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25.07.2013
The Raven - Das Auge der Sphinx
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Mit The Raven – Vermächtnis eines Meisterdiebs, wendet sich King Art von dem humorvollen Fantasy-Szenario ab, auf dem The Book of Unwritten Tales und Die Vieh-Chroniken basierten. Stattdessen möchte man eine spannende Kriminalgeschichte im Europa der Sechzigerjahre schaffen. Veröffentlicht wird das Spiel in Form von drei Kapiteln. Den Auftakt macht Das Auge der Sphinx.

Ein Rabe fliegt vom Dach

Spektakuläre Einbrüche machten den Raben bekannt. Mit seiner Cleverness hielt er die Polizei in Atem, während sich die Bevölkerung charmant unterhalten fühlte. Sein Markenzeichen war das Hinterlassen einer Rabenfeder. Es war sein Lieblingsfeind, der junge und rastlose Ermittler Nicolas „Nico“ Legrand, der den mutmaßlichen Raben eines Nachts während einer Verfolgungsjagd auf den Dächern von Paris anschoss, woraufhin dieser in den Tod stürzte. Legrand wurde gefeiert und berühmt als derjenige, der dem Raben das Handwerk gelegt hatte. (Die Vorgeschichte könnt ihr übrigens in Form einer Visual Novel spielen.)

Doch als bei dem Diebstahl des Auges der Sphinx, einem in London ausgestellten Rubin, abermals eine schwarze Feder am Tatort gefunden wird, kommen Legrand Zweifel. Sollte er damals doch nicht den wahren Raben erwischt haben? Aber warum weicht er von seinem Muster ab und wendet bei seinen Coups Gewalt an? Handelt es sich etwa um einen Trittbrettfahrer? Fragen über Fragen, doch zunächst finden wir uns in einem – erstaunlich kurzen – Orientexpress wieder, der durch eine Schweizer Berglandschaft rattert.

Eine schwarze Feder, das Markenzeichen des Raben

Die beschauliche Schweiz

Hier schlüpfen wir in die Rolle des Jakob Anton Zellner. Wie die meisten Charaktere im Spiel ist er leicht überzeichnet und personifiziert als untersetzter Kleinstadtwachtmeister mit lichtem Haar die beschauliche Schweiz. Zellner witterte das Abenteuer, als er von der Schweizer Polizei entsandt wurde, um Inspektor Legrand zu unterstützen. Dieser ist wenig begeistert und sieht in dem unbeholfen wirkenden Wachtmeister lediglich ein Hindernis. Somit beginnt die Reise zunächst recht unspektakulär.

Als Zellner nicht locker lassen will, bekommt er schließlich die Erlaubnis, ein paar Bagatelldelikte zu klären. In der Hoffnung, sich ein wenig Anerkennung zu verschaffen, sucht er beispielsweise nach der verschwundenen Brieftasche eines Passagiers, während Legrand sich auf seinen eigentlichen Auftrag konzentriert. Es existieren nämlich zwei Augen der Sphinx, die zum ersten Mal zusammen in einem Museum in Kairo ausgestellt werden sollten. Nachdem also ein Auge entwendet wurde, gilt alle Aufmerksamkeit dem zweiten. Es befindet sich an Bord des Zuges und soll den Juwelenräuber in eine Falle locken. So ergibt sich ein interessantes Rätselraten darüber, wer wohl der Dieb sein könnte, welchen Plan er verfolgt und warum sich einige Mitreisende so merkwürdig verhalten.

Im Orientexpress führt Zellner Gespräche mit einer <br /><br />eindrucksvollen Berglandschaft im Hintergrund

Ernster Spaß

Von den Entwicklern wird das Spiel als ernstes Adventure beschrieben. Dies stimmt soweit, da es sich um eine Kriminalgeschichte mit durchaus ernsten Vorkommnissen handelt und auch auf den üblichen Comic-Humor wurde verzichtet. Humor ist eher selten und tritt meist in Form von Situationskomik, zwischenmenschlichen Beziehungen und besonders in Form von Anspielungen auf die Sechziger Jahre, in denen die Geschichte spielt, auf – speziell scheint es den Entwicklern die Rolle der Frau angetan zu haben.

Manchmal wirken die Übergänge zwischen lockeren und ernsten Szenen etwas überhastet, in der Regel sind sie aber gut balanciert und glaubwürdig. Glaubwürdigkeit ist generell ein gutes Stichwort, denn bei einer solch krimihaften Geschichte ist sie ein wichtiger Punkt, der die Atmosphäre ausmacht. Im Großen und Ganzen werden Ungereimtheiten rasch erklärt, so dass Mitdenken belohnt wird. Das ein oder andere Problem gibt es hier dann aber doch. Seien es Kleinigkeiten wie falsch gestellte Uhren im Hintergrund oder größere Auffälligkeiten wie willkürlich bedingtes Auftauchen von Personen.

Eine Geschichte, von kurzen Rätseln unterbrochen

Das Gewicht bei The Raven liegt klar auf der Kriminalgeschichte die es zu erzählen hat und die es zu lösen gilt. Rätsel werden gelöst, um die Geschichte weiter voranzubringen und neue Erkenntnisse zu erlangen, die Zellner eifrig in seinem Notizbuch dokumentiert. Die Lösungen sind meist naheliegend, so dass fortgeschrittene Rätsler nur ins Stocken geraten dürften, wenn sie zufällig einen Gegenstand übersehen, dessen Entdeckung beispielsweise ein anderes Ereignis auslöst. Sollte man einmal trotzdem nicht weiterkommen, lassen sich „Rätselpunkte“, die durch Lösen von bestimmten Rätseln gutgeschrieben werden, gegen zusätzliche Tipps im Notizbuch oder eine Hotspot-Anzeige eintauschen. Letztere lässt nacheinander über allen Hotspots ein Lupensymbol aufleuchten. Dies ist jedoch nur bedingt hilfreich, da die Anzeige etwas undeutlich ist und zu schnell wieder erlischt.

Dazu gesellen sich einige Minispiele, wie ein Schlossknacken, die manchmal sogar eine kleine Herausforderung darstellen. Sie integrieren sich gut in das Spiel, sind aber nicht überspringbar.

Der strebsame Inspektor zeigt sich von Zellners<br /><br />Gegenwart nur mäßig begeistert

Trotz der einfachen Rätsel fällt die Spielzeit mit gut vier Stunden für das Kapitel doch relativ hoch aus. Das lässt zum einen hoffen, dass die komplette Geschichte eine ansehnliche Spielzeit bieten wird, zum anderen verdeutlicht es, dass es doch einiges zu erkunden und vor allem in vielen Dialogen zu ergründen gibt. Nebenbei bieten die zahlreichen Möglichkeiten für Dialoge Einblicke in die Persönlichkeiten der Mitreisenden, was der Geschichte zusätzliche Tiefe verleiht. Dies gilt auch für einige Situationen, in denen man sich selbstständig für eine gewisse Aktion entscheiden darf. So hat man beispielsweise die Möglichkeit, sich ein Buch signieren zu lassen, oder die Autorin nicht damit zu belästigen. Auf den Spielverlauf hat dies keinen Einfluss, sorgt aber für ein stärkeres Spielerlebnis.

Vortrefflich vertont

An der Vertonung gibt es nichts zu bemängeln. Die stimmige Hintergrundmusik trägt sehr zur Atmosphäre bei und prägt sich ein. Das kann man natürlich damit begründen, dass im Zug immer wieder das gleiche Thema gespielt wird, durch geschickte Dosierung wird man ihm aber nicht überdrüssig.

Die Sprecher sind passend gewählt und trotz des langen Dialogskripts sind kaum unpassende Betonungen aufgefallen – saubere Arbeit. Wer will, kann das Spiel auch auf englische Sprachausgabe umstellen. Einen Abzug in der B-Note gibt es allerdings für die Untertitel: Manche Zeilen sind dann doch etwas zu schludrig geschrieben, mit etwas zu häufigen Auslassungspunkten (…), überambitionierter Lautschrift oder nicht eingesprochenen Sätzen.

Jetzt dürfen wir uns auch noch als Mechaniker betätigen – <br /><br />ob die Ölflecken wieder rausgehen?

Ein Auge sieht 3D

Das Spiel ist komplett in Echtzeit-3D gehalten. Es ist natürlich nicht ganz fair, die Grafik mit jener von Top-Titeln wie Heavy Rain zu vergleichen, doch speziell am Detailgrad der Texturen sowie den relativ starren Gesichtsanimationen werden die Budgetunterschiede deutlich. Dennoch, die Grafik ist auf einem hohen Niveau; sie unterstützt die Atmosphäre des Spiels sehr gut und die zusätzlichen Möglichkeiten werden an entscheidenden Stellen, z.B. (Hintergrund-)Objektanimationen, Taschenlampeneinlagen und gut, nicht übertrieben eingesetzten Kameraschwenks, genutzt. Ein schönes Detail ist auch die wechselnde Ausstattung des Wachtmeisters, dessen Uniform im Laufe der Zeit mitgenommener aussieht.

Als Nachteil ergibt sich, dass man schon eine einigermaßen aktuelle Grafikkarte benötigt, wenn man das Spiel in voller Auflösung und Qualität genießen möchte. Auch muss man sich auf häufige, etwas nervige Ladezeiten einstellen.

Technisches Tanzen auf vielen Hochzeiten

Eindrucksvoll ist der Plan, das Spiel auf PC (Windows und Linux), Mac, sowie Konsolen (Xbox 360/PS 3) zu veröffentlichen. Nutzt man die Steam-Version für Rechner hat man den Vorteil hat, dass die eigenen Spielstände automatisch auf allen verschiedenen Plattformen verfügbar sind. Außerdem kann auch am PC ein Gamepad benutzt werden (von uns aber nicht getestet).

Ganz ohne Probleme lief dieser Prozess wohl nicht, denn die Konsolen-Versionen scheinen sich zu verschieben und auf dem Rechner hatten wir mit einigen Bugs zu kämpfen. Generell reagiert das Spiel, passend zum Hauptcharakter, etwas behäbig auf Eingaben, die sich dann aber nicht abbrechen lassen. Sehr ärgerlich waren Situationen, in denen das Spiel zwischen verschiedenen Bewegungsanimationen oder Zellner an unsichtbaren Ecken festhängt – hier half nur ein Neustart. Häufiges Speichern empfiehlt sich, glücklicherweise gibt es keine störende Speicherslot-Begrenzung.

Ein weiteres Detail sind die sich dank Steam und Konsolen immer weiter verbreitenden Errungenschaften. Ob man sie nun braucht oder nicht, immerhin lassen sie einen erahnen, ob man eventuell ein nettes Detail übersehen hat.

Bisher ist nur das erste von drei Kapiteln erhältlich

Fazit

Wohin mag die Reise wohl gehen? Die Richtung stimmt auf jeden Fall. Die Geschichte ist spannend, gut erzählt und bildet zusammen mit Rätseln, Grafik und Vertonung eine runde Sache. Wenn die Rätsel noch komplexer werden und die Geschichte spannend und ohne unglaubwürdige Wendungen bleibt, erwartet uns ein sehr gutes Gesamtpaket. Das erste Kapitel ist übrigens nicht in sich abgeschlossen, was in Anbetracht des relativ kurzen Abstandes zu den nächsten Kapiteln, die ungefähr im Monatsrhythmus erscheinen sollen, nicht zu negativ ins Gewicht fällt.

Dringend verbesserungswürdig ist allerdings die Technik. Es gab doch einige nervige Bugs, die einen Neustart erfordern. Hier muss nachgebessert werden.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

So hundertprozentig überzeugt hat mich das erste Kapitel von The Raven noch nicht. Dabei kann ich nicht einmal so richtig festmachen, an was das liegt, denn das Spiel sieht gut aus (auch wenn ich persönlich The Book of Unwritten Tales des gleichen Entwicklers vom Stil her deutlich schöner fand), die Sprachausgabe ist in beiden Sprachen überaus gelungen, die Rätsel sind einfach, aber gut in die Handlung integriert und logisch, die Geschichte spannend, die Charaktere interessant. Vielleicht sind es die kleinen technischen Mängel, die einem immer wieder bewusst machen, dass man es doch nur mit einem Computerspiel zu tun hat? Oder die zu leichten Rätsel, die den geübten Adventurespieler höchstens dann auf die Probe stellen, wenn er etwas übersehen hat? Oder ist es eben doch die Tatsache, dass man am Ende des Kapitels mit einem fiesen Cliffhanger zurückgelassen wird und die Geschichte noch lange nicht zu Ende erzählt ist? Wie es auch sein mag, das Potential für ein sehr gutes Adventure ist definitiv vorhanden, wenn King Art sich der vorhandenen Fehler annimmt, den Schwierigkeitsgrad der Rätsel noch etwas anhebt und vor allem die Geschichte überzeugend abschließt.Axel Kothe

Meine Erwartungen an das neue Adventure aus dem Hause King Art waren sehr hoch. Der Start war leider etwas zu gemächlich und konnte mich nicht wirklich vom Hocker hauen. Der freundliche Schweizer ist zwar tatsächlich mal ein etwas anderer Hauptdarsteller, aber auch er braucht eine gewisse Eingewöhnungszeit. Die Rätsel sind – typisch für den ersten Abschnitt eines Adventures – noch recht einfach gehalten und fordern nicht wirklich. Diverse Bugs fielen leider auch bei mir negativ auf und trüben das Gesamtbild – von nicht anhaltbaren Animationen über ungesprochenen Text oder auch eine fehlerhafte Anzeige im Notizbuch war hier einiges dabei. Wenn ich also auch noch nicht vollkommen überzeugt bin, freue ich mich trotzdem auf die kommenden Episoden und hoffentlich etwas interessantere Rätselkost, da das ewige Schlossknacken langsam etwas anstrengend wird.
Caro Valdenaire

Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich mit dem Spiel warm geworden bin. Der Anfang war mir doch zu (gewollt?) klischeehaft, mir sind zu viele störende Details aufgefallen und auch Zellner konnte mich nicht überzeugen. Inzwischen ist er aber gewachsen und ebenso das Spiel. Es macht Spaß, der Geschichte zu folgen und seine eigenen Theorien aufzustellen. Da ist es mir persönlich dann auch gar nicht so wichtig, dass die Rätsel eher Beiwerk zu sein scheinen. Ich freue mich auf die nächsten Kapitel.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Spannende Geschichte
  • Gut umgesetzte Atmosphäre
  • Gut genutzte Echtzeit-3D-Grafik
  • Sehr gute Vertonung
  • Sehr leichte Rätsel
  • Technische Probleme
  • Etwas behäbiger Start