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Test

von  Hans Frank
05.05.2015
Dead Synchronicity - Tomorrow Comes Today
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch
85%

Dead Synchronicity ist ein ungewöhnliches Adventure - das merkt man schon zu Beginn. Der Grafikstil hat einen großen Wiedererkennungswert, die Atmosphäre ist bedrückend und hoffnungslos. Daedalic Entertainment vermutet Potenzial und spendiert dem Titel, der im Wesentlichen von drei Brüdern und einem Grafiker entwickelt wurde, eine deutsche Lokalisierung.

Endzeit

Die Zukunftsvision der westlichen Welt, in der Dead Synchronicity spielt, ist nicht gerade einladend. Eine mysteriöse, elektromagnetische Welle hat große Teile der Zivilisation zerstört, das alte Rechts- und Wertesystem existiert nicht mehr. Das Militär hat die Kontrolle übernommen und setzt seine unklaren Interessen mit blanker Gewalt durch. Ein Menschenleben zählt nicht mehr viel in Dead Synchronicity.

Als wäre das nicht schon schlimm genug, erwacht Protagonist Michael verunsichert in einem alten, dreckigen und schäbigen Wohnwagen. Darüber hinaus steht dieser Wohnwagen in einer Art Konzentrationslager, das von einem hohen Zaun umgeben ist und dessen Eingänge von Soldaten bewacht werden. Nicht weit entfernt ist eine Stadt zu erkennen, aber Michael hat als Insasse des Lagers praktisch keine Rechte mehr.

Das Lager und seine Bewohner

Doch es geht noch schlimmer: Eine mysteriöse Krankheit greift um sich, die zu Wahnvorstellungen und einem langsamen und schmerzhaften Tod führt. Es ist nicht klar, wie sich diese Krankheit überträgt, doch das Militär macht kurzen Prozess, sobald es von Infizierten erfährt. Nebenbei leiden viele Menschen unter Gedächtnisverlust und die Suizidrate ist sprunghaft angestiegen. Auch Michael hat sein Gedächtnis verloren und versucht unter all den widrigen Umständen, sich an seine Vergangenheit zu erinnern. Anhaltspunkte gibt es zunächst wenige, doch er erlebt immer wieder Flashbacks, bei denen aber nicht immer ganz klar ist, wie diese zeitlich einzuordnen sind. Zunächst stehen aber ohnehin ganz praktische Aufgaben an: Überleben und aus dem Lager entkommen. Eine schwere Aufgabe in einer Welt, in der Gangmitglieder und Soldaten mit Maschinengewehren den Alltag kontrollieren.

Keine Hoffnung

Der Sohn des Wohnwageninhabers, der Michael Unterschlupf gewährt hatte, ist ebenfalls einer der Infizierten, die auch als “Zerflossene” bezeichnet werden. Da Michael für seine Rettung dankbar ist, verspricht er im Gegenzug auf die Suche nach einem Gegenmittel zu gehen, das es in der nahe gelegenen Stadt geben soll. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er in klassischer Adventuremanier kleine und große Aufgaben erfüllen. Klar ist, dass er auf die Hilfe von anderen Bewohnern, Lagerspitzeln und Soldaten angewiesen ist. Da auch hier jeder seine eigenen Interessen verfolgt, schafft es Michael schließlich mit der Erfüllung von Wünschen, Bestechungen und manchmal auch Drohungen, die Grenzen des Lagers zu überschreiten. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er noch nicht, dass seine Lage und die der gesamten Menschheit noch schlimmer ist, als zunächst gedacht.

Das Inventar ist gut gefüllt

Atmosphäre

Das Spiel schafft es glaubhaft, mit relativ einfachen Mitteln eine traurige und bedrückende Atmosphäre zu schaffen. Der Grafikstil, der sich am Expressionismus orientiert, ist oft recht schlicht gehalten, was man besonders an den Charakteren sieht. Obwohl diese nur aus wenigen Strichen bestehen, schaffen sie es spätestens in Kombination mit den langen Dialogen, glaubhaft Gefühle zu vermitteln. Auch die Umgebungen wirken bedrückend, alles ist dreckig und zerstört. In Verbindung mit den atmosphärischen Hintergrundgeräuschen bekommt man nicht nur einmal ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend, zum Beispiel wenn man den “Suicide Park” betritt, in dem noch zahlreiche Stadtbewohner an Stricken von Bäumen baumeln, weil niemand sich mehr die Mühe macht, sich um deren Bestattung zu kümmern. Alles in der Welt von Dead Synchronicity ist trist und hoffungslos. Sei es das vermüllte Lager mit seinen depressiven Bewohnern, die von Blutflecken übersäte Stadt oder eine Krankenstation, in der das Grauen noch einmal zunimmt. Das knappe Budget des Spiels merkt man aber natürlich auch an einigen Stellen. Michael hat nicht viele Animationen spendiert bekommen und auch in den Hintergründen bewegt sich oft nicht viel. Begleitet wird das Spiel von einem finsteren Soundtrack einer Rockband, der mal besser und mal schlechter zum Spielgeschehen passt. Die Vertonung der Charaktere ist sowohl bei der englischen als auch bei der deutschen Sprachausgabe gelungen. Die Sprecher wirken glaubhaft und betonen situationsabhängig überwiegend korrekt.

Einzig das manchmal unpassende Verhalten unseres Protagonisten Michael versetzt der Atmosphäre ab und zu einen Dämpfer. Warum er es zum Beispiel für nötig hält, den Chef der örtlichen Bande Krimineller zu beleidigen, obwohl er eigentlich auf diesen angewiesen ist und dieser auch schon gezeigt hat, dass Menschenleben nicht viel wert sind, bleibt rätselhaft. Die meisten anderen Charaktere agieren glaubhaft und realistisch. Viele sind völlig desillusioniert und ohne jede Hoffnung, einige aber glauben auch weiter an das Gute und versuchen, anderen zu helfen. Wieder andere versuchen natürlich aus der neuen Situation ohne Skrupel Kapital zu schlagen und handeln nur aus Eigennutz. Das Spiel lebt von der hoffnungslosen Krankenschwester, dem skrupellosen Soldaten oder der armen, geistig behinderten Frau, die zur Prostitution gezwungen wird und die sich in eine Traumwelt geflüchtet hat.

Michael leitet unter seltsamen Visionen

Das Gameplay an sich ist äußerst klassisch. Der Spielfluss wird bestimmt von zahlreichen Kombinationsrätseln, die mal leicht und mal schwer sind. Oft können mehrere Handlungen parallel erledigt werden. Schwierig sind Aufgaben vor allem in den Situationen, in denen mehrere Areale gleichzeitig begehbar sind. Und obwohl es eine Hotspot-Anzeige gibt, verstecken sich manche benötigte Gegenstände sehr gut. Auch dass manche Areale noch seitlich scrollen, entdeckt man oft nicht sofort und verpasst dadurch auch einmal einen Ausgang. Wichtig sind den Entwicklern auch Inventarrätsel. Immer wieder müssen Gegenstände miteinander kombiniert werden, um Rätsel zu lösen. Ab und zu dürften zartbesaitete Gemüter dabei auch an ihre Grenzen stoßen. In einer Szene muss Michael zum Beispiel das Gesicht der Leiche eines Priesters entstellen und dabei sehr konkret Hilfsmittel anwenden.

Fazit

Dead Synchronicity: Tomorrow Comes Today ist ein sehr bedrückendes und fesselndes Adventure geworden. Die Geschichte rund um Michael, der nicht nur versucht, sein eigenes Schicksal zu ergründen sondern der auch verstehen möchte, was mit der Welt, die er kannte, passiert ist, fesselt von der ersten Minute an. Um so bedauerlicher ist dann der plötzlich einsetzende Abspann nach etwa sieben Stunden Spielzeit in Verbindung mit einem offenen Ende.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Mit etwas Verspätung konnte ich mich nun endlich ebenfalls diesem Titel widmen, und ich muss sagen: Zum Glück habe ich das noch getan! Ich kenne kaum ein Adventure, welches eine derart finstere Dystopie ähnlich gelungen ohne Rücksicht auf empfindlichere Gemüter darstellt. An den ungewöhnlichen Grafikstil musste ich mich ein paar Minuten gewöhnen, finde aber, dass er gut zur ungewöhnlichen Geschichte passt. Auch spielerisch bin ich voll und ganz zufrieden, mein einziger Kritikpunkt, wie der meiner Kollegen, ist das plötzliche, viel zu früh kommende Ende mit fiesem Cliffhanger. Dennoch eines der klaren Highlights in diesem Jahr!
Axel Kothe

Es ist wunderbar anzusehen, wie aus der kleinen Prototyp-Demo endlich etwas Greifbares wurde. Dead Synchronicity setzt, atmosphärisch gesehen, endlich mal die Messlatte höher und zeigt derart verstörende Zustände und Bilder, bei denen andere Spiele lieber einen Gang zurückschalten. Diesem Mut sei es gedankt, dass bis zum leider viel zu plötzlichen Spielende, der Spielreiz immer wieder aufs Neue angeheizt wird. Der Cliffhanger am Ende ist dann aber doch der größte Schwachpunkt, weil er an sich keine große Überraschung darstellt. Ganz im Gegenteil: Ich bin die ganze Zeit davon ausgegangen.
Julia Gründel

Dead Synchronicity zeigt abseits der quietschbunten Spaßadventures, wo das Genre noch glänzen kann: Bei der Erzählung bedrückender, fesselnder Geschichten mit Tiefgang. Das Spiel war zum Teil schwer für mich zu ertragen, aber es lohnt sich. Daedalic hat nach Ausrutschern wieder ein Händchen für ein richtig gutes Adventure bewiesen. Schade nur, dass der Titel mit einem offenen Ende schließt. Hoffen wir auf die Fortsetzung.
Hans Duschl

 Die Stimmung in Dead Synchronicity ist wirklich ganz besonders und schwer zu beschreiben. Mich hat die Handlung atmosphärisch ganz in ihren Bann gezogen und ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft erscheinen wird. Aus technischer Sicht mag ich vor allem die klassischen und sehr gut konstruierten Rätsel und das Gefühl der Belohnung, wenn man eines gelöst hat und damit zum Beispiel ein weiteres Areal freischaltet.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • tolle Atmosphäre
  • gelungene Geschichte
  • interessante grafische Gestaltung
  • durchdachte Rätsel
  • Offenes Ende
  • Manchmal unpassender Soundtrack