Test

von  Axel Kothe
18.02.2015
Supreme League of Patriots
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Das Jahr beginnt mit einer Überraschung: Phoenix Online Publishing bringt mit nur zweiwöchiger Vorankündigung den Titel Supreme League of Patriots von No Bull Intentions auf den Markt. Aber nicht nur das plötzliche Erscheinen ist ungewöhnlich, sondern auch die Art der Veröffentlichung. Denn bei Supreme League of Patriots handelt es sich um ein Episodenspiel, von dem aber gleich alle drei Episoden der ersten Staffel vom ersten Tag an verfügbar sind.

Supreme was?

Somit kann man das klassische 2,5D-Point-and-Click-Adventure trotz Episoden direkt komplett durchspielen, ohne Monate auf die Fortsetzung zu warten. Doch um was geht es überhaupt? Es geht um den Superhelden, oder besser gesagt, Möchtegern-Superhelden The Purple Patriot und seinen Sidekick Mel, die gemeinsam die Stadt New York mit ihren Heldenabenteuern unsicher machen. In die einzelnen Episoden unterteilt wären das:

Issue 1: A Patriot is Born

In der ersten Episode versuchen wir als Kyle Keever, beziehungsweise dessen Alias The Purple Patriot, die Jury der Reality-TV-Sendung America's Got Superpowers davon zu überzeugen, dass Kyle ein echter Superheld mit echten Superkräften ist. Dazu muss er in vier Prüfungen seine Kraft, Geschwindigkeit, Mut und schließlich seine Fähigkeit zu fliegen demonstrieren. Zu dumm nur, dass Kyle ein fetter Couch-Potato ohne Kraft, Ausdauer und vor allem ohne irgendwelche Superkräfte ist. Also gilt es, sich irgendwie durchzuschummeln ... Die Episode spielt zum größten Teil in und um das Fernsehstudio herum und bietet relativ wenig Abwechslung, man arbeitet einfach die verschiedenen Tests ab, bis man diese schließlich bestanden hat.

Issue 2: Patriot Frames

Es geschehen noch Wunder! Aus Kyle wurde nun tatsächlich der Purple Patriot, mit echten Superkräften! Die Verwandlung hat allerdings auch ihre Schattenseiten: Aus dem liberalen Kyle wurde ein homophober, chauvinistischer Klotz, der nichts als Verachtung für Feministen, Immigranten oder Schwule empfindet und diese am liebsten direkt alle in den nächsten Kerker stecken würde und dies auch stets lautstark kundtut. Doch auch sonst ist das Leben als Superheld kein Selbstläufer. Denn ohne Superhelden-Lizenz geht gar nichts, und die bekommt man nur, wenn man ein Superheldenfahrzeug, einen geheimen Unterschlupf und vor allem eine Zeugenaussage über eine Heldentat vorweisen kann. Das ist schließlich auch das Ziel in dieser Episode: Der Erhalt dieser Lizenz, was sich als deutlich schwieriger herausstellt, als es zunächst erscheint.

Issue 3: Ice Cold in Ellis

Endlich! Endlich hat der Purple Patriot den offiziellen Superheldenstatus! Und damit kommt er auch direkt zum Einsatz, denn einige Terroristen haben eine Bank überfallen und Geiseln genommen. Polizistin Sam lässt sich zwar nur widerwillig dazu überreden, doch letztendlich lässt sie den Patriot und Sidekick Mel in die Bank ... Während die zweite Episode viel mehr kleinere Schauplätze zu bieten hatte, setzt die dritte Episode wiederum auf nur zwei Hauptschauplätze (die Bank und das im Titel angedeutete Ellis Island), die dafür mehrere Screens umfassen.

Comichelden, Popkultur und Rätsel

Wie es sich beim Thema anbietet, ist das Spiel natürlich keine ernste Angelegenheit, sondern eine mit knallbunter Comicgrafik, überzeichneten Charakteren und vielen Anspielungen gespickte Farce. In der ersten Episode gibt es passend zum Talentwettbewerb zahlreiche Referenzen zum Reality TV, von „Das Supertalent“ bis hin zu „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“, in den folgenden Episoden bekommen besonders die konservativen Amerikaner ihr Fett weg. Doch auch Computerspiele, Filme und andere Popkultur werden vor allem in den langen Dialogen zwischen Kyle/Patriot und Mel referenziert. Die sind allgemein gut geschrieben und gesprochen, allerdings oft viel zu lang und vom Timing her nicht ideal, da immer zunächst das Portrait des Charakters eingeblendet wird, und dieser erst nach kurzer Pause anfängt zu sprechen. Das Gameplay gibt sich ganz klassisch mit Such- und Bringaufgaben und Inventarrätseln. Minispiele, Logikrätsel oder gar Action darf man hier nicht erwarten. Das Schwierigkeitsniveau ist niedrig bis mittelhoch, und wer nicht weiterkommt kann Sidekick Mel um Hilfe bitten (oder einfach warten, bis er von selbst Tipps von sich gibt). Die Spielzeit je Episode dürfte bei rund drei bis vier Stunden liegen.

Umständliche Bedienung, schwache Technik

Fast schon Standard ist bei Spielen von Phoenix Online (auch wenn es sich in diesem Fall nicht um eine Eigenentwicklung handelt) das kompliziert zu bedienende Inventar des Helden. Wie bei vielen Spielen gibt es am unteren Bildschirmrand ein Inventar (in Form eines Gürtels). Dort kann man aber nicht einfach einen Gegenstand anklicken um ihn dann in der Szene zu benutzen. Nein, man muss ihn mit Hilfe von Pfeilen in die Gürtelschnalle in der Mitte bugsieren, erst dann kann man auf das Objekt in der Szene klicken um den Gegenstand damit zu benutzen. Will man jedoch zwei Inventargegenstände miteinander kombinieren (oder einen davon genauer untersuchen), muss man in eine andere Inventaransicht wechseln, wo man nun wiederum via Drag'n'Drop einen Gegenstand auf den anderen ziehen kann. Das ist äußerst umständlich und verwirrend. Ebenfalls störend ist, dass manche Gesprächsthemen verschwinden, wenn sie erledigt sind, andere (die meisten) jedoch dauerhaft eingeblendet bleiben und immer den gleichen, langen Dialog auslösen. Technisch lassen in erster Linie die Animationen zu wünschen übrig und die Geschwindigkeit, mit der sich Kyle über den Bildschirm schleppt. Außerdem nervt es, dass bei jedem Bildschirmwechsel ein Ladescreen eingeblendet wird (trotz Installation auf einer SSD) und bei jedem Wechsel auch die (meist eher uninspirierte) Musik von neuem startet. Apropos Musik, eine witzige Besonderheit hat sie: Jeder Charakter hat sein eigenes Thema, das immer eingespielt wird, wenn man den Charakter anspricht. So hat ein ehemaliger KGB-Mann einen Militärmarsch und die Latina entsprechend eine rhythmische Gitarrenmusik. Die englische Sprachausgabe ist weitgehend gelungen, mit Ausnahme des Sprechers von Kyle, den man zum Glück ab der zweiten Episode praktisch gar nicht mehr hört (der Purple Patriot hat einen anderen Sprecher).

Fazit

Supreme League of Patriots krankt vor allem an der Umsetzung der Ideen. So sind viele Texte wirklich witzig geschrieben und gesprochen, aber das Timing ist so lahm, dass es bei den teils ellenlangen Dialogen nur noch nervt, wenn jeder Gegenstand mit so einem Wortschwall bedacht wird. Das ist vor allem der Fall, wenn man aus Versehen ein weiteres Mal draufklickt und man es noch einmal über sich ergehen lassen muss (Texte und Sprache lassen sich zwar wegklicken, aber immer mit deutlicher Verzögerung). Dadurch kommt der Humor leider überhaupt nicht richtig zur Geltung, was eigentlich die Stärke des Spiels wäre. Die Story ist belanglos, die Rätsel Standardkost.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Schade, schade, leider versaut mir die technische Umsetzung fast jede Freude am eigentlich witzig geschriebenen Spiel. Das Timing passt einfach nicht und macht die vielen Dialoge manches Mal zu einer echten Qual. Immer eine Qual ist das dämliche Inventarmanagement, hier muss Phoenix endlich einsehen, dass ein simples Inventar immens wichtig bei der Bedienung eines Adventures ist. Die langatmigen Dialoge und die lahmen Animationen wirkten immer wieder richtiggehend einschläfernd auf mich, sodass ich das Spiel beenden und später weiterspielen musste. Warum man das Spiel nun unbedingt auf drei Episoden aufteilen musste, ist mir auch nicht ganz klar geworden. Vermutlich wollte man so schon direkt eine Unterteilung für den Mobile-Markt vornehmen, sodass man drei Apps anbieten kann, statt nur einer. Aber ob nun drei Akte in einem Spiel, oder drei einzelne Episoden ... ist mir auch egal. So muss ich leider sagen: Ich wollte das Spiel lieben, und immer wieder blitzen grandiose Ideen durch, deren Potential aber komplett verschenkt wurde. Schade, schade!

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • viele witzige Anspielungen
  • gelungenes Rätseldesign
  • Musik-Themes für die Charaktere
  • gute Sprachausgabe
  • ca. 12 Stunden Gesamtspielzeit
  • Texte viel zu lang
  • Humor-Timing passt nicht
  • Umständliche Inventarbedienung
  • Nur englische Sprache
  • Lahme Animationen und Spielgeschwindigkeit