Länger und lustiger sollte Deponia 2 werden, das versprach Poki uns zumindest auf der gamescom 2012. In beiden Punkten sollte er recht behalten. Die Fortsetzung der Geschichte rund um den Müllplaneten fährt story- und humortechnisch so viel auf, dass kaum Wünsche offen bleiben. Schon die erste Spielszene ist so bitterböse und gleichzeitig lustig aufgebaut, dass dem Spieler nur ein entsetztes Gesicht oder ein unbändiges Lachen zur Auswahl bleiben. Die Geschichte hinter Chaos auf Deponia ist ebenso stark wie bei seinem Vorgänger und sehr gut erzählt. Außerdem fühlt sich das Ende des zweiten Teils deutlich runder an und hinterlässt einen so zufriedener. Bereits bekannte Charaktere werden gut fortgeführt und die neuen Gesichter sind ebenfalls eine Bereicherung für das Spiel und die Atmosphäre. Die Gags, von denen das Spiel offenbar einen unerschöpflichen Vorrat hat, kommen punktgenau, pointiert und sehr unterhaltsam an. Besonders nett ist die Tatsache, dass dabei häufig auch eine Meta-Ebene benutzt wird: Hin und wieder werden das Spiel selbst, seine Entwickler oder seine Kritiker auf die Schippe genommen. Spieleredakteuren und aufmerksamen Lesern bietet der Titel dadurch sogar noch einen zusätzlichen Mehrwert: Die Art und Weise, wie Daedalic mit Kritik am ersten Teil umgeht, ist zum Brüllen komisch. Und genau wie im ersten Teil gibt es einen pubertären Ausrutscher in Sachen Humor. Warum? Wahrscheinlich weil muss ja und so.
Gekonnt nimmt Daedalic seine Kritiker und sich selbst auf die Schippe"
Audiotechnisch hat Chaos auf Deponia einiges zu bieten. Der Soundtrack enthält zahlreiche neue Stücke, die unter sich auch deutlich mehr Abwechslung bieten, als das noch im ersten Teil der Fall war. Dennoch kommen auch Stücke aus dem ersten Teil zum Einsatz, hier und da mit leichten Variationen. Bis auf eine Spielstelle, in der das explizit anders gewollt ist, fügt sich die Musik zurückhaltend in das Spielgeschehen ein und transportiert die Atmosphäre bestens. Monty Arnold war bereits im ersten Teil in der Rolle des Rufus genial, doch jetzt läuft er zur absoluten Höchstform auf. Anders lässt sich seine hervorragende Sprecherleistung nicht beschreiben. Jede Pointe sitzt, jeder Ausdruck und jede Betonung ist perfekt. Immer noch recht störend ist allerdings die Tatsache, dass Arnold auch in diesem Teil wieder „Selbstgespräche“ führt. In Szenen, bei denen sowohl Rufus, als auch Cletus, als auch die Wachen des Organon auftauchen, fällt die Mehrfachbesetzung zu deutlich auf. Vielleicht gibt es im geplanten letzten Teil der Deponia-Reihe noch eine andere Begründung für diese Entscheidung, als reinen Sparwillen. Auch die übrigen Sprecher, teilweise aus anderen Daedalic-Spielen noch im Ohr, liefern sehr gute Arbeit ab, sodass das Spiel ein echter Hörgenuss ist. Besonders überraschend ist die Tatsache, dass Gastsprecher Gronkh längst nicht so überdreht polarisierend auftritt, wie man von seinen Let's-Play-Videos her befürchtet haben könnte. Im Gegensatz zu diesen schafft er es, seine brabbelnde, doch recht übertriebene Natur zu vergessen und eine sehr gute Interpretation eines genervten Deponianers abzugeben. Wer ihn nicht kennt, könnte sogar annehmen, es handele sich um einen „regulären“ Synchronsprecher. Auch Poki singt wieder zum Einstieg der Kapitel, eine schöne Tradition, deren Fortsetzung eine gute Idee war. Weniger gut ist der ein wenig verunglückte Versuch, Poki zusätzlich noch als Gondoliere-Fahrer in das Spiel zu bringen. Denn leider ist seine Fähigkeit, einen italienischen Akzent glaubhaft nachzumachen nicht vorhanden, was ein wenig an der Atmosphäre zieht. Und auch wenn die zusätzlichen vier Lieder recht lustig sind, wurde dann fast schon zu viel gesungen. Von diesen kleinen Kritikpunkten abgesehen, macht der zweite Teil bei der Musik, den Sprechern und den Geräuschen alles richtig, richtiger sogar als Teil 1.
Technisch hält Daedalic an den Vorzügen der Steuerung des ersten Teiles fest. Das Inventar kann entweder klassisch oder per Mausrad geöffnet werden, Gegenstände bleiben aktiv, wenn eine Kombination nicht erfolgreich war. Unter der Haube wurde anscheinend viel geschraubt: Die Lade- und Speicherzeiten haben sich deutlich verkürzt und insgesamt erscheint das Spiel wesentlich stabiler, selbst beim Verlassen durch die bei vielen Titeln gefährliche ""Alt+Tab""-Tastenkombination. Bis auf einen Spielfehler, der bei unserem Test nicht auftauchte, mit dem aber mehrere Nutzer bereits konfrontiert wurden, ist das Spiel auch von der technischen Seite gesehen sehr gut umgesetzt.
Die Rätsel, die der Spieler in Chaos auf Deponia lösen muss, bewegen sich auch wie beim ersten Teil zwischen einem mittleren und einem hohen Schwierigkeitsgrad. Sehr schnell werden große Areale freigeschaltet, in denen mehrere Aufgaben teilweise in beliebiger Reihenfolge ausgeführt werden können. Hinweise auf die Lösung eines Problems gibt es dabei häufig durch Betrachten eines Objektes oder durch Gespräche mit anwesenden Charakteren. Die Art der Rätsel reicht von gut in die Geschichte integrierten Minispielen über Dialogrätsel bis hin zum klassischen Inventarrätsel. Alle Minispiele sind auf Wunsch auch sofort überspringbar. Da diese aber alle gut machbar sind, ist das eigentlich nicht nötig. Auffallend ist, wie kreativ einige der Aufgaben sind. Es ist sicherlich nicht falsch zu behaupten, dass Chaos auf Deponia eines der genialsten Rätsel enthält, die jemals in ein Adventure eingebaut wurden. Hat man es gelöst, schlägt man sich lachend oder fassungslos die Hand vor die Stirn. Doch auch die beiden Rätsel, die mit einem Zeitparadox oder mit Teleportern arbeiten, sind schöne Beispiele für perfekt gelungene Rätselkost. Hut ab!
Tierlieb sollte man als Spieler übrigens auf keinen Fall sein, denn süße Tiere leben nicht lange (schmerzfrei) in Rufus‘ Nähe. Als eine Art Running Gag ziehen sich Aufgaben durch das gesamte Spiel, bei denen (mehr oder weniger absichtlich) ein Lebewesen zu Schaden kommt.
Grafisch hat sich Chaos auf Deponia im Vergleich zum ersten Teil noch ein wenig weiterentwickelt. Die Schauplätze sind sehr gut in Szene gesetzt, viele Charaktere, Tiere und Objekte lassen die Umwelt lebendig wirken. Wieder ist es Daedalic gelungen, einen komplett vermüllten Planeten auf irgendwie schöne Art und Weise darzustellen. Zahlreiche Zwischensequenzen und Animationen ergänzen die visuelle Präsentation. An einigen Stellen hätte man sich vielleicht doch noch mehr Videomaterial statt einer Schwarzblende gewünscht, doch allzu sehr fallen diese sehr seltenen Momente nicht ins Gewicht. Ein letztes Feld für Verbesserungen wären noch die Animationen im Spiel selbst. Dadurch, dass diese im zweiten Teil häufiger und optisch etwas verbessert verwendet werden, fällt umso mehr ihr Rucken auf. Mit etwas sanfteren Übergängen wäre das Spiel sicherlich noch ein größerer Hingucker, doch ein Stück weit entspricht dies ja auch dem Stil von Daedalic und diese Kritik ist bereits auf einem sehr hohem Niveau. Insgesamt ist der Titel ohnehin schon sehr schön anzuschauen.
Chaos auf Deponia 2 ist ein absolut würdiger Nachfolger für den ersten Teil und legt die Latte für den großen Abschluss der Reihe sehr hoch. Bis auf wenige Kleinigkeiten macht das Spiel alles richtig und vor allem viel Spaß. Gespannt warten wir nun auf das große Finale. Viel Glück, Daedalic!
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