The ABC Murders basiert auf der gleichnamigen Romanvorlage von Agatha Christie. Dabei ist es nicht das erste Spiel, das sich dieses Stoffes bedient. Bereits 2009 erschien Die Morde des Herrn ABC für Nintendo DS. Das aktuelle Spiel hält sich strikt an die Vorlage, es ist also keine Neuinterpretierung, sondern erzählt exakt die Geschichte, die Agatha Christie 1936 vorgegeben hat. Im Mittelpunkt stehen der belgische Privatdetektiv Hercule Poirot und sein ständiger Begleiter Arthur Hastings, die zu einem Tatort in der englischen Kleinstadt Andover gerufen werden, um dort Inspektor Japp von Scotland Yard bei den Ermittlungen in einem Mordfall zu unterstützen. Zuvor war in Poirots Privatwohnung ein Brief eingegangen, in dem der Mord angekündigt wurde. Unterzeichnet war dieser mit A.B.C.
Alice Asher, die Besitzerin eines Tabakwarengeschäfts, wurde in ihrem Laden hinterrücks erschlagen. Doch die Ermittlungen führen zunächst ins Leere, denn weder ein Motiv noch eine heiße Spur zu einem Verdächtigen können ermittelt werden. Einziges Indiz ist ein Zugfahrplan, der sogenannte ABC-Plan, den der Mörder am Tatort hinterlassen hat. Dieser, in Verbindung mit der Tatsache, dass sowohl der Ort des Verbrechens als auch der Name des Opfers mit A beginnen, lässt vermuten, dass es sich um eine anstehende Mordserie handelt. Und tatsächlich lässt der nächste Brief nicht lange auf sich warten.
Optisch erscheint das neue Christie-Spiel im Cell-Shading-Look. Es werden 2D-Hintergründe und 3D-Objekte verwendet. Das Spiel basiert auf der Engine Unity 3D, für die Animationen wurde Motion Capturing eingesetzt. Insgesamt weiß die Grafik durchaus zu gefallen und auch die Bewegungen der Figuren in den Laufbewegungen wirken recht natürlich. In den Nahansichten bei Befragungen fällt eine gewisse Steifheit auf und Lippensynchronität zumindest gegenüber der englischen Sprachausgabe sucht man vergebens. Dennoch macht das Spiel grafisch einen runden Eindruck.
Die englische Sprachausgabe darf insgesamt ebenfalls als gelungen bezeichnet werden. Zumindest die Hauptcharaktere, allen voran Hercule Poirot, sind gut besetzt. Bei den Nebencharakteren müssen Abstriche gemacht werden, da sie teilweise etwas zu übertrieben gesprochen werden. Zudem haben einige Sprecher mehrere Rollen übernommen, was auch teilweise zu hören ist. Die Hintergrundmusik ist leider wenig abwechslungsreich. Es werden über das ganze Spiel hinweg die gleichen Loops immer und immer wieder abgespielt, was auf Dauer etwas anstrengend ist.
Ein großes Manko des Spiels fällt direkt von Anfang an auf. Das Spiel ist strikt linear und sagt dem Spieler in jeder Situation, was er als nächstes zu tun hat. Zudem beschränkt sich der Bewegungsradius pro Szene auf maximal drei Räume, sodass ein echtes Erforschen der Umgebung kaum möglich ist. Das ändert sich auch im Laufe des Spiels nur selten. Bis auf eine Passage im Mittelteil, in der ein Herrenhaus mit mehreren Räumen untersucht werden kann, fühlt man sich als Spieler immer stark eingesperrt. Hinzu kommt, dass das Spiel selbst Kleinigkeiten als Missionsziel deklariert. Klingelt zum Beispiel das Telefon, erscheint eine Nachricht ""Nächstes Ziel: Gehe ans Telefon"". Als Adventurespieler fühlt man sich dann zu sehr in die Casual-Ecke gedrängt und hat das Gefühl, dass eigene Überlegungen nicht wirklich gefragt sind. Im Testfall wurden sogar bis zum Ende des Spiels die immer gleichen Hilfetafeln eingeblendet, sogar noch zwischen der Endsequenz und dem Abspann. Auch bei der Interaktion mit anderen Personen wird die Verfahrensweise streng vorgegeben. Erst müssen wir die Person betrachten und bestimmte Punkte und Eigenschaften finden, bevor wir einen Dialog starten dürfen. Wie viele Punkte wir an der Person finden müssen, zeigt uns ein Zähler an. Das gleiche Prinzip finden wir auch an den Tatorten. Bevor wir nicht alle Hinweise erfasst haben, dürfen wir einen Raum nicht verlassen. Das mag ein bisschen zur akribischen Vorgehensweise der Romanfigur Hercule Poirot passen, dem Spieler nimmt es aber oft den Spielspaß.
Etwas besser umgesetzt sind die zu erledigenden Aufgaben. Inventarkombinationsrätsel gibt es in The ABC Murders nicht. Gefundene Gegenstände werden zwar in einer Inventarleiste angezeigt und können dort auch näher betrachtet, teilweise auch manipuliert werden, allerdings hält sich die Anzahl der eingesammelten Objekte in Grenzen und diese können nur auf die Umgebung angewendet werden. Sobald sie nicht mehr gebraucht werden, verschwinden sie aus dem Inventar. Das Rätseldesign stützt sich eher auf teils komplexe Logikrätsel und auf das Kombinieren von Hinweisen, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Logikrätsel präsentieren sich in Form von Möbelstücken oder Geräten, die in der Nahansicht gedreht werden können und teilweise komplexe mechanische Aufgaben stellen. So gibt es zum Beispiel gleich mehrfach Kommoden, Schränke oder Koffer, die Geheimfächer enthalten. Mit der Maus können hier einzelne Elemente bewegt, geschaltet oder gedreht werden. Einige dieser Objekte beinhalten sogar mehrere Rätsel. Leider kann innerhalb einer solchen Rätselkette nicht gespeichert werden. Zumindest weist das Spiel beim Verlassen der Nahansicht darauf hin, dass das Rätsel von vorne begonnen werden muss.
Recht gut gelungen ist außerdem das Kombinieren von Indizien, ähnlich wie es schon der jüngste Teil der Sherlock-Holmes-Serie von Frogwares vorgemacht hat. Die verschiedenen Informationen, die während der Ermittlungen gesammelt wurden, müssen in Relation gebracht werden, um zur richtigen Schlussfolgerung zu kommen. Maximal werden dabei drei Indizien benötigt, manchmal reicht aber auch ein einziges. Dieses Kombinieren mit Indizien macht tatsächlich bis zum Schluss des Spiels Spaß und ist immer wieder eine nette Abwechslung.
Womit das Spiel auf keinen Fall geizt, ist die Vergabe von Punkten und Errungenschaften. Sogenannte Ego-Punkte, die ansonsten für das Spiel absolut irrelevant sind, erhält man, wenn man sich als Spieler so verhält wie die Figur Hercule Poirot sich verhalten würde. Schaut man zum Beispiel in einen Spiegel, bekommt man drei Ego-Punkte. Welchen Sinn das haben soll, ist etwas fraglich. Auch mit Errungenschaften wirft das Spiel nur so um sich. Manchmal fragt man sich tatsächlich, womit man sich die gerade erhaltene Errungenschaft eigentlich verdient hat. Die ständigen Einblendungen lenken in ihrer Häufigkeit sogar manchmal vom Spiel ab, was sich negativ auf die Atmosphäre auswirkt. Hier wäre weniger vielleicht mehr gewesen.
Grundsätzlich ist Agatha Christie - The ABC Murders kein schlechtes Adventure. Es versucht nur leider offensichtlich krampfhaft Gelegenheitsspieler einzufangen, indem es auf nutzlose Belohnungen setzt und zu viele Hinweise gibt. Darunter leidet bei Adventurespielern die Atmosphäre, denn man wird oft aus dem Spielerlebnis gezogen. Ein bisschen mehr Freiheit in der Bewegung wäre schön gewesen. Außerdem sollte man dem Spieler mehr Gelegenheit geben, die eigenen grauen Zellen zu beanspruchen. Nicht nur bei den Logikrätseln, sondern auch bei ganz normalen Aktionen. Ganz klar geeignet ist das Spiel allerdings für völlige Neueinsteiger, die für einen ersten Blick in das Genre der Ermittlungs-Adventures einen leicht zugänglichen Titel suchen.
Schon lange durfte ich nicht mehr so unselbständig meine Morde (oder besser: Fälle?) aufklären, wie bei Papa Poirot. Wie an der Leine wird der Detektivschüler von Aktion zu Aktion geführt um am Ende auf das teilweise bereits Offensichtliche aufmerksam gemacht zu werden. Gerne hätte man bestimmte Dialoge auf den zweiten Blick anders geführt, was einem jedoch aufgrund der automatischen Speicherung ebenfalls verwehrt bleibt. Das stark französisch akzentuierte Englisch unseres belgischen Nicht-Sherlock-Holmes wurde für mich auf Dauer die größte Herausforderung eines doch sehr spannenden Falles. Hoffentlich darf der Spieler demnächst wieder den Kinderschuhen entwachsen und sich wieder mehr in die Fälle einbringen.Julia Kleener_Apfel Gründel
Anfangs hat mich Agatha Christie - The ABC Murders etwas abgeschreckt. Ich habe mich einfach zu sehr in meinen Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt gefühlt. Im späteren Spielverlauf hat sich das etwas gelegt und tatsächlich hat mir das Spiel ab der zweiten Hälfte wesentlich besser gefallen. Die Spielzeit von etwa 6 Stunden empfand ich als angenehm, zumal das Spiel sich dicht an die Romanvorlage hält und diese eben nicht mehr Stoff hergibt. Ingesamt ist es kein schlechter Titel, aber es geht besser. Ich hoffe, dass man aus der Kritik lernt und in den nächsten Teilen der Serie wieder mehr auf die Bedürfnisse der Adventurespieler eingeht und weniger versucht, den Casual-Markt zu bedienen.
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