Adventure oder kein Adventure, das ist hier die Frage, welche die Adventuregemeinde in den letzten Wochen in zwei Lager gespalten hat. Die Rede ist natürlich von Ron 'Monkey Island' Gilberts neuestem Spiel The Cave, welches er selbst als Adventure anpreist, auch wenn das Spiel auf den ersten Blick nicht im geringsten danach aussieht. Wir haben für den Fall der Fälle einen genaueren Blick auf den Titel gewagt.
Zu Beginn des Spieles dürften Ron-Gilbert-Fans direkt ein Déjà Vu erleben: Wie in Maniac Mansion stehen dem Spieler sieben verschiedene Charaktere zur Auswahl, von denen er sich für drei entscheiden muss. Die Charaktere sind allesamt gewisse Stereotypen, und zwar: Die Abenteurerin, der Mönch, die Zwillinge, die Zeitreisende, der Hillbilly, der Ritter und der Wissenschaftler. Alle Charaktere haben jeweils eine Spezialfertigkeit, welche in eigenen, auf den jeweiligen Charakter zugeschnittenen Levels, zum tragen kommen.
Die Story des Spiels ist schnell erzählt und funktioniert ganz nach dem (falsch verstandenen) Douglas-Prinzip: Come in and find out! Mit den drei Auserwählten betritt der Spieler sodann die titelgebende Höhle, welche alles andere als ein 08/15-Erdloch ist. Erstes Merkmal: Die Höhle kann sprechen, und macht von dieser Fertigkeit auch sogleich fleißig Gebrauch. Sei es, um den Spieler willkommen zu heißen, oder um ihn bei einem Ungeschick (sprich: dem Bildschirmtod) zu verhöhnen. Weiterhin ist die Höhle kein dunkles, nasses Loch (na gut, das auch), sondern besteht aus völlig unterschiedlichen Bereichen. So gibt es einen kompletten Zoo, eine Pyramide, das Elternhaus der Zwillinge, eine einsame Insel und vieles mehr zu entdecken. Vier dieser Gebiete bekommt der Spieler auf jeden Fall zu sehen, egal welche Charaktere er am Anfang gewählt habt. Drei weitere Gebiete werden irgendwo dazwischen eingeflochten, je nachdem mit welcher Heldenkombination man unterwegs ist. Hier kommen dann die Spezialfertigkeiten der Figuren zur Geltung. So kann zum Beispiel der Mönch an bestimmten Stellen Gegenstände durch Telekinese bewegen, die Abenteurerin hat eine Peitsche, mit der sie sich über Abgründe schwingen kann, und der Hillbilly hält unter Wasser besonders lange die Luft an.
Gespielt wird The Cave am besten mit einem Gamepad. Ja, richtig gelesen, mit dem Gamepad! Es gibt zwar eine Point-&-Klick-Steuerung, die auch einigermaßen gut funktioniert, wirklich Spaß macht diese Option allerdings nicht. Zurück zur Gamepad-Steuerung: Mit dem Analogstick wird immer eine Spielfigur durch die scrollenden 2D-Szenarien gelenkt, mit einer Taste setzt sie zum Sprung an, mit einer anderen nimmt sie einen Gegenstand auf, mit der dritten benutzt sie diesen. Die vierte Taste schließlich ist mit der Spezialfertigkeit belegt. Die jeweils anderen Figuren können durch das Steuerkreuz ausgewählt werden. Trotz dieser Jump-&-Run-Steuerung braucht man bei The Cave so gut wie keine Geschicklichkeit. Wie bei einem klassischen Adventure konzentriert sich das Gameplay auf das Lösen von zahlreichen Rätseln, von denen einige auf dem Zusammenspiel der drei Charaktere basieren, während andere typische Itemkombinationen darstellen. Ein Beispiel für ein typisches Rätsel in The Cave ist folgendes vom Beginn des Spiels: Am Anfang gilt es, an einem Monster vorbei zu kommen. Vor dem Monster befindet sich Fallgrube mit scharfen Spießen, einer davon ist besonders lang. Über der Grube befindet sich ein Kran. Springt man einfach so über die Grube entdeckt und tötet euch das Monster. Die Lösung ist, dass wir aus einem HotDog-Automaten in der Nähe eine lecker duftende, heiße Wurst holen, diese auf den langen Spieß stecken und somit das Monster an die Grube locken. Nun schalten wir schnell zur anderen Spielfigur um, welche wir vorher schon direkt am Schalter für den Kran platziert haben, und aktivieren diesen. Der Kran greift das Monster und der Weg für unsere Helden ist frei. In diesem Rätsel haben wir damit sowohl einen Gegenstand mit einem anderen kombiniert (HotDog mit Spieß), als auch mit mehreren Figuren hantieren müssen, um es zu lösen. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel zieht im Verlauf des Spieles an, richtig schwer wird es jedoch nie.
Auf ein Inventar hat man verzichtet, jeder Charakter kann immer nur einen Gegenstand gleichzeitig mit sich herumtragen. Das bedeutet leider auch, dass der Spieler manche Wege zigmal laufen muss, vor allem wenn er nicht gleich auf die Lösung des Rätsel kommt und mehrere Möglichkeiten mit verschiedenen Gegenständen ausprobieren möchte. Etwas abgemildert wird der Umstand dadurch, dass die einzelnen Areale nicht besonders groß sind und man beim Bildschirmtod auch nicht das Areal von vorne beginnen muss, sondern nur ein kleines Stück zurückgesetzt wird. Etwas anstrengend wird es hingegen, wenn man das Spiel komplett sehen will. Denn dann muss man das Spiel mindestens drei mal von vorne beginnen, damit man jeden zum Spielbeginn zur Wahl stehenden Charakter wenigstens einmal in seinem Trio verwendet hat. Das Problem dabei ist, dass man die charakterspezifischen Abschnitte nicht direkt ansteuern kann, sondern stattdessen auch die allgemeinen Höhlenteile noch einmal hinter sich bringen muss. Für den ersten Durchgang hatte unser Tester rund vier Stunden gebraucht, die weiteren Durchgänge gehen dann etwas schneller, schließlich ist ein Großteil der Rätsel schon bekannt.
Optisch präsentiert sich das Spiel als typischer Sidescroller in netter Comicoptik. Besonders gut gefallen die Animationen der Figuren, welche je nach Charakter unterschiedlich ausfallen. Auf eine deutsche Sprachausgabe hat man für The Cave leider verzichtet. Während die Texte in mehreren Sprachen zur Verfügung stehen, ertönen die Stimmen auf Englisch. Der Umfang dieser gesprochenen Texte hält sich allerdings auch in Grenzen, die Spielfiguren selbst bleiben das ganze Spiel über stumm, nur einige NPCs geben ein paar Sätze von sich, und natürlich die Höhle selbst. Gespeichert wird vom Spiel übriegens regelmäßig automatisch auf einem einzigen Spielstand. Beim Beenden des Spiels wird ebenfalls gespeichert. Manuelles Speichern ist leider nicht möglich.
Nein, The Cave ist sicher kein klassisches Point-&-Click-Adventure, sondern ein seltsamer Hybrid aus Adventure und Jump-&-Run, wobei das Adventure letztendlich doch tonangebend ist. Schließlich macht man doch hauptsächlich das, was man auch in fast allen anderen Adventures macht: Herumlaufen, die Gegend erkunden und Rätsel lösen. Es gibt keine Gegner, kein Zeitlimit, keine ernst zu nehmenden Geschicklichkeitspassagen und man kann sogar das komplette Spiel per Point-&-Click steuern, wenn man unbedingt möchte.
Für knapp 15€ erhält der Spieler mit The Cave ein interessantes Genreexperiment, mit einer mageren bis nicht existenten Story, klischeehaften Charakteren, langen Laufwegen und, wenn man das Spiel komplett sehen will, mehrmaligen Wiederholungen bekannter Abschnitte. Dem gegenüber stehen schöne Rätsel, hübsche Grafik, tolle Animationen, eine gelungene Steuerung, ein hoher Wiederspielwert, humorvolle Einlagen und zahlreiche Anspielungen auf die Adventure-Vergangenheit Ron Gilberts.
Die Frage, ob das Spiel nach dieser oder jener Definition ein Adventure, ein Puzzle-Jump-&-Run oder etwas ganz anderes ist, ist mir persönlich zu mühsam. Wichtig ist, dass das Spiel mir im ersten Durchgang sehr viel Spaß gemacht hat und es sich tatsächlich „adventureartig“ angefühlt hat. Dass das neue Konzept auch ein paar Nachteile mit sich bringt ist schade, doch unterm Strich konnte das Spiel mich gut unterhalten. Problematisch wird es meiner Meinung nach erst beim zweiten oder gar dritten Durchgang mit anderen Charakteren: Ein zu großer Teil des Spiels ist unabhängig von der Charakterwahl und langweilt durch Wiederholungen. Doch auch dafür gibt es eine eigentlich sehr simple Lösung: Den zweiten Durchgang nicht direkt nach dem ersten Starten, sondern das Spiel einfach mal zwei bis drei Monate ruhen lassen und dann erneut loslegen. Dass viele Spieler dennoch lieber gleich weiterzocken wollen, spricht ja nur für das Spiel, so viel kann es dann ja eigentlich nicht falsch gemacht haben. Adventurefans, die offen für Neues und mit einem Gamepad ausgestattet sind, sollten dem Titel eine Chance geben – ich habe es jedenfalls nicht bereut.
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