Test

von  Hans Pieper
26.05.2013
The Night of the Rabbit
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Der kleine Jeremy Haselnuss hat einen Traum und ein Problem: Sein Traum ist es, ein richtiger Zauberer zu werden. Sein Problem ist, dass das neue Schuljahr in nur zwei Tagen wieder anfängt. Doch dann erscheint der Marquis de Hoto, ein Hasenmagier auf zwei Beinen, der Jerry für eine wichtige Mission in Mauswald zum Zauberer ausbilden wird. Und diese Ausbildung hat ihren Preis …

Die Geschichte beginnt an einem Sommermorgen <br /><br />in Jerrys behüteter Heimat

Es war einmal im Mauswald

The Night of the Rabbit lässt sich am besten als modernes Märchen beschreiben. Die Geschichte eines aufgeweckten Jungen, dessen Herzenswunsch in Erfüllung geht, wodurch er sich aber gleichzeitig einer großen Herausforderung stellen muss, ist leichtfüßig und einfach erzählt. Das sorgt leider auch dafür, dass sich der erwachsene Spieler wenig angesprochen fühlt. So richtig nahe kann einem die Welt um Mauswald nicht kommen, da sich ständig das Gefühl einstellt, man sei aus Versehen in die Vorlesestunde im Kindergarten geraten. Und auch wenn die Geschichte gegen Ende noch dunklere und nachdenkliche Töne anschlägt, kann sie das Klischee der Gutenachtgeschichte für den kleinen Hüpfer im Kinderzimmer leider nicht abschütteln. Jerrys Entwicklung vom einfachen Jungen hin zum gefeierten Baumläufer und Zauberer bietet wenig überraschende Elemente und spielt sich selbst in scheinbar brenzligen Situationen sehr ruhig und sicher ab. Außerdem ist es nicht gelungen, die Geschichte sauber im Spiel auszuarbeiten und zu beenden – diese Aufgabe übernimmt ein mehrminütiger Abschlussfilm, der die gesamten Zusammenhänge erklärt und das Ende übernimmt.

Bis die Geschichte in Fahrt kommt, muss sich <br /><br />der Spieler eine Weile gedulden

Es könnt' alles so einfach sein …

Ein großer Schwachpunkt des Spiels ist sicherlich der Schwierigkeitsgrad der Rätsel. Ähnlich wie es mit einem der Baumläufer in der Welt der Magie geschehen kann, geht The Night of the Rabbit in einer Zwischenwelt verloren. Die Geschichte spricht Kinder an, die Rätsel sind eindeutig für erfahrene Spieler konzipiert. Wenn nicht gerade Kinder und Erwachsene gemeinsam vor dem PC sitzen, verpasst der Titel so auf jeden Fall in einigen Aspekten seine Zielgruppe. Zusätzlich sind die Rätsel in mehreren Fällen auch nicht besonders gelungen, denn die meiste Zeit entsteht der Schwierigkeitsgrad schlicht durch das riesige Gebiet in Mauswald, in dem es so viel zu sehen und zu tun gibt, dass schnell der Überblick verloren geht. Fehlende und teilweise sogar sehr irreführende Hinweise behindern das Vorankommen zusätzlich. So meint Jerry zum Beispiel zu einer Kaffeetasse mit Zwergenmedizin, dass der Inhalt komisch rieche. Wer nun versucht, mit Honig oder Sirup den Geschmack zu verbessern, wird enttäuscht. Denn eine ganz andere Flüssigkeit wird gesucht. Und dabei handelt es sich auch nicht um Wasser, obwohl der Bach durch Mauswald mehr als drei Hotspots aufweist und mit einem Standardkommentar als Tassenfüllung abgelehnt wird. Dies ist nur eines von mehreren Beispielen, bei denen Kommentare zu Inventargegenständen in die Irre führen. Auch sonst verlässt sich das Spiel zu oft auf spontane Eingebungen von Seiten des Spielers oder frustrierte Kombinier-Orgien.

Mauswald ist groß, deshalb hilft Plato der Frosch mit seinem <br /><br />Post-Fahrrad beim schnellen Bildschirmwechsel

… isses aber nicht

Der Großteil von The Night of the Rabbit spielt sich dann auch in dem großen Gebiet von Mauswald ab. Die eigentlich interessanten Orte, zu denen die Portalbäume im Laufe der Ausbildung führen, sind auf sehr wenige Schauplätze beschränkt, wobei die Rätsel vor Ort im Vergleich zu den anderen Aufgaben fast schon eine Fingerübung sind. Es ist schade, dass bei dem Spiel das enorme Abwechslungspotential durch die Reise in andere Welten nur mangelhaft genutzt wurde. Nach wenigen Klicks geht es gleich wieder zurück nach Mauswald – wo man durch Vergesslichkeit aufgrund mangelnder Hinweise oder irreführende Kommentare bald vor dem nächsten Hänger steht.

Der eigentliche Zweck der Reise in andere Welten, nämlich das Erlernen neuer Zaubersprüche, wird im restlichen Spiel kaum genutzt. Die Anzahl an Situationen, in denen die neu erlernten Zaubersprüche tatsächlich zum Vorankommen in der Handlung dienen, sind sehr übersichtlich. Letztlich kommen Felsflüstern, Fuchstäuschung und Hoffnungsschimmer kaum über eine Technikdemonstration hinaus. Es wäre besser gewesen, mehr Zeit in die Zauber und ihre Verwendung zu investieren, als in Bonusgegenstände und das digitale Quartett-Spiel, das schon nach einem Durchgang seinen Reiz verliert.

Die Zaubersprüche, die bequem im Inventar aktiviert werden können,<br /><br />kommen im Spiel nach dem Erlernen kaum zum Einsatz

An sich gut gemeint

Dem Autor Matt Kempke war es sehr wichtig, zu keinem Zeitpunkt die Spielwelt zu verlassen, weshalb der schnelle Bildschirmwechsel, die Hotspotanzeige und die Hilfefunktion vollständig in das Spielgeschehen eingepflegt wurden. Für die Hotspotanzeige blickt Jerry durch eine magische Münze, woraufhin alle interaktionsfähigen Objekte und Tiere aufleuchten. In diesem Bereich ist die Story-Integration dieser Funktion sehr gut gelungen. Komplett sinnlos fühlt sich hingegen der Zauber zum Rat-Ersuch an, der lediglich die ganz allgemeine Hauptaufgabe wiederholt, die der Spieler bereits gehört hat und die in keiner Weise bei den zahlreichen Hängern weiterhelfen kann. Auch die Möglichkeit, mit dem Fahrrad des Post-Frosches schnell zwischen Schauplätzen zu wechseln, ist nicht allzu gelungen umgesetzt. Bis der Frosch gerufen, seine stets gleichen Kommentare weggeklickt und das Ziel gewählt sind, wäre man in den meisten Fällen auch bereits zu Fuß angekommen. Auch die nicht überspringbaren Animationen zum Tag-Nacht-Wechsel durch ein Buch, in dem Jerry lesend versinkt, stellen die Geduld auf die Probe, wenn man mehrere Dinge hintereinander ausprobieren möchte.

Dafür bietet die restliche Steuerung gewohnte Daedalic-Qualität. Das Inventar wird per Mausrad aufgeklappt, ausgewählte Objekte bleiben bei erfolgloser Kombination aktiv. Per Doppelklick verlässt man einen Schauplatz sofort.

Durch Portalbäume gelangt man in andere Welten - <br /><br />die jedoch leider viel zu kurz kommen

Wunderschön anzusehen

Ein großer Pluspunkt für das Spiel sind die wunderschönen und detailreich inszenierten Schauplätze, sowie die Spielfiguren darin. Viele Animationen lassen die Umgebung lebendig wirken und nur in sehr seltenen Fällen verschlucken Schwarzblenden größere Vorgänge. Die vielen verschiedenen Unternehmungen von Jerry und den anderen Charakteren sind schön und bis ins Detail ausgearbeitet. Hin und wieder sorgen diese Aktionen auch für ein Schmunzeln. Auch die schönen Zwischensequenzen sind toll anzusehen. Aufgrund der liebevollen Darstellung macht es stets Freude, neue Orte zu erkunden oder an altbekannten Stationen der Geschichte neue Details zu entdecken.

Grafisch hat der Titel viel zu bieten

Licht und Schatten im Sounddesign

Ebenfalls exzellent umgesetzt ist der Soundtrack, dessen markante Stücke sich auch lange nach dem Spielen im Kopf festsetzen. Die Musikstücke sind ebenso federleicht wie ansprechend komponiert und verleihen dem Spiel eine tolle Atmosphäre. Umso bedauerlicher ist es, dass mit einer aus dem Disco-Bereich angehauchten Variation über eines der Themen und einem völlig unpassenden Parodie-Jazz-Gedudel an der dramatischsten Stelle des Spiels dieser Effekt nicht erreicht wird.

Die Sprecherleistungen im Spiel sind, wie bereits in der Vorschau vermutet, sehr durchwachsen. Auch über mehrere Stunden hinweg bleibt der Sprecher von Jerry einfach zu überbetont und kieksig, um ernsthaft und angenehm zu sein. Auch einige weitere Charaktere wurden von den Sprechern viel zu stark überzogen. So malträtiert eine der Mäuse die Ohren mit einem hohen Gefiepse, dass einfach nur nervig ist. Gronkh mag in Deponia lustig gewesen sein, in The Night of the Rabbit hätte man an seiner Stelle besser einen ausgebildeten Sprecher oder Schauspieler verwenden sollen, denn der mürrische Hase will ihm nicht so recht gelingen. Trauriger Höhepunkt der schlechten Sprecherleistung ist die vollkommen überbetonte und mit starkem Akzent gesprochene Motte Phosphora, die den Spielgenuss an einer an sich spannenden Stelle enorm schmälert.

Sehr positiv hervorzuheben ist hingegen Helmut Krauss in der Rolle eines alten Magiers, der diesen perfekt ausfüllt und auch über lange Passagen ein Hörgenuss ist. Auch die Stimme des Waldschrats, Gunnar Bergmann, kommt besonders bei den Bonus-Hörspielen gut zur Geltung, welche die Geschichte auf nette Art erweitern.

Längst nicht alle Sprecher können überzeugen

Fazit

The Night of the Rabbit sieht wunderbar aus, untermalt die Geschichte mit einem fantastischen Soundtrack und erzeugt so eine tolle Atmosphäre. Leider wird diese durch mehrere Faktoren wieder stark beeinträchtigt: Einige Sprecher sind nicht gut oder im schlimmsten Fall sehr nervig, die Hintergrundgeschichte kommt nur sehr langsam in Fahrt und zieht sich vor allem durch schwere Rätsel mit wenigen oder gar irreführenden Hinweisen sehr in die Länge, ohne wirklich Neues zu bieten. Das Ende und die eigentlichen Zusammenhänge werden passiv per Endsequenz vermittelt und die Geschichte bleibt alles in allem zu kindlich. Das Spiel ist auf keinen Fall schlecht, es bietet insgesamt gute Unterhaltung, einige lustige Momente und auch viele schöne Anspielungen auf andere Daedalic-Titel. Insgesamt bleibt es, vor allem im Vergleich mit anderen Adventure-Titeln aus der letzten Zeit, aber ein wenig blutleer. Vielleicht ist dies auch dem Umstand geschuldet, dass an Spiele aus dem Hause Daedalic inzwischen sehr hohe Ansprüche geknüpft werden. Und die kann The Night of the Rabbit leider nicht vollständig erfüllen.

thumb
Digital or physisch? The Night of the Rabbit ist digital mit englischer Sprachausgabe auf Good Old Games und mit deutscher Sprachausgabe auf Steam verfügbar. Eine edle Boxversion mit einem ungewöhnlich umfassenden Soundtrack, einer Hörbuch-CD mit den Geschichten aus Mauswald, einem Plakat, einem liebevoll gestalteten Handbuch und einer Decodier-Scheibe für den Kopierschutz ist auf Amazon erhältlich.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Wenn Daedalic ein neues Adventure aus Eigenproduktion veröffentlicht, sind die Erwartungen hoch. Ähnlich wie Lucas Arts in den 90ern konnten die Hamburger bisher mit jedem Titel überzeugen und konsequent, nach und nach, noch vorhandene Mängel eliminieren. The Night of the Rabbit startet mit einem ebenso hohen Anspruch ins Rennen, stolpert auf dem Weg aber immer wieder über die eigenen Hasenpfoten, beziehungsweise genauer gesagt über das Rätseldesign und die mageren Hinweise, die durchwachsene Sprecherleistung, das Pacing der Geschichte und einige kleine, aber in der Summe nervigen Schnitzer. Das ist einfach unglaublich schade, denn trotz der Fehler hat mich das Spiel geradezu an den Bildschirm gefesselt und ich habe jede freie Minute dazu genutzt, nach Mauswald zurückzukehren um Jerry ein Stück näher an sein Ziel zu führen. Und als dann schließlich der lange Abspann über den Bildschirm flimmerte, lehnte ich mich befriedigt zurück und hatte ein gutes Gefühl dabei. Dass es Daedalic eben doch wieder geschafft hatte, ein faszinierendes, wunderschönes Abenteuermärchen zu schaffen, allen Kritikpunkten zum Trotz.Axel Kothe
Ich bin sehr gerne durch Mauswald gestreift. Gut, ein paar Rätsel waren wirklich zum Mäusemelken, weil Herr Haselnuss mit hilfreichen Kommentaren geizte oder sinnvolle Kombinationen verweigerte. Auch begannen mich manche Dialogwiederholungen irgendwann zu nerven, etwa, wenn der Maulwurfmoderator zum x-ten Mal seinen Werbeslogan aufsagte. Ausnahmslos gefallen haben mir aber die wunderschön gezeichneten und sehr fantasievollen Ortschaften. Das Abenteuer entfaltete sich vor mir wie ein begehbares Bilderbuch. Zusammen mit der harmonischen Musik entstand eine nahezu magische Atmosphäre; besonders bei Nacht erschien mir Mauswald mit seinen Fabelwesen als eine geheimnisvolle Traumwelt. Anfangs war es auch eher diese dichte Atmosphäre, die mich immer wieder ins Spiel zog; die Geschichte schien mir zunächst nebensächlich. Später packte mich dann aber auch die Story, denn es wird auch so manch überraschender Aha-Moment geboten. Auch den harmlosen Humor mochte ich. Wenn andere Magazine bemängeln, dass die Witze oft flach und kindlich seien, haben sie meiner Meinung nach nicht geschnallt, dass auch darin Komik liegen kann. Wenn das kauzige Eichhörnchen beim Vortragen eines altbackenen Kinderwitzes vor lauter Lachen die Pointe vergisst, bringt mich das immerhin zum Schmunzeln. Davon abgesehen, erhebt das Spiel sicher nicht den Anspruch, eine Komödie zu sein. Dadurch, dass der Humor im Vergleich zu anderen Daedelic-Titeln abgeschwächt wurde, haben mich die teils rührenden Szenen stärker bewegt. Mir ist der gutmütige Jerremy ans Herz gewachsen. Sein Schicksal bekümmerte mich deutlich mehr, als das Wohlbefinden eines rücksichtslosen Rufus. Und während sich der Humor also auf kindlichem Niveau einpendelte, empfand ich die Geschichte durchaus als erwachsen. Zwar ist Mauswald von knuffigen Kleintieren bevölkert - doch die Bedrohungen, die sie umgeben, sind nicht zum Knuddeln. So hat mich The Night of the Rabbit mit seinem ganz eigenen Charme wirklich gut unterhalten können. Auch würde ich mich auf eine Fortsetzung freuen, denn manche Geschehnisse blieben bis zum fulminanten Finale noch etwas im Dunkeln.
Benjamin Klemen
Es sieht schön aus, es spielt sich bequem – und doch hat es mich mehrfach ziemlich genervt. Häufig klickt man sich schnell durch Dialoge, weil sich viele Dinge wiederholen oder der Sprecher unschön klingt und hin und wieder schreit man vor Frust bei einem Rätsel auf: Es gibt mehrere Dinge, die an dem Spiel stören. Und trotzdem bleibt schließlich das Gefühl, ein nettes kleines Märchen für Kinder mit fantastischer Musik gespielt zu haben. Am Ende habe ich es nicht bereut.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Wunderschöne Grafik
  • Toller Soundtrack
  • Nettes Märchen
  • Komfortfunktionen
  • Schwere Rätsel mit wenig oder irreführenden Hinweisen
  • Durchwachsene Sprecherleistung
  • Nicht ganz ausgefeilte Geschichte