Test

von  Antonio Moss
22.05.2016
Aviary Attorney
Getestet auf Windows, Sprache Englisch
85%

Sketchy Logic Games, ein junges zweiköpfiges Team bestehend aus dem Designer und Programmierer Jeremy Noghani und der Grafik- und Webdesignerin Mandy Lennon, konnten ihr Erstlingswerk Aviary Attorney erfolgreich über Kickstarter finanzieren und brachten es über Steam auf den Markt. Das Visual Novel-Adventure kommt vom Gameplay und Aufbau her sehr nach seinem Vorbild - der Ace Attorney-Reihe. Doch reicht das, um in eurem Einkaufskorb zu landen? Lest es in unserem Test!

Pariser Zoo

Angesiedelt ist die Geschichte rund um den Anwalt Jayjay Falcon und dessen Sidekick Sparrowson in Paris im Jahre 1848. Im Land der Revolutionen geht es um genau diese; der Kern der Story ist eine bevorstehende Revolution, welche die Second Republic einführen soll, nachdem große Teile der Bevölkerung vom aktuellen König enttäuscht sind. Dabei lernt man sogar noch ein paar wenige Dinge über die echte französische Geschichte. Das Setting ist also ein unverbrauchtes. Hinzu kommt noch ein weiteres Merkmal dieses Spiels - alle handelnden Charaktere sind anthropomorphe Tiere. Die beiden Hauptcharaktere etwa sind, wie die Namen vermuten lassen, ein menschlich anmutender Falke beziehungsweise Spatz. Daneben gibt es noch Hähne, Katzen, Schwäne und vieles mehr.

Unterhalten sich ein Spatz, ein Falke und ein Fuchs...

Der frühe Vogel erwirkt einen Freispruch

In insgesamt vier Fällen - wobei sich der vierte je nach Ausgang des dritten Falles in drei verschiedene Richtungen entwickelt - ermittelt man im Stile des Vorbildes; es gibt verschiedene Orte, die man besuchen und nach Beweisen durchforsten kann, die dann später im Gerichtssaal passend zu den Aussagen vorgelegt werden müssen. Oft unterhält man sich aber auch einfach nur mit anderen Charakteren. Hin und wieder gibt es sogar mehrere Antwortmöglichkeiten, die einem den Fortschritt erleichtern oder eben erschweren können. Aber Vorsicht - jeder Besuch kostet euch einen Tag, sofern neben dem Ortsnamen eine Uhr abgebildet ist. Deshalb sollte man aufpassen, dass man das Beste aus jedem Besuch macht und nichts vergisst. Manchmal ist auch die Reihenfolge wichtig, in der man die Schauplätze abläuft. Denn erst nachdem man gewisse Hinweise bekommen oder Personen gesehen hat, ergeben sich daraus neue Möglichkeiten. Ein bisschen Frust birgt dieses Zeit-Feature schon, da man eine Verhandlung möglicherweise verlieren kann, wenn einem dadurch der entscheidende Beweis fehlt. Sind die Untersuchungen vorbei, geht es in den Gerichtssaal, wo man dann die Unschuld des Mandanten beweisen muss - wenn man es eben kann. Sollte man doch in einer Sackgasse landen oder eine bestimmte Passage anders spielen wollen, so kann man jederzeit im Hauptmenü einen bereits gespielten Tag auswählen und ab dieser Stelle erneut ermitteln.

Die erlösenden Worte!

Schön für Aug’ und Ohr

Die hübsche Bleistift-Optik mit Sepia-Filter passt sehr gut zur Epoche, in der das Spiel angesiedelt ist. Die aufwändigen Zeichnungen sind sehr detailliert und rundherum gelungen. Untermalt wird der Anblick mit einem Soundtrack, der zum einen Teil aus echten Klassikern, aber auch aus eigens dafür komponierten Stücken besteht. Für einen geringen Aufpreis kann man sich diesen in Steam direkt zum Spiel dazukaufen. Fans klassischer Musik kommen also voll auf ihren Geschmack, da man hier auf ein virtuelles Orchester setzte. Die Soundeffekte hätten zwar etwas umfangreicher sein können, negativ fällt das allerdings nicht wirklich auf, da dennoch alles schön stimmig ist. Auf opulente Rendersequenzen hat man verzichtet. Stattdessen gibt es über den Bildschirm gleitende Standbilder, die den Spielern die Geschehnisse näher bringen sollen. Auch eine Sprachausgabe sucht man vergebens. Hier orientiert man sich ebenfalls am Vorbild und verpasst jeder Figur ihre eigene “Stimme”, indem der Ton, der mit den englischsprachigen Dialogzeilen erscheint, je nach Charakter unterschiedlich klingt. Für etwa einen Elefanten ist er tief und dumpf, für eine Maus dagegen hoch.

Das gute alte Paris!

Tierisch komisch

Wem das Spiel bisher schon ansprechend erscheint, der wird sich umso mehr freuen, dass auch der Humor nicht zu kurz kommt. Sei es durch real existierende soziale Netzwerke, die hier in einer an die Zeit angepasste Version Verwendung finden oder durch Einbindung eines Running Gags, der sich schon durch mehrere Teile des Vorbilds (Ace Attorney) zog. Aber auch ohne diese Anspielungen schaffen es die Dialoge, ihren ganz eigenen Charme und Humor zu präsentieren. Etwa wenn sich Falcon auf liebenswerte Art mit seinem Sidekick in die Haare (oder Federn) kriegt oder sie völlig aneinander vorbeireden. Auch wenn die Geschichte an sich eine ernste ist, kommen solche Momente nicht zu kurz und lockern die eigentlich eher düstere Stimmung immer wieder auf, ohne dabei zu aufgesetzt zu wirken.

Er hatte Facebook bevor es cool war!

Fazit

Nun sind Graphic Novel-Adventures ja nicht jedermanns Sache. Wer aber mit diesem Genre etwas anfangen kann und Spiele wie Ace Attorney oder Professor Layton mag, wird mit diesem Titel nicht viel falsch machen, da es sich in vielerlei Hinsicht wie das Vorbild spielt und dabei qualitativ trotz des kleinen und unerfahrenen Teams sehr überzeugt. Die Story ist interessant und motiviert dazu, alle Enden sehen zu wollen, wofür man etwa acht Stunden benötigt. Wer also eine charmant und humorvoll inszenierte, aber dennoch düstere Detektivgeschichte rund um eine Revolution im Paris des 19. Jahrhunderts erleben möchte, kann ohne Bedenken zugreifen. Allerdings sollte man ein wenig Erfahrung mit der englischen Sprache mitbringen, denn deutsche Texte sucht man vergebens.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Viel kann ich dem eigentlich nicht hinzufügen. Ich habe erst einige Wochen nach Release von diesem Spiel erfahren und wollte es - als großer Ace Attorney-Fan - direkt haben. Leider wurden meine Spielsessions immer wieder (teilweise sehr lange) unterbrochen, sodass ich nie so ganz eintauchen konnte. Aber genug, um dem Charme zu erliegen, den dieses Spiel eindeutig besitzt. Ich würde mich sehr über eine Fortsetzung freuen, für die das Entwicklerteam dann vielleicht sogar ein größeres Budget zur Verfügung haben wird.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schöner Grafikstil
  • Gute Atmosphäre
  • Humorvolle Dialoge
  • Spannende Story
  • Schöner Soundtrack
  • Alternative Enden
  • Zeitdruck
  • keine deutschen Texte