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Test

von  Hans Pieper
10.03.2016
Deponia Doomsday
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch
88%

Mit der Deponia-Trilogie landete Daedalic einen Volltreffer. Das ebenso humorvolle wie düstere Comicadventure mit dem waschechten Antihelden Rufus überzeugte nicht nur eine breite Masse an Adventurefans, sondern schaffte auch den großen Durchbruch über die doch recht eng gesteckte Genregrenze hinaus. Das geschah nicht zuletzt durch das prominente Vorspielen des YouTubers Gronkh. Nach einem durchaus Poki-artigen Ende des dritten Teils war die Trilogie eigentlich abgeschlossen – doch offenbar war die Unzufriedenheit über den Ausgang bei den Fans ebenso groß wie Jan Müller-Michaelis‘ Motivation, doch noch einmal nachzulegen. Vollkommen im Geheimen werkelte Daedalic daraufhin an einem vierten Teil, der vollkommen überraschend nur wenige Tage vor der Veröffentlichung überhaupt erst bekannt wurde. Doomsday wurde als das größte Deponia-Spiel mit reichlich Zeitwirrwarr versprochen. Und sofort stellte sich natürlich eine Frage: Kann der vierte Teil der Trilogie an die Brillanz der vorherigen Spiele anschließen?

Rufus ist zurück

Hussa, noch einmal von vorn

Bereits in den ersten Spielminuten zeigt sich bei Doomsday ein ganz eigener Humor, der sich durch das gesamte Spiel zieht: Mal mehr, mal weniger dezent wird deutlich, dass Poki mit dem vierten Teil hauptsächlich Fanservice betreibt. Doch der temporeiche Start voller Andeutungen macht gleichzeitig klar: Die Entwickler hatten auch richtig Lust auf diesen vierten Teil. Der Titel versprüht an jeder Ecke eine unglaubliche Energie, die Lust am Adventure und an Deponia überträgt sich sofort auf den Spieler. Dabei stört allerdings ein klein bisschen, dass einige Szenen (wie zum Beispiel das Einspielen von Schicksalsgeräuschen) etwas übermütig übertrieben wirken.

Ansonsten bringt Doomsday alles mit, was man von einem würdigen Nachfolger erwartet: Häufiges Durchbrechen der vierten Wand, ein unfassbar von sich selbst überzeugter Rufus, intelligenter bis vollkommen niveauloser Humor, abgedrehte Rätsel, Zerstörung en masse und absolut keine Rücksicht auf Mensch oder Tier.

Na, wo brennt's denn?<br /><br />Im Zweifel bei Rufus

Etwas über die Geschichte an sich zu schreiben, ohne dabei zu viel zu verraten, gestaltet sich schwierig. Gerade das Ende des dritten Teils spielt eine entscheidende Rolle für den vierten. Daher fassen wir die Geschichte von Doomsday wie folgt zusammen: Rufus erhält durch den mysteriösen McChronicle die Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen – und diese entsprechend zu verändern und ordentlich durcheinander zu wirbeln. Selbstverständlich explodiert oder zerschellt dabei eine ganze Menge. Besonders schön ist die Tatsache, dass es neben unglaublich vielen neuen Charakteren auch ein Wiedersehen mit einigen altbekannten Gesichtern gibt. So erfährt der Spieler zum Beispiel interessante Details aus der Vergangenheit von Lotti, die im ersten Teil im Rathaus beschäftigt ist.

Den Spieler erwarten zahlreiche neue Schauplätze

Gegen Ende geht der Erzählung jedoch ein wenig die Puste aus. Während sich der Spieler bereits auf dem Weg zum großen Finale wähnt, muss er noch eine ganze Reihe von Aufgaben bewältigen. Das hemmt vor allem am Schluss etwas den Spielfluss und die in dann vergleichsweise wenige Minuten gepresste Auflösung kommt dadurch ein wenig zu kurz. Unterbrochen durch eine komplizierte Rätselkette ist die durch zahlreichen Zeit-Wirrwarr ohnehin schon schwer zu durchschauende Geschichte dann komplizierter aufzudröseln, auch wenn das Ende an sich auch unaufmerksamen Spielern wieder einleuchten sollte. Der Schluss fühlt sich dadurch etwas an wie eine eher unsanfte, zu schnelle Landung mit einem Flugzeug mit anschließender Vollbremsung und Pünktlichkeits-Fanfare. Das ist jedoch der einzige Kritikpunkt an einer ansonsten wunderbar ausgedachten und stimmigen Geschichte, die das Thema Zeitreisen für diverse Bereiche des Spiels sehr schön ausnutzt und die etwa 12-16 Spielstunden perfekt trägt.

Viele neue Charaktere<br /><br />sind mit an Bord

Zeitlos gut

Mit der faszinierendste Punkt an Doomsday ist die Tatsache, wie umfangreich der Titel ist und wie wenig dabei kopiert wurde. Dabei wäre das Thema Zeitreise eine offensichtliche Steilvorlage für ein wildes Zusammenwürfeln der ersten drei Teile gewesen. Tatsächlich gibt es kaum wiederverwendete Schauplätze aus den ersten drei Spielen und die große Mehrheit der Charaktere ist neu. Auch das zeigt, wie viel Herzblut im vierten Teil der Trilogie steckt. In gewohnter Daedalic-Qualität sind zudem die Geräusche gesetzt, von den bereits erwähnten Übertreibungen einmal abgesehen. Monty Arnold läuft als Rufus erneut zur absoluten Höchstform auf und auch der Rest der Sprecher überzeugt vollkommen, auch in albernen Rollen. Dankenswerterweise wurde auf eine Gastrolle für Gronkh verzichtet, Fanservice hin oder her. Ebenfalls lobend hervorzuheben ist der fantastische Soundtrack, der sich leicht an den bisherigen Hauptthemen orientiert und viel Neues, perfekt Passendes liefert. Auch die Grafik kann sowohl in den häufigen Zwischensequenzen wie auch im Spiel mit unzähligen Animationen und liebevoll inszenierten Schauplätzen überzeugen. Kurzum: Das gesamte Spiel orientiert sich an einem alten Rufus-Grundsatz: Recycelt wird nicht.

Rundum gelungen: Die Sprachausgabe

Oh, lauf doch!

Wie zu erwarten kommen die Rätsel in Doomsday knackig schwer und zum Teil auch ziemlich abgedreht daher. Wer jedoch aufmerksam allen Gesprächspartnern zuhört und die Umgebung untersucht, wird vor keine unfairen Aufgaben gestellt.

Bereits von Beginn an ist das Spiel geprägt von großen Gebieten mit diversen Schauplätzen, Rätselketten und Charakteren. Ab und zu können verschiedene Stränge einer Aufgabenkette unabhängig voneinander verfolgt werden, ansonsten ist das Rätseldesign strikt linear. Wie immer wird wild eingesammelt, kombiniert, angezogen und verwendet. Hinzu gesellen sich diverse Minispiele, die allesamt überspringbar sind. Das ist auch gut so, denn in einigen Fällen ist die Visionaire-Engine eindeutig nicht für schnelle Klickereien geeignet. Das fällt besonders am Ende negativ auf, wenn es gilt, Portale aufzuschießen und ihnen dann auszuweichen. Die träge Steuerung macht das zu einer echten Herausforderung. Abgesehen davon lockern die Minispiele die Rätsel auf und sind recht gut in die Geschichte integriert.

Meist gelungen: Die Minispiele

Sehr nervig wirkt sich allerdings der Zeitdruck bei mehreren Aufgaben aus. Bestimmte Aktionen müssen vor Ablauf eines Countdowns beendet werden, ansonsten geht das Rätsel von vorne los. Das ist vor allem im Finale ein Problem, da es dort diverse Dinge in sehr kurzer Zeit zu erledigen gibt. Die Atmosphäre leidet dadurch merklich, denn Animationen und Dialoge gehen ebenfalls von der Zeit ab. Letztlich bedeutet dies nicht nur unnötigen Stress für den Spieler, sondern höchstwahrscheinlich auch, dass Dialoge weggeklickt und Animation per Escape abgebrochen werden. Ein unnötiger Verlust an Atmosphäre.

Nicht besonders gelungen sind auch die Quicktime-Events, bei denen am PC die Maus durch Dauerklicken malträtiert werden muss. Was an Konsolen vielleicht ganz nett ist, hat am PC wenig Reiz, wirkt gleichförmig und nervig. Aber: Einen Versuch war es wert, schließlich sollten sich Adventures ja auch weiterentwickeln. Und diese Form können wir jetzt ausschließen.

Ein fabelhaftes Beispiel für ein innovatives Rätseldesign:<br /><br />Vier Charaktere arbeiten an einem Problem

Fazit

Ist Doomsday ein würdiger Nachfolger und ein gelungener Abschluss der Trilogie? Definitiv. Auch wenn Poki es uns im Spiel mehrfach nahelegt: Natürlich wollte auch er noch einmal eine Geschichte aus Deponia erzählen. Und das gelingt ihm wie erwartet sehr gut. Die Erzählung ist ebenso gelungen wie deren Aufbau und überzeugt durch kreative Ideen und ein schönes Ausnutzen der Zeitsprünge. Dazu gesellt sich klassischer Deponia-Humor in Hochform mit vielen netten, kleinen Details. Lediglich im Finale wird sie durch eingeschobene Rätselketten etwas undurchsichtiger als nötig. Den Spieler erwartet perfekte Deponia-Rätselkost, die jedoch hin und wieder unter mausschädigendem Dauergeklicke bei Quicktime-Events und unnötig stressigen Zeitlimits leidet. Grafisch wie akustisch ist das Spiel nahezu perfekt, von einigen übermütigen Übertreibungen einmal abgesehen. Es bleibt ein Titel, der einen festen Platz in der Reihe der besten Adventures 2016 haben wird, auch wenn er durch die genannten Kritikpunkte nicht ganz an die anderen Teile heranreicht. Unsere Empfehlung: Keinesfalls verpassen!

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Deponia 4 kam für mich absolut unerwartet. Ich war sehr zufrieden mit dem Abschluss des dritten Teils. Und trotzdem habe ich mich über die Ankündigung eines vierten Teils sehr gefreut. Noch einmal mit Rufus auf Reisen zu gehen war ein Fest, rücksichtlose Zerstörung inklusive. Antihelden sind derzeit in und in Deponia Doomsday erhält der überraschend vielschichtige Rufus noch mehr Tiefe. Deshalb gilt für mich trotz der kleineren Schwächen: Was für ein Adventure!

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schöne Grafik
  • Tolle Inszenierung
  • Perfekte Synchronisation
  • Kreative Geschichte
  • Knackige Rätsel
  • Rätsel unter Zeitdruck
  • Uninspierierte Quicktime-Events
  • ""Vollbremsung"" der Geschichte am Ende
  • Steuerungsdefizite bei Minispielen