Test

von  Baldur Brückner
30.03.2013
Ludwig
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Runter kommen sie alle

2098: Auf der Erde sind sämtliche Energiequellen inklusive Sonne, Wind, Wasserkraft und Geothermie erschöpft. Die Menschen sind gezwungen, in die Erde umkreisenden Raumstationen zu leben, die zum Glück keinerlei Energie benötigen.

Ebenfalls 2098: Auf dem Roboterplaneten Unitron sind sämtliche Energiequellen so gut wie erschöpft. Forschungsschiffe werden ausgesendet, um auf fremden Planeten nach alternativen Energiequellen zu suchen. Roboter Ludwig steuert als Ein-Roboter-Crew eines dieser Erkundungsschiffe und wurde zu einem kleinen, bläulichen Planeten geschickt, der sich als die gute, alte Erde entpuppt. Ludwig freut sich auf die Begegnung mit den Menschen, und selbige sind auch schon ganz aufgeregt, endlich mal einen Außerirdischen kennen zu lernen. Leider hat Ludwig kurz vor dem Ziel einen kleinen Unfall und prallt mit seinem im Durchmesser etwa fünf Meter messenden Raumschiff gegen die 1.000.000.000 Menschen fassende Raumstation, die davon kaputt geht. Ludwigs Raumschiff prallt ab und fällt auf die Erde, wobei der offenbar nicht angeschnallte Pilot durch das Cockpit geschleudert wird und unsanft auf dem Allerwertesten landet.

Nach dieser durch Standbilder und Erzählerstimme mit Untertiteln vermittelten Einleitung übernimmt der Spieler das Kommando. Das Kommando über Ludwig, einen etwas bizarr geformten Roboter, dessen Hände und Füße ähnlich wie bei den alten Dizzy-Spielen keine Verbindung zum Korpus haben. Außerdem sieht Ludwig von hinten (und man sieht ihn außer in Zwischensequenzen nur von hinten) etwas aus wie ein knallbunter, mechanischer Nachbau eines Koalabären. Beknackt, aber nicht unsympathisch.

Ganz so kaputt wie im Intro beschrieben präsentiert sich die Erde dann doch nicht. De facto sehen wir eine leidlich gepflegte, felsige Parklandschaft unter einem strahlend blauen Himmel. Hinter uns lädt eine Parkbank zum Verweilen ein, und jenseits eines Teichs unterhalb unseres Standorts können wir sich drehende Windräder und Stromleitungen ausmachen, dann scheint da noch ein Haus zu sein, und in dessen Nähe machen wir Autotronic aus, das sprechende (oder zumindest kommunizierende) Raumschiff, mit dem wir gekommen sind. Es ist dann doch etwas größer, als im Intro dargestellt, vielleicht so groß wie ein Wohnmobil. Autotronic ist für eine ganze Weile der einzige NPC, mit dem man kommuniziert, bis man irgendwann auf Professor Jack Goodwill und später auf die Vergessenen stößt, auch nur per Funk, die dem Spieler weitere Aufgaben vorgeben und die Handlung vorantreiben. Nach und nach entfalten sich dabei diverse Details, die offene Fragen beantworten – Goodwill z.B. hatte eine Raumsonde entwickelt, die Ludwigs Planeten aufsuchte, wodurch die Roboter überhaupt erst auf die Erde aufmerksam wurden. Der beim Spielstart doch auffällig lange Ladescreen bietet per zufällig eingeblendeter Textbotschaft weitere Hintergrundinfos, z.B. geht daraus hervor, dass die Erde unbewohnbar wurde, weil durch zur Energiegewinnung installierte Sonnensegel alles dunkel wurde – warum man die Segel nicht einfach wieder deinstallierte, bleibt eine der zahllosen offenen Fragen, die Ludwig in Bezug auf das Setting hinterlässt.

Die Spielwelt ist in einzelne Levels unterteilt, die jeweils ein Thema aus dem Bereich Physik repräsentieren und nur nacheinander und exklusiv besucht werden können. Mit Verbrennungsprozessen geht es los, nach dem Lösen der Aufgaben des Haupthandlungsstranges folgen dann Wasserkraft, Strom, Windkraft und Sonnenenergie. Ziel des Spielers ist es dabei, Ludwig und Autotronic zurück auf ihren Heimatplaneten zu bringen; Ziel des Spiels ist es, dem Spieler möglichst viel über Physik beizubringen.

Bunte Pixel

Ludwig ist ein 3D-Spiel. Der Bildschirm präsentiert sich halbwegs aufgeräumt. Oben rechts eine große und übersichtliche Minimap, oben links (mitunter zu groß, aber per Taste „T“ aus- und einschaltbar) die aktuellen Aufgaben, unten eventuelle Interaktionsmöglichkeiten. Ansonsten Ludwig von hinten in knallbunter Landschaft, mit WASD steuerbar. Einen Mauszeiger gibt es auch, alternativ zur Tastatur kann man sich mit der linken Maustaste fortbewegen und sich mit gedrückter rechter Maustaste in der Gegend umsehen. Selbige ist… schön bunt, um etwas Positives zu sagen. Man erleidet keinen Sehsturz, aber die Grafikengine ist schon schwer veraltet und die Grafik mithin ziemlich grob. Vor zehn Jahren hätte Ludwig noch in der Grafik-Champions-League gespielt, im Jahr 2013 ist es zwar noch nicht explizit hässlich, aber… altbacken. Ein bisschen pixelig. Jeder Straßenkehrmaschinensimulator sieht heutzutage hübscher aus. Immerhin sind die Artefakte liebevoll animiert, Büsche, Bäume und Gras wiegen sich dezent im Wind. Damit hat es sich dann aber auch, Wasserflächen sind z.B. so gut wie gar nicht animiert.

Für die Ohren gibt es ausschließlich Musik und ein paar Soundeffekte: Obwohl es reichlich Dialoge zwischen Ludwig und den drei NPCs gibt, wurde auf Sprachausgabe verzichtet, nicht aber auf Rechtschreibfehler. An Musik gibt es pro Level ein einziges Stück, meist Typ Fahrstuhlmusik – stört nicht, fällt aber auch nicht positiv auf. Je nach Szenerie gibt es ein paar Soundeffekte im Hintergrund. Wasser rauscht, Vögel zwitschern, Maschinen brummen, so was halt.

Die Tücken der Physik

Ludwigs Umgebung ist relativ frei erkundbar. Das Gebiet, in dem man sich gerade befindet, ist begrenzt, die Grenzen sind in der Minimap durch eine dicke, schraffierte Linie gekennzeichnet und werden in der Spielwelt durch natürliche Hindernisse gebildet – umgefallene Baumstämme, Zäune, Gebüsche, Mauern und so weiter. Im Startgebiet fühlt man sich noch sehr eingeengt, da ein sehr enger Schlauch vorgegeben ist, sobald man jedoch Kontakt zu Autotronic aufgenommen hat, gibt es ordentlich was zu erforschen. Autotronic, das sprechende, bruchgelandete Raumschiff, ist für Ludwig die zentrale und zunächst einzige Bezugs“person“ und treibt die Handlung voran, indem er/sie/es (im folgenden der Einfachheit halber „er“) Aufgaben vorgibt, die Ludwig abzuarbeiten hat. Das kann das Instandsetzen einer Maschine, das Auffinden von X Gegenständen oder das Aufsuchen eines bestimmten Ortes sein. Die Dialoge sind bemüht humorvoll, die beiden Roboter werden klischeehaft als Antipoden aufgebaut, für den einen oder anderen Schmunzler reicht’s aber. Trotzdem Autotronic von einem mutmaßlich technisch eher fortgeschrittenen Roboterplaneten stammt, stellt er sich im Gespräch mit Ludwig strunzdoof und zeigt sich überrascht von den simpelsten physikalischen Phänomenen. Oh, Holz kann brennen und setzt dabei Energie frei! Wasser kann fließen, wer hätte das gedacht?!? Ludwig ist halt ein Lernadventure und beginnt, was physikalische Phänomene angeht, ganz vorne. Das wird aber im Laufe der Zeit durchaus komplizierter, da werden Schleusen erklärt, Wasserkraftwerke und Stromtransformatoren. Die Wissensvermittlung ist fast durchgehend optional; neben einigen pipieinfachen Multiple-Choice-Tests, ohne die die Handlung nicht vorangeht und die mitunter etwas verbugt sind, gibt es nur die „Wissensdatenbank“, in der alle entdeckten physikalischen Phänomene anschaulich erklärt und zueinander in Verbindung gesetzt werden, die aber keinen Einfluss auf das Spielgeschehen hat. Und so klüngelt man mit seinem Roboter durch die (3D-)Gegend, liefert sich alle paar Meter Wortgefechte mit seiner Nemesis Autotronic und ärgert sich über das Grundproblem von Ludwig: Es ist zu einfach.

Schlappt Ludwig an einem mitnehmbaren oder manipulierbaren Gegenstand vorbei, wird dieser auf dem Screen mit einer dicken, filzstiftartigen Umrandung versehen und kann per Tastendruck aufgehoben oder eben manipuliert werden. Eine klassische Methode für 3D-Adventures, wenn auch etwas sehr plakativ ausgeführt. Da lässt sich was draus machen. Leider scheitert Ludwig (das Spiel) hier gründlich. Kurzer Exkurs: Jede Aktion jenseits von einfachem Herumlaufen kostet Ludwig (den Roboter) Energie. Ein Balken zeigt selbige an, und wenn dieser auf 0 sinkt, kann Ludwig nur noch rumlaufen und (hoffentlich) irgendwo Energie nachtanken. Diverse Gegenstände, z.B. Holzscheite, haben einen Brennwert und lassen, wenn angekokelt, den Energiebalken des Roboters steigen. Weiterhin gibt es neben den Haupt- diverse optionale Aufgaben, die für das Voranschreiten der Handlung nicht von Belang sind; in der Regel muss hierfür eine bestimmte Zahl bestimmter Gegenstände gefunden werden. Exkurs zu Ende. Und von den findbaren Gegenständen sind nun ungelogen 90 bis 95 Prozent für Energieauffrischung und Nebenquests da, und die wenigen hauptquestrelevanten Gegenstände liegen im Regelfall in der Nähe ihres Bestimmungsortes und müssen nur noch angewendet werden. Manipulierbarer Gegenstand „Trafokühlung“? Drei Meter weiter liegt der Gegenstand „Kühlöl“ unmotiviert in der Gegend rum. Auf diesem Niveau befinden sich sämtliche Itemrätsel, was dazu führt, dass die Spieldauer vorwiegend durch die Laufwege und weniger durch die Rätsel definiert wird. Die Krönung ist, dass manche Gegenstände erst spawnen, nachdem bestimmte Questschritte durchlaufen sind, so dass man das jeweils zugängliche Areal mitunter mehrfach durchsuchen muss. Für die Nebenquests gilt es, wie weiter oben schon erwähnt, eine bestimmte Anzahl bestimmter Gegenstände zu finden wie in Rollenspielen – die letzten Gegenstände sind aber unfair fies versteckt, und außer Genugtuung bringt das Lösen nichts. Als Abwechslung firmiert ein regelmäßig auftauchendes Minispiel, bei dem durch verschiedenfarbige Linien Punkte verbunden werden müssen, ohne dass sich die Linien gegenseitig ins Gehege kommen. Dieses immer wiederkehrende Minispiel ist manchmal auch noch unlösbar, kann aber neu gestartet werden, was spätestens nach ein paar Versuchen eine lösbare Variante produziert. Weitere Minispiele tauchen am Ende eines Levels auf und beziehen sich auf das Thema des abzuschließenden Levels. Da muss durch Aufstellen von Windrädern auf verschiedenen Terrains ein bestimmtes Energielevel erreicht werden, wobei ein Maximalbetrag an Kosten nicht überschritten werden darf, oder verschiedene Solaranlagen müssen geschickt verteilt und ans Stromnetz angeschlossen werden. Nette Abwechslungen, aber allesamt nicht sonderlich gut gemacht, alles hakt ein bisschen und ist nicht intuitiv steuerbar und mitunter auch ein kleines bisschen hässlich anzuschauen. Dem Casual Gamer ins Gehege kommt die Tatsache, dass diverse Informationen diversen Tasten zugeordnet sind. Quests lassen sich mit „T“ aufrufen, mit „3“ wird der Energiebalken aufgefrischt, „G“ startet das Werkzeugbaumenü – all diese Funktionen werden einmalig erwähnt, Alzheimer-Patienten sollten sie aber besser auf Papier notieren, im Spiel gibt es nämlich keine Übersicht über die Tastaturbelegung.

Speichern kann man nicht frei, sondern nur an vordefinierten Speicherpunkten, die durch leuchtende Disketten markiert sind. Das mag abschreckend wirken, ist aber in der Praxis kein Hindernis, da die Speicherpunkte wirklich großzügig verteilt und nicht zu übersehen sind. Störend ist da schon eher, dass nur ein Saveslot zur Verfügung steht. In der Praxis geht das als grad so ausreichend durch – zum einen gibt es keine Sackgassen, und zum anderen lassen sich für ein Replay über das Hauptmenü erledigte Kapitel gesondert anwählen, und die Kapitelanzahl ist großzügig dimensioniert.

Der geneigte Abenteurer wird sich möglicherweise an den Jump’n’Run-Einlagen des Spiels stören. Ist die Hüpferei zu Beginn noch ein nettes Feature, um an ein paar höher gelegene Bonusgegenstände zu gelangen, wird sie in einem (nur einem, zum Glück) späteren Level obligatorisch und könnte Bewegungslegastheniker zur Weißglut bringen. Hier schlummert Frustpotenzial, das sollte man vor dem Kauf beachten.

Fazit

Als Lernadventure spricht Ludwig mit seiner Einfachheit und kindgerechten Optik klar eine sehr junge Zielgruppe an, und das auch halbwegs erfolgreich. Als erfahrener Abenteurer schlappt und hüpft man im Schnelldurchgang durch die bunte, aber pixelige Landschaft, ärgert sich über unnötige Bugs und frischt en passant die Physikkenntnisse aus der Sek 1 auf. Ludwig tummelt sich in einer Nische des Adventure-Genres und kann der Allgemeinheit mithin nicht empfohlen werden – wer aber Kinder, Neffen oder Ähnliches hat, die sich nach jahrelanger Beschäftigung mit vereinfachter Ausgangsschrift, Grundrechenarten bis 100 und Blockflöte mit Erreichen der 5. Klasse plötzlich mit den Phänomenen der Physik auseinandersetzen müssen, hat mit Ludwig möglicherweise ein gutes Geburtstagsgeschenk gefunden.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Wenn man zur Zielgruppe gehört, mag Ludwig wohl Freude bereiten. Pubertierende Physikschüler müssen sich nämlich eher selten mit Problemen rumschlagen, die man als Erwachsener so hat, wie zum Beispiel mehrere Rechner (Desktop-PC, Laptop, ggf. noch Netbook) oder Situationen ohne gesicherten Netzzugang (Zug, Flugzeug, Café, Park). Ein Onlinezwang ist für Shooter oder Strategiespiele, die man eh am Desktop-Rechner spielt, zwar unschöne Gängelung, aber handhabbar. Für ein Adventure, das man auch mal unterwegs als Alternative zum Buch zockt, ist er Müll. Und eine „Einzelplatzlizenz“ geht mal gar nicht. Das mag eine rein persönliche Ansicht sein – mir persönlich kommen aber auch richtig gute Adventures mit derartig restriktiven Bedingungen nicht auf die Festplatte. Nicht mal aus dogmatischen Gründen, sondern rein aus praktischen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schön bunt.
  • Gut erzählte Geschichte.
  • Man lernt was über Physik.
  • Viel zu einfach.
  • Minispiele mitunter verbugt oder unlösbar sowie nicht überspringbar.
  • Logiklücken in der Geschichte.