar spannend. Ich bereue das Spielen nicht. Für ein Casual-Adventure hat es sicherlich ein gehobenes Niveau. Bevor man sich im Fernsehen die drölfte Filmwiederholung oder Gameshows für Amöben antut, sollte man lieber Dark Alleys eine Chance geben. Für die Zukunft sollte man ERS Game Studios ruhig mal ein größeres Budget in die Hand geben – das Gespür für ordentliche Adventures ist da, es fehlen nur Zeit und Geld für eine sauber erzählte Geschichte und Rätsel für eine anspruchsvollere Zielgruppe.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • optisch nett
  • interessantes Setting
  • intuitive Steuerung
  • viel zu leicht
  • Story nicht ausgearbeitet
  • irritierende Musik