Test

von  Axel Kothe
25.09.2015
A Golden Wake
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Immer mehr Entwickler von Freeware-Adventures folgen den Fußstapfen von Dave Gilbert, der schon vor rund zehn Jahren den Schritt zu kommerziellen Spielen gewagt hat und mit seiner Firma Wadjet Eye Games beachtliche Erfolge feiert – nicht nur mit seiner eigenen Blackwell-Serie, sondern auch mit Spielen anderer ehemaliger Freeware-Entwickler als Publisher. Einer jener Entwickler, der nun seine Spiele von Wadjet Eye veröffentlichen lässt, ist Francisco Gonzalez bzw. Grundislav Games, welcher mit der Ben-Jordan-Reihe einige beliebte Freeware-Adventures veröffentlichte.

Neustart im sonnigen Süden

Das erste kommerzielle Spiel von Grundislav Games bedient sich wie von ihm gewohnt der AGS-Engine, mit der auch alle anderen Wadjet-Eye-Spiele entwickelt wurden. Neu ist das Szenario, dass der Entwickler sich für den Titel ausgesucht hat: A Golden Wake bringt uns zurück in das USA der 1920er, geprägt vom Immobilienboom in Florida, der Prohibition, der Mafia und dem großen Crash. Und genau diese Stationen durchleben wir mit unserem Protagonisten Alfred „Alfie“ Banks, einem aufstrebenden Immobilienmakler aus New York, welcher von neidischen Kollegen hintergangen wird und nun sein Glück im sonnigen, noch völlig unbedeutenden Miami sucht. Das Spiel begleiten ihn nicht nur bei seinem Neustart im Süden, sondern über mehrere Jahre hinweg bis in die 30er, wobei wir natürlich nur Ausschnitte aus seinem Leben auch nachspielen dürfen, bevor das Spiel wieder ein Jahr oder noch längere Zeit überspringt.

Die Übersichtskarte von Miami.

Überredungskünstler

Wer jetzt bei der Handlung über mehrere Jahre an ein episch langes Adventure denkt, dürfte von A Golden Wake enttäuscht werden – Grundislav Games packt das ganze in sehr kompakte fünf Stunden Spielzeit – das liegt in erster Linie an den durchgehend sehr einfachen bis maximal mittelschweren Rätseln, die auch für weniger erfahrene Spieler kaum ein Problem darstellen sollten. Der Aufbau ist dabei fast immer der gleiche: Alfies Boss gibt ihm (meistens) drei verschiedene Aufgaben, die er in beliebiger Reihenfolge lösen kann. Während die meisten dieser Aufgaben durch klassische Kombinationsrätsel zu erledigen sind, bietet das Spiel auch ein paar besondere Spielmechaniken. Wie es sich für einen erfolgreichen Immobilienmakler gehört, ist Alfie nicht auf den Mund gefallen und hat das besondere Talent sein Gegenüber allein mit Worten zu überzeugen - dies geschieht im Spiel anhand mehrerer Multiple-Choice-Dialoge, bei denen man als Spieler an der Mimik erkennen kann, welche Antworten die richtigen sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen hat man hier oftmals nur eine einzige Chance, den Gesprächspartner zu überzeugen. Klappt das nicht, muss man einen alternativem Lösungsweg suchen. An anderen Stellen im Spiel gilt es, eine kleine Wimmelbildszene zu lösen, das richtige Haus dem richtigen Käufer zuordnen oder ein Auto so lenken, dass ein Mitfahrer auf ein tief fliegendes Flugzeug aufspringen kann.

Hier Überreden wir den Schaffner uns in den Zug zu lassen.

Interaktive Geschichtsstunde

Eine Besonderheit des Spieles ist, dass abgesehen vom Hauptcharakter sowie einigen unwichtigen Nebenpersonen alle wichtigen Rollen wahren Personen der Ära nachempfunden sind sowie die Schauplätze und Geschehnisse den realen Gegebenheiten entsprechen. So fühlt man sich als Spieler direkt in der Zeit zurückversetzt. Und durch die dazu passende Musik baut das Spiel eine sehr schöne Atmosphäre auf. Leider fällt es dennoch schwer, sich emotional in die Rolle des Alfie Banks zu finden, denn abgesehen von kurzen Begegnungen mit seinem Bruder erleben wir ihn nur als Arbeiterbiene, die irgendwelche Erledigungen für andere Leute macht, nie den Privatmann Alfred. Das ist extrem schade bei einem Spiel, das den Hauptcharakter über fast 20 Jahre hinweg begleitet.

Der Mann auf dem Liegestuhl wirkt deutlich höher aufgelöst als der Rest.

Pixel wohin das Auge blickt

Präsentationstechnisch kann A Golden Wake nicht ganz mit den letzten Wadjet Eye Titeln mithalten, einige der 320 x 200 Pixel großen Hintergründe wirken extrem verwaschen, andere wiederum relativ detailliert, das Gleiche gilt für die beweglichen Objekte im Spiel. Das führt dazu, das nicht immer alles wie aus einem Guss wirkt. Bewährte Qualität liefert Wadjet Eye hingegen bei der (nur) englischen Sprachausgabe: Alle wichtigen Rollen sind passend besetzt und die Sprecher verrichten gute Arbeit. Deutsche Sprachausgabe oder eine Textübersetzung wird es wie üblich leider nicht geben.

Fazit:

A Golden Wake ist ein sehr ruhiges Spiel, kein spannendes Abenteuer, sondern die (durchaus interessante) Geschichte einer Person, die auszog, Karriere zu machen. Das ist vor allem am Anfang des Spiels nicht besonders aufregend und bombastisch, wie man es von vielen anderen Adventurestories gewohnt ist. Darauf muss man sich einlassen können, wenn man mit A Golden Wake seinen Spaß haben möchte, und natürlich darauf, dass es spielerisch nur sehr wenige Herausforderungen geben wird. Als eine Art Geschichtsstunde im Zeitraffer hingegen spielt der Titel seine Stärken aus und kann letzten Endes doch überzeugen – auf seine ganz eigene Art.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ich wusste nicht so recht, was ich von A Golden Wake erwarten sollte, ich bin völlig unbedarft an den Titel rangegangen. Zunächst war ich ob der wenig aufregenden Story noch etwas skeptisch, doch irgendwie hat mich Alfies Geschichte, oder besser die des Ortes Coral Gables in Miami und dessen Bewohner dann doch gepackt. Gerne hätte ich mir dabei eine etwas größere spielerische Herausforderung gewünscht, oder dass ich mehr über die Person Alfred Banks erfahren hätte, aber letztendlich hat mich A Golden Wake gut unterhalten.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Dichte Atmosphäre
  • Reale Personen und Schauplätze
  • Schöne, passende Musik
  • Gute Sprecher
  • Überzeugungen und alternative Lösungen
  • Kaum Identifikation mit Alfie möglich
  • Wenig spielerische Herausforderung
  • Gemütliche Geschichte
  • Grafisch durchwachsen