Schreiben ist für Lewis Denby und Ashton Raze nichts Neues. Eigentlich schreiben sie über Spiele - dieses mal haben sie jedoch selbst ein Spiel geschrieben, ihr Erstlingswerk Richard & Alice ist nach erfolgreicher Finanzierung über das Crowdfunding-Portal IndieGoGo im Februar dieses Jahres erschienen. Wir haben uns angesehen, was dabei herauskommt, wenn Spieleredakteure Spiele machen.
In einem unterirdischen Hochsicherheitsgefängnis in naher Zukunft langweilt sich in seiner Zelle der Deserteur Richard. Das Fernsehprogramm besteht aus immer gleichen Wiederholungen, doch ist er dort im Grunde ganz gut aufgehoben, denn die Welt versinkt im Schnee. Der kam vor über einem Jahr und ging nicht wieder. Die Regierung hat sichere Zonen abgeriegelt und wer sich nicht in einer solchen befindet, kämpft in der weißen Weite ums Überleben. Eines Tages bemerkt Richard, dass die bisher leer stehende Zelle auf der anderen Seite des Korridors wieder besetzt ist. Es ist die rothaarige Alice, die wegen Mordes ihre Strafe absitzt. Im Laufe der nächsten Tage lernen sich die beiden kennen und Stück für Stück erzählt Alice ihre Geschichte.
Während in den Gefängnisszenen Richard als Spielfigur dient, steuert der Spieler in den Erzählsequenzen Alice, die sich mit ihrem fünfjährigen Sohn Barney in der Schneewüste durchschlagen muss. An jedem Tag im Spiel erfährt der Spieler so ein kleines bisschen mehr darüber, welche tragischen Umstände letztlich zu ihrer Inhaftierung geführt haben. Die Bedienung ist intuitiv, alle Aktionen werden mit den beiden Maustasten ausgeführt. Die Inventargegenstände sind permanent vertikal am rechten Bildschirmrand eingeblendet. Wählt man dort einen Gegenstand an, verfärbt sich der Cursor gelb und zeigt damit an, dass das vorher gewählte Objekt mit der Umgebung kombiniert werden kann. Gespeichert werden darf jederzeit, das Spiel legt jedoch auch regelmäßig automatische Spielstände an.
Grafisch bedient sich Richard & Alice einer isometrischen Darstellung, wie man sie aus früheren RPGs auf der Super-Nintendo-Konsole oder aktuell aus To the Moon kennt. Animationen sind sehr spärlich gesät und werden teilweise durch Schwarzblenden ersetzt. Der Umfang des Spiels beschränkt sich auf etwa 10 Hintergründe und drei animierte Charaktere. Bei den mit 640X400 Bildpunkten recht niedrig aufgelösten Hintergrundgrafiken hätte ein bisschen mehr Sorgfalt und Arbeitsaufwand wahrscheinlich zu einer beachtlichen Steigerung führen können, denn teilweise wirkt die Perspektive unsauber und einige Grafiken wie Parkbänke und Bäume gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Die Animationen sind aufgrund der niedrigen Anzahl von Frames ruckelig, ansonsten aber nett anzusehen. Während der Gespräche werden Porträts neben den Dialogzeilen angezeigt, animiert sind diese aber nicht.
Die Musikuntermalung kann sich hören lassen und unterstreicht die teils depressive Stimmung des Spiels. Die Soundeffekte sind ebenfalls gelungen, auch wenn es davon nicht viele zu hören gibt. Auf Sprachausgabe wurde bei diesem sehr textlastigen Spiel verzichtet. Das ist schade, denn die gut geschriebenen Dialoge hätten eine Vertonung verdient.
Trotz technischer und inhaltlicher Defizite kann Richard & Alice in einigen Bereichen punkten. Die Geschichte ist interessant und beschäftigt, abgesehen von wenigen Längen, über die komplette Spielzeit hinweg. Die Dialoge verleihen den Charakteren eine gewisse Tiefe und Glaubwürdigkeit. Gerade die Beziehung zwischen Alice und ihrem Sohn Barney ist gut ausgearbeitet. Aber auch hinter Richard verbirgt sich mehr, als es anfangs den Anschein hat.
Für ein Erstlingswerk, das ursprünglich als Hobbyprojekt entstand, ist Richard & Alice kein schlechtes Spiel. Man merkt ihm allerdings an vielen Stellen an, dass die Entwickler ihr Spiel möglichst schnell fertigstellen wollten. Denn hätten sie ein wenig mehr Zeit und Sorgfalt in die Hintergründe und Animationen gesteckt, wäre noch einiges mehr drin gewesen. Spiele in dieser und besserer Qualität gab es auch schon kostenlos. Dennoch, für weniger als fünf Euro bekommt man hier drei bis vier Stunden Spielzeit geboten.
Richard & Alice ist nach To the Moon und The Cat Lady ein weiteres Beispiel dafür, was Indie-Adventure-Autoren für frische Geschichten erzählen können, wenn sie nicht dem finanziellen Druck vieler größerer Produktionen unterliegen. Das Spiel hat mich innerhalb weniger Minuten an den Bildschirm gefesselt und nicht wieder losgelassen, bis ich eines der drei verschiedenen Enden zu Gesicht bekam. So sehr haben mich die Rückblenden um die geheimnisvolle Alice und das Überleben in dieser neuen Eiszeit gepackt. Dass die Grafik dabei nur zweckmäßig und in einigen Schlüsselmomenten gar nichts zu sehen war, ist zwar schade, aber letztendlich komplett Nebensache - das Spiel funktioniert auch so. Und im Gegensatz zu To the Moon gibt es hier tatsächlich auch eine Menge klassischer Adventurerätsel, wenngleich der Schwierigkeitsgrad auf sehr niedrigem Niveau vor sich hin dümpelt. Mein Fazit: Spielenswert!Axel Kothe
Richard & Alice hat mir eigentlich ganz gut gefallen, die teilweise etwas lieblose Umsetzung im grafischen Bereich fiel mir jedoch im Laufe des Spiels immer wieder auf. Das ist schade, denn so groß wäre der Aufwand nicht gewesen, um das Spiel deutlich besser aussehen zu lassen. Dennoch, dass Lewis Denby und Ashton Raze nicht nur Spiele-Artikel, sondern auch Geschichten schreiben können, haben sie mit ihrem Debüt bewiesen.
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