Test

von  BENDET
03.02.2013
Primordia
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

In einer postapokalyptischen Zeit, nicht ganz so fern der unseren, wird die Welt von Robotern bevölkert, deren wichtigste Ressource Energie ist, Energie und Ersatzteile. Einer dieser Roboter ist Horatio. Er lebt zusammen mit seinem selbstgebauten Kumpel Crispin auf einem in den Ödlanden havarierten Luftschiff und setzt all sein Können daran, dieses zu reparieren und erneut zum Fliegen zu bewegen. Dabei vermeidet er es tunlichst, Kontakt zu anderen Robotern aufzunehmen, bis eines Tages ein furchteinflößender, dunkler Zeitgenosse die Außenhülle des Schiffes durchdringt, Horatio und Crispin bedroht und deren Energiekern entwendet. Ohne diesen sehen sich Crispin und Horatio notgedrungen veranlasst, das Schiff zu verlassen, sich auf die Suche nach dem Verbleib des Energiekerns zu machen und einen Weg nach Metropol zu finden - jener Stadt, die für so viele Roboter Zuflucht und kostenlose Energie verspricht.

Klassisch

Wadjet Eye Games ist unter den Adventure-Spielern dieser Welt längst für seine im Retro-Stil gehaltenen Spiele bekannt. Und auch Primordia ist hier keine Ausnahme. Die Steuerung lässt sich wohl am ehesten mit der Steuerung der Sierra-VGA-Remakes vergleichen. Am oberen Bildschirm gibt es eine ausklappbare Steuerleiste, welche Zugang zum Inventar, der Karte, Crispin, den Optionen und dem zuletzt ausgewählten Inventarobjekt gewährt. Lediglich auf die Rotation durch verschiedene Aktionsverben bzw. -symbole wurde verzichtet. Stattdessen gibt es nur einen Cursor und der Anwender entscheidet sich mit Linksklick für Interagieren und mit Rechtsklick für Ansehen. Damit ist die Steuerung für Genre-Vertraute intuitiv klar und für Genre-Neulinge leicht verständlich.

Auch grafisch bleibt sich Wadjet Eye Games treu. Wie üblich kommt das Spiel in einer Auflösung von 640 x 400 Pixeln daher und kann sowohl im Fenstermodus in besagter Auflösung wie auch im Vollbildmodus entsprechend skaliert gespielt werden. Dabei macht Primordia auch in Full HD auf Breitbild-Monitoren noch eine gute Figur. Schön anzusehen ist Primordia trotzdem nicht. Die Schauplätze sind größtenteils düster und bedrückend gehalten, von einzelnen hellen Farben abgesehen überwiegt in jeder Szene ein Mischmasch aus matten Braun-Grau-Ocker-Schwarz Farben, was das gesamte postapokalyptische Szenario unterstreicht. Überall finden sich Dreck und Schmutz und selbst die Steuerleiste ist von ekelhaftem Schmodder überzogen. Auch durch den Detailreichtum wird das Endzeitgefühl vermittelt. Keine Szene, in welcher keine Ansammlung von Müll, ausrangierten Robotern, beschädigten Waffensystemen oder einfach nur Schrott zu finden ist. Selbst Metropol, die glänzende Stadt aus Glas und Licht, ist ein einziges, großes Dreckloch.

Verständlich

Genau so klassisch wie die Steuerung und die Grafik ist die Rätselkost. So gibt es von allem etwas. Einfache Kombinations- und Logikrätsel, Dialoge, in denen die richtige Auswahl getroffen werden muss, selbst das Wiederaufsuchen von Orten, an denen sich nichts getan hat, um nun endlich eine Aktion durchführen zu können, die vorher vehement verweigert wurde, hat es ins Spiel geschafft. Und auch das Knacken von einfachen Codes, Reparieren von Maschinen und das Erledigen von Aufträgen sind wieder mit dabei. Nichts neues also, aber dennoch stellenweise sehr nett umgesetzt. So muss man beispielsweise einen Streit zwischen zwei verfeindeten Parteien schlichten, vorher allerdings durch die Lösung von ihnen gestellter Rätsel sein Urteilsvermögen unter Beweis stellen. Die Lösung der gestellten Rätsel ist meist nachvollziehbar und lässt einen kaum vor Verwunderung mit der Hand an die Stirn klatschen. Die größte Herausforderung ist dahingegen oft genug, den passenden Gegenstand oder eine passende Aufgabe zu finden, um bei der aktuellen Kopfnuss weiter zu kommen.

Begleitet wird Primordia von dezent im Hintergrund spielender, die Atmosphäre unterstreichender Musik und passenden Soundeffekten zu den einzelnen Aktionen. Eine nennenswerte Geräuschkulisse gibt es abgesehen von Crispins Hovergeräusch und Horatios Schritten dahingegen so gut wie nicht. Das ist besonders auf einer belebten Straße, auf der viele Roboter herumlaufen oder an einer Unglücksstelle, bei der ein Buswrack lodert, stellenweise sehr befremdlich. Die Sprecher leisten allerdings wieder richtig gute Arbeit und vermitteln die Stimmung der jeweiligen Charaktere sehr gut. Leider führt die vorgenommene Verzerrung mancher Stimmen - schließlich handelt es sich um sprechende Roboter - dazu, dass gerade etwas ungeübtere Ohren einige Verständnisprobleme bei den doch recht technophilen, englischen Begriffen und Phrasen haben können. Hier sind die aktivierbaren Untertitel dann eine große Hilfe, was jedoch nach wie vor die Kenntnis einiger technischer Fachbegriffe voraussetzt. Wirklich spielhemmend ist die Unkenntnis des einen oder anderen speziellen Begriffes aber nicht.

Historisch

Wirklich viel Neues bietet Primordia an sich nicht. Es wird die Geschichte eines Einsiedlers erzählt, der gedrungen durch eine Notlage in eine Welt reisen muss, die er nie betreten wollte, um sich und dabei auch alle anderen zu retten und seine eigene Identität zu ergründen. Verpackt ist das ganze in ein hübsches Sci-Fi-Endzeitszenario, was für Liebhaber des Genres schon mal ein guter Ansatz und eine gute Ausgangslage ist. Leider verliert sich der Spieler jedoch zu Beginn in der Suche nach dem Energiekern und dem Weg nach Metropol, bevor die Geschichte nach Ankunft in der Stadt langsam an Fahrt aufnimmt, nur um dann viel zu schnell zu einem Ende zu kommen. Positiv hervor treten dabei allerdings die Atmosphäre, welche für eine durchweg bedrückende Grundstimmung sorgt, die ereignisreichen Wendungen und die vielen verschiedenen Enden, welche nahezu alle einen faden Beigeschmack zurücklassen - in einem positiven Sinne. Abgesehen davon sind die Handlungen der Protagonisten nachvollziehbar und glaubwürdig. Man kann also ohne großes Unbehagen in die Gedankenwelt von Primordia eintauchen und diese ergründen. Neben der ernsten Grundstimmung liefert das Spiel ausreichend Situationskomik, die sich meist aus den flapsigen und sarkastischen Kommentaren von Horatios Weggefährte Crispin ergeben. Dabei wirken diese selten unangebracht, sondern spiegeln lediglich dessen eigenartigen Charakter wieder.

Fazit

Primordia ist eigen und ziemlich gut für ein Debutwerk, was Wormwood Studios sicherlich einiges an Aufmerksamkeit bescheren wird. Nichtsdestotrotz kann man dem Spiel dieses Debut genau ansehen. Besonders der schleppende Anfang und die sich gegen Ende immer stärker verdichtende Handlung sprechen eine sehr starke Sprache und man meint förmlich zu erkennen, ab wann Wadjet Eye Games mit eigenen Vorstellungen und Ideen aktiv in das Spielgeschehen eingegriffen hat. Gerade aber dieser Name hat dann doch die Erwartungen entsprechend nach oben geschraubt. Und so steht Primordia einerseits ganz klar auf Augenhöhe mit anderen Titeln aus dem Hause Wadjet Eye Games und kommt andererseits nicht an diese heran. Während es technisch und qualitativ noch locker mithalten kann, ist die Geschichte trotz aller interessanten Aspekte und spannenden Umschreibungen doch altbekannt und entfaltet sich leider zu schleppend, um sich dann Knall auf Fall abzuhandeln. Und obwohl es sich hierbei um Meckern auf hohem Niveau handelt, bleibt doch eine kleine Enttäuschung zurück. Die Enttäuschung, nicht den Erwartungen entsprochen zu haben.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Es ist immer wieder erstaunlich, welch gutes Händchen Wadjet Eye Games bei der Auswahl der von ihnen veröffentlichten Spiele beweist. Nach Gemini Rue und Resonance ist mit Primordia von den Wormwood Studios ein weiteres kleines AGS-Juwel in ihrem Katalog gelandet. Mich hat das Spiel von vorne bis hinten begeistert. Eine interessante Story mit gut ausgearbeiteter Hintergrundgeschichte, tolle, einzigartige Pixelgrafik, hervorragende Sprachausgabe, nette Sprachspielereien, viele interessante Charaktere, faire Rätsel, schöner Soundtrack, verschiedene Enden, Humor - alles perfekt zusammengefügt zu einem sehr runden Indie-Adventure. Wenn ich etwas kritisieren müsste, dann, dass ich gerne noch mehr von Metropolis erforscht hätte und der Umfang noch etwas größer hätte ausfallen dürfen. Letztendlich bin ich aber sehr zufrieden mit Primordia und das Spiel ist eines meiner Adventure-Highlights des Jahres 2012. Bitte so weitermachen, Wadjet Eye!

Axel Kothe
Primordia ist definitiv kein schlechtes Spiel. Nein, im Gegenteil, mir war während des gesamten Spiels und danach auch noch klar, dass es eine gute Bewertung erhalten wird. Allerdings hat die frustrierende Suche nach einigen Gegenständen sowie der teils anstrengende Geschichtsverlauf doch für so manche Enttäuschung gesorgt. Und hier stellt sich eigentlich vielmehr die Frage, ob diese Enttäuschung auf dem Spiel oder eher auf den gehobenen Erwartungen beruht. Denn von den bereits genannten Punkten abgesehen gibt es doch eigentlich nichts Nennenswertes zu bemängeln. Und so bleibt der Zwiespalt zurück, sich einerseits ausreichend gut unterhalten gefühlt zu haben und andererseits keine bessere Bewertung geben zu können.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • technisch einwandfrei
  • angenehme Hintergrundmusik
  • tolle Sprecher
  • detailreiche Szenen
  • Retro-Feeling
  • schleppende Geschichtsentwicklung
  • Verdichtung der Handlung auf letztes Drittel bis Hälfte