Square Enix ist ein japanischer Publisher, der unter anderem für die Konsolenrollenspielserie Final Fantasy verantwortlich zeichnet, für den GTA-Clon Sleeping Dogs und den Actionschleicher Thief. Wenn dieser Publisher nun also ein „Adventure“ auf den Markt wirft, hält sich unsere Aufregung zunächst mal in Grenzen, zumal der „Adventure“-Begriff außerhalb Deutschlands eine andere Definition erfährt als hierzulande. Plus, das Vorgängerspiel des französischen Entwicklers Dontnod, Remember Me von 2013, war eine Mischung aus Dreamfall Chapters, Tomb Raider und Beat 'em Up und für uns mithin so gut wie uninteressant. Nun also Life is Strange, ein „Adventure“, das auch noch in fünf Episoden aufgeteilt ist, von denen alle sechs Wochen eine erscheinen soll. Lassen wir uns überraschen.
Handlungsort ist die an der US-amerikanischen Pazifikküste gelegene, fiktive Kleinstadt Arcadia Bay. Die Protagonistin Maxine „Max” Caulfield ist hier aufgewachsen, vor fünf Jahren mit ihren Eltern nach Portland, Orgeon gezogen und ist vor einem Monat nach Arcadia Bay zurückgekehrt, um an der renommierten Blackwell Academy beim von ihr bewunderten Dozenten Mr. Jefferson Photographie zu studieren. Nach einer kurzen, spielbaren Traumsequenz findet sich die notorisch schüchterne und leicht introvertierte Max mitten in Jeffersons Unterricht wieder. Nach Ende desselben möchte sie sich etwas frisch machen und es ereignet sich eine für das Spielgeschehen zentrale Szene: Auf der Mädchentoilette wird Max Zeugin, wie ein ihr unsympathischer Mitschüler ein ihn vermutlich erpressendes Mädchen erschießt, dreht anschließend unbewusst die Zeit ein Stück zurück und kann mit dem Wissen um die Geschehnisse der kommenden Minuten die Tat verhindern. Verständlicherweise ist Max danach erst mal gründlich verwirrt, freundet sich aber nach und nach mit ihrer neuen Fähigkeit an.
In der Folge erkundet Max den Campus der Blackwell Academy, erfährt, dass ein Mädchen namens Rachel spurlos verschwunden ist, hat ein Mini-Date mit ihrem besten Kumpel, wird vom oben erwähnten Unsympathen – Nathan Prescott, Sohn reicher Eltern – beinahe um die Ecke gebracht und in letzter Sekunde von ihrer ehemals besten Freundin Chloe gerettet. Dieser vertraut Max sich an, was ihre neu entdeckte Fähigkeit in puncto Zeitmanagement angeht – und dann ist Episode 1 auch schon vorbei. So viel sei dann auch noch verraten: Stoff für die kommenden Episoden bleibt genug, auch abseits der Hauptstory um Max, Chloe und Rachel. Unsere Vermutungen: Das Huhn mit Nathan ist noch lange nicht zu Ende gerupft, die intrigante Mitschülerin Victoria wird noch eine Rolle spielen, und den Grund für die tiefe Traurigkeit von Mitschülerin Kate ahnen wir nach Episode 1 bereits.
Ihr seht schon – die sozialen Bande der im Spiel vorkommenden Personen spielen eine große Rolle. Das ist spannend, es wirkt authentisch, und man verfolgt das Geschehen wie bei einer Seifenoper von einer Wendung zur nächsten. Manchmal übertreibt es Dontnod ein wenig, etwa wenn der fiese Sicherheitsbeauftragte der Schule in Personalunion Chloes Stiefvater ist, aber im Allgemeinen treffen wir auf zwar mit Edding gezeichnete, aber liebevoll kolorierte Charaktere, die teilweise tatsächlich ziemlich tief angelegt sind.
Die Zeitzurückspielfunktion ist natürlich ein tolles Instrument – es lassen sich damit spannende Puzzles erschaffen, und das Rumspielen mit der Funktion macht Spaß. In einer Bildschirmecke erscheint eine kreisrunde Spirale, die die zurückspulbare Zeit als eine Art Zeitstrahl darstellt, und wenn man zurückspult, brennt die Spirale wie eine Lunte im Zeichentrickfilm ab. Ein Kreis auf dem Zeitstrahl markiert relevante Punkte im Geschehen. Max selbst bleibt beim Zurückspulen an Ort und Stelle, was man für kleinere Teleportationen ausnutzen kann. Aus designtechnischer Sicht betrachtet ist es gefährlich, ein einziges Gameplay-Element so zentral zu positionieren – wenn der Gimmick ausgelutscht ist, fällt schnell auf, wie schwachbrüstig ein Spiel dahinter sein kann. Life is Strange macht diesen Fehler nicht. Das narrative Element des Spiels ist so stark und gelungen umgesetzt, dass es selbst ohne die Zurückspultaste vermutlich noch ein respektables Spiel wäre – wenn auch nicht unbedingt in der Adventure-Szene. Im Vergleich zu dem, was unsereins als „Klassiker” bezeichnet, muss man dann doch einige Abstriche machen.
Gesteuert wird mit WASD. Die Spielwelt wirkt auf den ersten Blick frei erkundbar, ist sie aber nicht ganz, es sind Areale abgesteckt, die durch Zäune, Unterholz oder im schlimmsten Fall eine unsichtbare Mauer begrenzt werden. Zahlreiche Objekte können per Mouseover aktiviert werden, dann bekommen sie eine auffällige Schraffur und ein Kontextmenü, das meistens nur aus einem Befehl („Anschauen”), manchmal aber auch aus mehreren Befehlen (z.B. „Ansprechen” bei vielen Personen, „Fotografieren” bei bestimmten Objekten etc.) besteht und per Mausklick bedient wird. Die meisten dieser Objekte sind nur Staffage und haben keine Funktion außer die Atmosphäre anzureichern, das tun sie aber gut. Ein Inventar gibt es nicht, man kann genau einen Gegenstand mit sich herumtragen, was selten vorkommt und Begleiterscheinung der wenigen Puzzles im Spiel ist. Jawoll, richtig gelesen: Es gibt Puzzles, oder besser gesagt kleine Quests, die tatsächlich an klassisches Adventure-Gameplay angelehnt sind. Sie sind nicht gerade zahlreich und mangels Inventar auch nicht gerade komplex, mitunter auch reichlich flach – das Zeitung-unter-Tür-durchschieben-zwecks-Schlüssel-auffangen-Rätsel ist ja nun gefühlte 35 Jahre alt. Aber es sind Puzzles, was uns Adventure-Freaks natürlich erst mal den Puls hochtreibt. Gewarnt sei an dieser Stelle explizit vor einigen an die Zurückspulfunktion geknüpften zeitkritischen Einlagen: Nach dem Zurückspulen hat man manchmal nur wenige Sekunden Zeit, eine bestimmte Handlung zu vollführen. Mit fortgeschrittener Arthritis oder hoher THC-Konzentration im Blut können diese Stellen für nachhaltigen Frust sorgen, da sie nicht umgehbar sind.
Ein im Vorfeld breitgetretenes Spielelement ist der ""Schmetterlingseffekt"". Da wählt man am Anfang des Spiels eine nette oder aber eine genervte Dialogoption, und Stunden später verläuft das Spiel je nach gewählter Option in unterschiedlichen Bahnen. Life is Strange hat eine Menge solcher Situationen zu bieten und weist den Spieler durch Einblendung eines ""Diese Entscheidung wird Konsequenzen haben...""-Textes auch penetrant darauf hin. In Episode 1 hat dieses Gameplay-Element noch wenig Auswirkungen, das soll sich in den weiteren Episoden, die auf Entscheidungen aus früheren Episoden zurückgreifen, aber ändern. Prinzipiell krankt ein solches Designelement immer am mangelnden Geld: Für jede Minute unterschiedlichen Handlungspfades müssen Grafiker, Sprecher, Drehbuchautoren und Projektmanager arbeiten, und das kostet. Es hat schon seinen Grund, dass viele Adventures gerade mal mit unterschiedlichen Enden aufwarten. Life is Strange sticht hier aber schon in Episode 1 ein wenig hervor - aus den Dialogrätseln - so wollen wir sie mal nennen - folgen komplett unterschiedliche weitere Dialoge und Animationen. Inwieweit sich der Handlungspfad tatsächlich verzweigt, lässt sich erst nach weiteren Episoden sagen.
Unter Wettbewerbsbedingungen kann man Episode 1 in anderthalb Stunden durchspielen, Otto Normalspieler wird wohl etwa zweieinhalb Stunden benötigen, und wenn man gründlich mit der Rückspulmechanik spielt und sich brav jedes Bild und jedes Poster anschaut, kriegt man auch drei bis vier Stunden rum. Auf fünf Episoden hochgerechnet ergibt sich so unter Berücksichtigung des Preises eine akzeptable Gesamtspielzeit.
Bestimmt habt ihr schon einen Blick auf die Screenshots geworfen, vielleicht auf den Trailer – Life is Strange ist genau so schön, wie diese wirken: Lebensnahe Comicgrafik in hoher Qualität. Die Animationen sind phantastisch, selten sieht man Personen in einem Adventure so realistisch animiert. Und es gibt eine Menge Animationen: Der Campus lebt regelrecht. Skater skaten, Jogger joggen, überall laufen oder lungern Personen herum, von denen man die meisten betrachten und so Informationen über ihre Vernetzung innerhalb der Studentengemeinschaft erfahren kann. Vier Kleinigkeiten sind uns aufgefallen, die aber Jammern auf hohem Niveau darstellen: Anwählbare Objekte oder Personen sehen aus, als wären sie mit weißer Kreide grob schraffiert (Objekte) bzw. umrandet (Personen) worden, das irritiert ob der sonst so detaillierten Grafik etwas. Andererseits, irgendwie muss man Hotspots ja kenntlich machen, warum also nicht so. Bei Close-Ups wird’s dann aber nervig: Betrachtet Max zum Beispiel ein Bild oder ein Zeitschriftencover, wird dieses zentral ins Bild gezoomt und sieht dann aus, als hätte jemand im Malprogramm die Pinselstärke „Quast“ ausgewählt. Soll wohl Kunst sein, wirkt aber primär hässlich. Außerdem verschwindet das Interaktionsmenü bei ungünstiger Positionierung hinter Max – wenn sie vor einem Objekt steht und mit diesem etwas anstellen könnte, verdeckt sie mitunter die Optionen, was in zeitkritischen Situationen schwer nervig sein kann. Und schließlich könnte Max ein bisschen mehr Mimik zeigen, wobei man ihr natürlich zugestehen muss, ein eher introvertierter Typ zu sein. Insgesamt aber: Schön. Sehr schön. Grafisch toll gemacht.
Musikalisch spielt Life is Strange in der Champions League. Melancholischer Indiefolk dominiert den Soundtrack, ergänzt durch etwas zügigeren Alternative, der vermutlich ordentlich abgeht – im Universum der Spielfiguren, siebzehnjähriger Mädchen mit Außenseiterattitüde, an deren klischeehaftem Musikgeschmack sich Life is Strange orientiert. Trotzdem ziemlich einzigartig für ein Adventure, alle Achtung. Den Soundeffekten und den Sprechern merkt man an, was den meisten Adventures heutzutage fehlt: Geld. Square Enix hat ordentlich investiert und eine perfekte Soundkulisse und eine richtig gute Dialogregie spendiert. Keine aus dem Zusammenhang gerissenen Sätze, kein sinnbefreites Falschbetonen oder Runterleihern, keine unterschiedlich lauten Stimmen – Fernsehqualität. Man wünscht sich wirklich, ein Charles Cecil hätte solche Mittel zur Verfügung.
Das Spiel weist englische und französische Sprache sowie ebensolche Untertitel auf. Eine Synchronisation ist nicht geplant und wäre in der gebotenen Qualität wohl zu teuer. Es gibt keine Boxed Version von Life ist Strange, nur einen Download via Steam, das ist wohl den für Square-Enix-Verhältnisse geringen Absatzchancen geschuldet.
Die nachfolgende Wertung muss man mit einem Salzkorn nehmen, wie der Engländer zu sagen pflegt. Der Adventure-Purist wird sich mit ihr nicht anfreunden können. Zwar ist Life is Strange ein Adventure, egal wie streng man die Definition anlegt. Wer Wert auf klassische Inventarrätsel legt, wird sich in Life is Strange aber nicht wiederfinden, da müssen wir vom Kauf leider abraten. „Leider“, weil dem- oder derjenigen ein tolles „Light“-Adventure entgeht, mit einer auch im Detail interessanten Story, großartiger audiovisueller Umsetzung, einem gut integrierten Gameplay-Gimmick und Wiederspielwert.
Zweieinhalb Stunden Life is Strange kosten fünf Euro, zweieinhalb Stunden Kino um die zehn. Macht was draus.
Baldur 'Nomad' Brückner
Nach knapp zwei Monaten steht nun endlich Episode 2 Out of Time zum Download bereit. Da die verschiedenen Episoden aber unmittelbar zusammenhängen, ist das natürlich eine lange Pause, in der man das ein oder andere Detail gerne mal wieder vergessen hat. Daher ist es ganz hilfreich, dass man einen kurzen Rückblick gezeigt bekommt, um wieder auf dem Laufenden zu sein. Außerdem kann man im Hauptmenü unter dem Punkt “Choices” seine bisher getroffenen Entscheidungen einsehen.
Nachdem Episode 1 eher als Kennenlern-Phase zu verstehen war und einem die wichtigsten Charaktere und deren Probleme aufgezeigt wurden, geht es in der Fortsetzung mehr ans Eingemachte. Waren vorige Rätsel noch von der eher simpleren Sorte, so muss man sich jetzt zum Beispiel immerhin ein paar Abläufe merken können. Das Hauptaugenmerk liegt aber auch in dieser Episode wieder auf folgenschweren Entscheidungen. Max erkennt allmählich, dass ihre Kräfte nicht nur Gutes nach sich ziehen, sondern durchaus auch für Ärger sorgen können. Außerdem offenbaren
sich immer mehr die Konsequenzen der ersten Folge, während man sich neuen Fragen gegenübergestellt sieht. Natürlich ändert sich dadurch nicht ständig das komplette Spiel, dennoch scheint es hier mehr Auswirkungen zu haben als im Vorbild “The Walking Dead” von Telltale Games.
Auch die zweite Episode kann sich sehen lassen. Die neu eingeführten Schauplätze sind detailreich und liebevoll gestaltet und erlauben es dem Spieler, tief in diese Welt einzutauchen. Wer sich wirklich alles ganz genau anschaut und ein bisschen mit aktuellen Serien und Filmen, aber auch mit Klassikern auskennt, dem dürften die Nummernschilder der Autos ins Auge gefallen sein. Auf den ersten Blick mögen Buchstabenfolgen wie “DNNDRK” keinen Sinn ergeben. Doch ergänzt man ein paar Vokale, so entsteht der Filmtitel “Donnie Darko”. Wer also sein Film- und Serien-Wissen testen will, begibt sich im Spiel auf die Parkplätze der Akademie oder des Diners, um Nummernschilder mit Aufschriften wie “THKLLNG” (“The Killing”) oder “BRKBD” (“Breaking Bad”) zu finden und zu entschlüsseln.
Auch wenn man für Episode 2 mindestens genauso lange braucht wie für die erste, so gibt es doch keinerlei künstlichen Längen. Jeder Vorgang fügt sich logisch ins große Ganze und wirkt nie erzwungen. Das gilt sowohl für die rasanten Ereignisse als auch für die ruhigeren Szenen. Man bekommt also ca. zwei Stunden voll qualitativem Inhalt. Wer wirklich alles erleben und sehen will, schafft noch eine halbe bis ganze Stunde mehr.
Zugegeben, die knapp acht Wochen Wartezeit waren unangenehm, doch es hat sich gelohnt. In gewohnter Qualität wird die Geschichte weiter erzählt, während man sogar noch einige Schippen draufpackt und die Dramaturgie stark anzieht. Fans klassischer Adventuretitel werden auch hier nicht auf ihre Kosten kommen, was Rätsel angeht. Wer aber Wert auf Erkundung und eine authentisch erzählte Geschichte mit perfekter Besetzung legt, der dürfte spätestens jetzt dem Charme des Spiels erlegen sein.
Antonio Moss
Wieder einmal mussten Fans beinahe zwei Monate warten, um die Story um Max und ihre Zeitspulfähigkeit weiterzuverfolgen. Wieder einmal war ein kurzer Rückblick nötig, um dem Gedächtnis der Spieler auf die Sprünge zu helfen. Nichtsdestotrotz sind die Freude ob der Veröffentlichung, und die Spannung, wie es weitergeht, groß.
Ein Großteil des Spiels findet in der Nacht statt, da Max und Chloe Detektive spielen und in das Schulgebäude einbrechen. Und tatsächlich muss man jetzt mal Gegenstände miteinander kombinieren. Allerdings in einer stark vereinfachten Variante, die selbst Adventure-Neulingen keinerlei Mühe bereitet. Später kommt sogar ein neues Gameplay-Element hinzu; eine kleine Schleich-Einlage sorgt für etwas Abwechslung, ist allerdings wie das Kombinieren auch sehr simpel gehalten. Leider in beiden Fällen verschenktes Potential, hätte man sich da doch mehr an etwaige Vorbilder halten können, um diesen Passagen mehr Spieltiefe zu verleihen.
Die namensgebende Chaostheorie findet gegen Ende der Episode einen Platz und stellt einfach mal die komplette Spielwelt auf den Kopf. Und ehe man versteht, was da überhaupt gerade alles passiert ist, gibt einem das Spiel weitere ca. acht Wochen Zeit, um sich darüber in aller Ruhe Gedanken machen zu können.
Ist das jetzt nett oder unfassbar fies?
Die Steigerung, die die zweite Episode zur ersten darstellte, setzt sich in der dritten erfolgreich fort. Dontnod versteht es, mit dem vorliegenden Universum eine äußerst mitreißende Geschichte zu erzählen, ohne dabei zu schwächeln. Es ist nicht durchgehend actionreich, dennoch bleibt die Spannung konstant aufrecht erhalten und wird sogar noch erhöht. Zwar ist “Life Is Strange” jetzt schon ein klarer Anwärter auf einige “Spiel des Jahres”-Auszeichnungen. Sollten die Macher allerdings genau so weiter machen wie bisher, wird das Spiel in Sachen Storytelling locker mit aktuellen AAA-Titeln mithalten können. Wie gut die Geschichte weitergeführt wird, zeigt sich aber leider erst mit der nächsten Episode...
Antonio Moss
Dontnod hat die vierte als die bisher ambitionierteste Episode bezeichnet - und damit keinesfalls untertrieben.
Bei dem Ende, welches uns in Episode 3 präsentiert wurde, muss es von der Stimmung her natürlich so weitergehen. So ist diese anfangs eine wirklich sehr bedrückende. Sensible Spieler könnten durchaus ständig den Tränen nahe sein - völlig zurecht. Ohne jedoch zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken, verstehen es die Entwickler, eine solche melancholische Atmosphäre aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Und es wirkt absolut authentisch. Thema dieses Abschnitts ist die Kraft der Freundschaft, und wie sie alles übersteht. Wirklich alles? Eine harte Entscheidung wird das auf die Probe stellen…
Nach dem äußerst bedrückenden Einstieg wechselt die Grundstimmung zu einer noch immer sehr ernsten, aber etwas lockereren. Außerdem wird dem Spieler zur Abwechslung endlich wieder einiges abverlangt, muss er doch quasi in die Fußstapfen eines Sherlock Holmes treten und seine Kombinationsfähigkeiten unter Beweis stellen. So gilt es, gesammelte Indizien passend miteinander zu verbinden. Mit jedem weiteren Hinweis bewegt sich das Spiel mehr und mehr auf die Lösung des Rätsels zu.
Endlich findet also die “Weltuntergangsparty” des Vortex Clubs statt. Wer sich mal diese typischen US-Teeniefilme angeschaut hat, wird das Szenario genau kennen. Mit Energydrinks und Alkohol ausgestattet, werden die Turbulenzen der vergangenen Woche hinter sich gelassen. Während sich also fast jeder betrinkt und Spaß hat, geht es für den Spieler weniger lustig auf das Ende der Episode zu.
Und wie macht man einem so richtig Lust auf das Finale? Indem man das Kapitel mit einem großen Twist beendet und eine Situation erschafft, aus der der Spieler am liebsten sofort wieder raus möchte…
…doch das wird leider noch etwas auf sich warten lassen. Well played, Dontnod! Anstatt den Spannungsbogen zu überspannen, wurde die Action in dieser Episode stark ausgebremst, um sie durch beklemmende Situationen und spannende Detektivarbeit zu ersetzen. Eine sehr willkommene Abwechslung und genau das Richtige, um den Spieler bei Laune zu halten. Es wird echt schwierig, dieser storytechnisch bisher grandiosen Serie einen gebührenden Abschluss zu verpassen. Man darf also gespannt sein, was das Finale zu bieten haben wird!
Antonio Moss
Das ist es also nun, das große Finale der Staffel. Monatelang haben Fans gerätselt, wie das Ende aussehen könnte. Und Dontnod hatte hohe Erwartungen zu erfüllen.
Die letzte Episode setzt direkt dort an, wo Teil vier ein ebenso spannendes wie unruhig machendes Ende gefunden hat. Die Folge kommt nicht so schnell und actiongeladen daher, wie manch einer vielleicht erwartet hätte. Wieder nehmen sich die Entwickler Zeit für die Geschichte. Das schafft schöne, traurige und verstörende Momente. Natürlich kommen auch dynamische und schnelle Szenen nicht zu kurz, aber sie stehen eindeutig nicht im Vordergrund. Die Hauptrolle spielt Max, denn letztlich ist das Spiel auch eine abstrakte Geschichte über den hin und wieder recht schmerzhaften Weg ins Erwachsenenalter. Und so muss es die leicht introvertierte Heldin in dieser Episode nicht nur mit übermächtigen Gegnern in der realen Welt aufnehmen, sondern auch gegen Dämonen in ihrem Kopf antreten. Ohne ins Pathetische oder Lächerliche abzudriften gelingt den Autoren die Nachzeichnung dieser Entwicklung bis zum durch und durch gelungenen Ende. Eine letzte Entscheidung bestimmt, welches der beiden alternativen Enden ausgelöst wird. Welches der beiden Dontnod bevorzugt, ist dabei jedoch leicht erkennbar: Das eine Ende wird deutlich länger und ausgefeilter präsentiert als die Alternative. Und dennoch dürften die beiden größten Strömungen von Spielern hier einen befriedigenden Abschluss präsentiert bekommen. Das lässt auch großzügig über einige kleine Logiklücken hinweg sehen. Abschließend lässt sich nun über die fünf Episoden hinweg sagen: Life is Strange bietet eine fantastische, toll und behutsam erzählte Geschichte, die in einem ebenso gelungenen Finale mit einer schweren Entscheidung gipfelt.
Rätseltechnisch gibt es in der letzten Episode nicht viel Neues. Es gilt wieder, geschickt die Zeit zurück zu drehen, um Probleme zu lösen. Zudem wird nochmals geschlichen und es können Gegenstände eingesammelt werden. Außerdem gibt es auch eine Art Dialogrätsel zu lösen und einen Ort so weit zu verstehen, dass man ihn wieder verlassen kann. Alle Aufgaben sind dabei recht einfach ausgefallen und für geübte Adventure-Spieler vor allem nach den vorherigen Episoden keine große Herausforderung. Im Vergleich mit den anderen Episoden hat der Spieler im letzten Teil die meiste Ruhezeit: Ein größerer Teil besteht aus Zuschauen, wie sich die Geschichte entwickelt – zum Teil mit offenem Mund.
Zumindest der direkt zum Veröffentlichungstermin herausgegebenen Version sieht man den Zeitdruck gegen Ende an. So fehlen etwa plötzlich Sound und Animation des Schmetterlings, der wichtige Entscheidungen anzeigt. Auch das Aufnehmen von Gegenständen in das Inventar macht nun plötzlich kein Geräusch mehr. Ebenfalls nicht ganz ausgereift sind die Besucher einer Galerie, die zwar eindeutig mit Max sprechen, sie dabei aber nicht ansehen. Doch das sind Kleinigkeiten, die der ansonsten nach wie vor sehr guten Präsentation keinen großen Abbruch tun. Die Sprecher laufen noch einmal zu Höchstform auf und auch die Musik ist wieder perfekt passend gesetzt. So lässt sich auch hier über die gesamte Staffel sagen: Tolle Präsentation!
Es war keine leichte Aufgabe, diese Geschichte zu einem Abschluss zu bringen, der den vorangegangenen Episoden würdig ist. Und doch hat es Dontnod geschafft. Polarized fügt sich perfekt in die Reihe ein und gibt dem Spiel den wohlverdienten, wundervollen Abschluss.
Hans Duschl
Dass Videospiele ein vielseitiges Medium sind, um geniale und wunderbare Geschichten zu erzählen, dürfte den meisten inzwischen klar sein. Life is Strange ruft das noch einmal deutlich in Erinnerung. Zwar bietet das Spiel kaum herausfordernde Rätsel, die tolle Erzählung und Präsentation machen den Titel aber dennoch zu einem heißen Anwärter auf das Adventure des Jahres. Wie der Spieler hier emotional eingefangen, von den Ereignissen ebenso überrascht wie herausgefordert und mit schwierigen moralischen Fragen konfrontiert wird, ist absolut vorbildlich gemacht. Sprecher und Musik sind perfekt gesetzt und auch die grafische Präsentation wirkt sehr gut. Nur zu gerne verzeiht man hier kleinere Logiklücken, das eine oder andere Action-Klischee und Abschnitte mit wenig oder keiner Interaktion. Die 10 bis 15 Stunden Spielzeit vergehen wie im Flug und zurück bleibt das Gefühl, eine tolle Geschichte erlebt zu haben.
Adventure-Treff-Verein
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