Test

von  Hans Pieper
04.02.2013
Kairo
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Tief in eine Welt versunken, die von riesigen Tempelanlagen beherrscht wird, muss sich der Spieler in Kairo zahlreichen Logikrätseln stellen, um Raum für Raum dem eigentlichen Geheimnis seiner merkwürdigen Umgebung näher zu kommen.

Rätselhafte Tempel

Das Spiel beginnt schmucklos in einer weißen Einöde, direkt vor einem riesigen Thron. Von dort aus navigiert der Spieler den Hauptcharakter in der Ego-Perspektive per WASD-Tastenkombination und der Leertaste zum Springen durch die Tempelanlagen. Alternativ lässt sich das Spiel auch nur mit der Maus steuern, wobei die linke Maustaste für die Fortbewegung und die rechte für den Sprung belegt sind. Innerhalb der Umgebungsgrenzen ist eine freie Bewegung möglich und bei einigen Rätseln zahlt sich ein genaues Erkunden der Umgebung auch aus. Um voranzukommen, müssen Logikrätsel verschiedenster Art gelöst werden, wobei sich die Rätsel auf einen Raum beschränken, ihre Lösungen aber auch andernorts einen Effekt haben können. Das Spiel ist dabei in mehrere Sinnabschnitte unterteilt, deren Fortschritt über eine Umgebungskarte angezeigt werden kann. Der erste Schritt zum Lösen eines Rätsels ist stets die genaue Beobachtung der Umgebung. Dadurch muss das Rätsel selbst erst einmal verstanden werden, damit im Anschluss eine Lösungsstrategie entworfen werden kann. Was in schriftlicher Form recht komplex klingt, ist im Spiel längst nicht so kompliziert. Der Schwierigkeitsgrad reicht von leichten Rätseln über fordernde bis hin zu wenigen sehr kniffligen Aufgaben. Dabei konzentriert sich Kairo auf Rätsel in ihrer Reinform. Symbole müssen notiert und in der richtigen Reihenfolge eingegeben, Mechanismen verstanden und bedient, Objekte an ihren richtigen Platz geschoben werden. Die Einfachheit des Rätseldesigns und die Beschränkung auf jeweils einen Raum hält das Spieltempo angenehm hoch, ohne jedoch zu leicht zu wirken. Es gibt weder ein Inventar noch Tagebücher und auch Dialoge müssen nicht geführt werden. Fans von Spielen wie Myst, Riven, Schizm oder URU kommen hier voll auf ihre Kosten.

Kairo bietet klassische Logik-Rätsel

Gemischte Grafikqualität

Auf den ersten Blick ist Kairo kein besonders ansprechendes Spiel. Das liegt vor allem daran, dass sich die starke Atmosphäre der Umgebungen erst im bewegten Spiel und nicht auf Screenshots entfaltet. Die Höhe der Gebäude, die Umgebungen mit nur wenigen Objekten, die trostlosen, farblosen Landschaften, die sich mit wundervollen, farbenprächtigen Tempelräumen voller Lichtspiele abwechseln, all das entwickelt sich erst im Spiel selbst. Insgesamt ist die grafische Präsentation von Kairo recht gemischt: Manche Texturen und Umgebungen wirken perfekt in Szene gesetzt, während andere Objekte unfertig und detailarm auftreten. Das mag zwar vielleicht sogar gewollt sein, um die angedeutete Hintergrundgeschichte zu transportieren, doch streckenweise fällt die mangelnde Detailarbeit negativ auf. Dennoch – oder gerade deswegen – entwickelt die Darstellung eine dichte, teilweise beunruhigende Atmosphäre.

Karg, bunt, detailreich ausgestaltet oder<br /><br />unfertig: Die grafische Bandbreite ist groß

Sphärische Klänge

Der Soundtrack zu Kairo besteht zu einem Großteil aus sphärischen Klängen, die sich perfekt in die Umgebung einpassen und die Stimmung sehr gut transportieren. Die Geräusche sind insgesamt gut gesetzt, auch wenn sie wenig variantenreich auftreten und an einigen Stellen etwas abgehackt klingen. Allgemein zahlt sich die Besinnung auf das Wesentliche in Sachen Sounddesign aus, sodass die insgesamt kalte und verlassene Spielwelt förmlich durch den Bildschirm auf den Spieler zukriecht.

Manche Räume erinnern an<br /><br />Stanislaw Lems <i>Eden</i>. Man fühlt sich <br /><br />als Fremdkörper in einer Welt, in der <br /><br />unverständliche Prozesse ablaufen

Angedeutete Philosophie

Während sich der Entwickler im ersten Tempel ganz auf die Rätsel konzentriert hat, wird ab dem zweiten Abschnitt eine Hintergrundgeschichte angedeutet. Diese bleibt jedoch recht vage und überlässt es fast vollständig dem Spieler, sich eine zusammenhängende Interpretation des Spielgeschehens zurechtzulegen. Ein paar mehr Andeutungen hätten es ruhig sein dürfen, denn so bewegt sich das Spiel auf einer Ebene mit experimentellen Spielen wie etwa Thirty Flights of Loving, das zwar deutlich mehr Inhalte zu einer möglichen Hintergrundgeschichte liefert, den Spieler letztlich aber genauso hilflos zurücklässt. Selbst das Erzählprojekt Dear Esther, das ebenfalls bewusst auf eine Vielzahl von Interpretationen angelegt ist, bietet mehr Anhaltspunkte zum Verständnis der Geschichte. Schlussendlich kann man sicherlich viel aus Kairo herausholen – man muss es aber nicht. Mittelpunkt des etwa fünf bis sieben Stunden dauernden Spiels sind definitiv die Rätsel und die sind auch sehr gelungen.

Ab der zweiten Spielhälfte deutet Kairo <br /><br />eine Hintergrundgeschichte an

Technische Finessen – und Einschränkungen

Kairo läuft einwandfrei auf den Betriebssystemen Windows, Mac und Linux. Ein integriertes Hinweis-System hilft mit dreistufigen Tipps weiter, die immer mehr von der Lösung verraten. So kann man sich im Spiel selbst in Richtung Lösung schubsen lassen – falls nötig. Durch die geschickte Anordnung der Rätsel lernt der Spieler zu Beginn des Aufgabenbereiches stets die Elemente kennen, die er bei späteren, komplexeren Rätseln verwenden muss. Abgesehen von den Tipps und einer Art Widmung zum Ende der Geschichte in englischer Sprache kommt das Spiel komplett ohne Worte aus. Doch mit dem Abspann ist Kairo noch nicht beendet: Für aufmerksame Beobachter gibt es dann noch versteckte Räume und zusätzliche Rätsel zu lösen - ein nettes Geschenk an die Spieler. Nicht ganz so gut gelöst ist das Speichersystem: Es existiert lediglich ein Speicherstand, der automatisch in jedem Raum aktualisiert wird. Ein eventueller Fortschritt innerhalb des Raumes geht beim Beenden verloren. Möchte man noch einmal von vorne anfangen oder ein Familienmitglied spielen lassen, bleibt nur das Überschreiben des einzigen Spielstandes.

Die Rätsel sind vielfältig und clever umgesetzt

Fazit

Kairo ist eine gelungene Hommage an das Logikrätsel in seiner reinsten Form. Auf beeindruckend vielfältige und kreative Weise konfrontiert der Titel seinen Spieler mit cleveren Aufgaben der klassischen Schule, ohne Inventar, ohne Tagebuch, ohne Dialoge. Genaues Beobachten ist dabei genauso wichtig, wie Stift und Papier auf dem Tisch neben dem Rechner liegen zu haben. Besonders Fans von Logikrätseln werden ihre helle Freude an dem Titel haben. Die Grafik bietet einige wundervolle, viele durchschnittliche und einige nicht allzu überzeugende Momente. Musik und Geräusche sind insgesamt gut umgesetzt und die Technik überzeugt auf drei Betriebssystemen. Das Spiel kostet $8 und kann DRM-frei auf der Webseite des Entwicklers gekauft werden. Unschlüssige können sich dort auch erst einmal eine Demoversion herunterladen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Kairo weckte in mir einen kindlichen Forschertrieb und nach jedem gelösten Rätsel einen kleinen Freudenhüpfer in meinem Inneren. Die Tempel und ihre Räume entfalten mit der Zeit eine starke Atmosphäre, der man sich nur schwer wieder entziehen kann. Für Fans dieser Adventure-Sparte ist Kairo ein absolutes Muss.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Vielfältige, gut konzipierte Logikrätsel
  • Eindrucksvolle Grundstimmung
  • Stimmiger Soundtrack
  • Schöne, puristische Grafik...
  • ...die streckenweise entgleist
  • Hintergrundgeschichte nur angedeutet
  • Nur ein Spielstand