Die Entwickler von Frogwares bringen mit einem anderen Publisher, nämlich Bigben Interactive, ein neues Spiel im Sherlock Holmes-Universum auf den Markt. Dieses hört auf den Namen Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter und kam für den PC, PlayStation 4 und Xbox One heraus. Der Vorgänger Crimes & Punishments hat sich bei uns Gold geholt - wird der wohl bekannteste Detektiv der Welt auch diesmal wieder eine goldene Spürnase haben?
Wie gewohnt geht es auch im aktuellen Teil der Detektivreihe in die Baker Street 221B, wo der Spieler das perfekt aufeinander eingespielte Duo Sherlock Holmes und Dr. Watson vorfindet. Da sich die fünf Fälle längere Zeit vor Crimes and Punishment abspielen, sehen die Hauptcharaktere deutlich jünger aus. Auch andere bereits bekannte Charaktere wie Lestrade vom Scotland Yard und der Straßenjunge Wiggins sind wieder mit von der Partie und unterstützen Holmes beim Lösen der Fälle. Sogar sein Hund Toby ist wieder mit von der Partie. Die Wohnung des Detektivs ist die gleiche wie im vorherigen Teil: Das größte Zimmer, in welchem der Spieler sich auch am meisten aufhalten wird, ist das Wohnzimmer, wo die Regale mit vielen archivierten Informationen vollgestopft sind und ein Tisch mit verschiedenen Chemikalien steht. Im hinteren Raum findet sich Sherlocks Schlafzimmer, wo Holmes sich an Schminktisch und Kleiderschrank entweder speziell für einen Fall oder nur zum Spaß verkleiden kann. Nebenan ist ein weiteres Schlafzimmer, das Kate, Sherlocks Adoptivtochter, bezieht. Diese ist neben einer mysteriösen neuen Nachbarin Hauptteil einer Rahmenhandlung, welche die fünf Einzelfälle umschließt. Erst die letzte Episode hat direkt mit ihr zu tun. Die Fälle selbst nehmen es wie schon in Crimes and Punishment mit der Logik nicht immer ganz so genau. Eine gehörige Portion Fiktion ist meist mit dabei. Da der Rest des Spiels sehr realistisch gestaltet ist, stört das erneut ein wenig. Vor allem in der letzten Episode gleitet die Geschichte urplötzlich und unerklärt ins Übernatürliche ab.
Das Gameplay ist im Vergleich zu Crimes and Punishment abgesehen von zahlreichen Actionsequenzen gleich geblieben. Die Fälle werden wie im Vorgänger gelöst, indem der Spieler Zeugen und Verdächtige befragt, wobei hier auch wieder die Charakteranalyse ins Spiel kommt, die bei erfolgreichem Abschließen mehr Dialogoptionen bietet, aber bei einem Fehler keinen neuen Versuch zulässt. Außerdem werden Tatorte und Indizien untersucht. Das alles wird dann sinnvoll in Sherlocks Gedanken verknüpft, um am Ende logische Schlüsse zu ziehen. Ist der Spieler allen Hinweisen nachgegangen und hat diese verbunden, kommen mehrere Personen als Täter in Frage. Dabei erscheinen die Schlüsse durchaus alle plausibel, und zwar so, dass wirklich jede Schlussfolgerung Sinn ergibt. Der Spieler muss dann also selbst nachdenken, welcher wohl der echte Täter ist. Doch damit nicht genug; denn dann muss auch noch entschieden werden, ob der Verbrecher hinter Gitter gehört oder aufgrund von Krankheit oder “noblen Motiven” doch auf freiem Fuße bleiben soll. Eine Überprüfung und sogar ein nachträgliches Ändern der Entscheidung ist am Ende des Falls möglich. Leider haben die Entscheidungen genau wie in Crimes and Punishment nur eine minimale Auswirkung auf das große Finale nach dem fünften Fall. Hier zählt erneut hauptsächlich nur die zuletzt getroffene Wahl.
Die größte Neuerung im aktuellsten Sherlock-Titel ist gleichzeitig auch seine größte Schwäche: Actionsequenzen, in denen balanciert, gerannt, geschlagen und ausgewichen werden muss. Hier spielt Geschick eine große Rolle. Beispielsweise müssen häufiger Maus und Tastatur voneinander unabhängig bewegt werden. Auch klassische Quicktime-Events mit schnellen Entscheidungen und dem Treffen der richtigen Tasten spielen eine Rolle. In einer Fluchtsequenz muss der Spieler Sherlock im richtigen Moment sprinten und sich verstecken lassen. Leider ist die Steuerung dieser Abschnitte alles andere als perfekt gelungen. Zu oft werden Eingaben zu spät akzeptiert, fühlen sich unnatürlich an und entwickeln einen hohen Frustfaktor. Glücklicherweise lassen sich die meisten dieser Sequenzen überspringen, einige müssen jedoch so oft wiederholt werden, bis es endlich, endlich geklappt hat. Das schaffte eine unnötige Distanz zum Spiel und der Entwicklungsarbeit. Während in allen anderen Bereichen, beispielsweise der genauen Beobachtung von Gesprächspartnern, der vorherige Titel weiterentwickelt wurde, patzt Frogwares hier unnötig.
Die insgesamt fünf Fälle, die je nach Spielertyp jeweils zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen, sind abwechslungsreich gestaltet und bieten neben den üblichen Detektivarbeiten auch Minispiele, bei denen es zum Beispiel über eine Planke zu balancieren oder Schlösser zu knacken gilt. Nicht alles davon kann Sherlock allein bewerkstelligen. Watson, Wiggins und der Hund Toby sind auch für kurze Abschnitte spielbar, um ihre jeweiligen Fähigkeiten zum Besten zu geben. Langeweile kommt also kaum auf, da die verschiedenen Spielmechaniken in einem guten Rhythmus daherkommen. Ist ein Minispiel doch einmal zu knifflig oder sogar nervig, kann es durch einen simplen Knopfdruck übersprungen werden. Sanktionen gibt dafür keine, außer dass dann auf bestimmte Erfolge bzw. Trophäen verzichtet werden muss. Insgesamt sind diese und andere Rätseleinlagen nicht allzu knifflig und daher auch für Adventure-Neulinge gut lösbar.
Crimes and Punishment war schon grafisch beeindruckend, The Devil's Daughter wurde noch einmal verbessert. Auf den Straßen gehen Bürger ihren täglichen Geschäften nach, Schauplätze wirken ebenso plastisch wie realistisch und Gesichtsnahaufnahmen überzeugen ebenso wie die unglaublich detailreichen Schauplätze. In diesem Punkt lässt der Titel kaum Wünsche offen.
Viele Fans haben sich beim Vorgänger eine deutsche Synchronisation gewünscht, im neuesten Teil ist sie nun enthalten. Leider bildet sie den zweiten großen Schwachpunkt des Spiels. Zum einen sind manche Stimmen schlichtweg schlecht besetzt. Besonders Sherlocks Tochter hat eine ebenso unangenehme wie unpassende Stimme, die bereits nach ein paar Worten extrem nervig wird. Hinzu kommt, dass alle Sprecher nie den richtigen Ton der Szene treffen. Vermutlich liegt das an einer mangelhaften Regie, jedenfalls wirken viel zu viele Sätze viel zu emotionslos. Selbst bei tödlicher Gefahr murmelt Sherlock häufig unaufgeregt vor sich hin. Dadurch stellt sich das Gefühl einer billigen Hollywood-Übersetzung à la How I Met Your Mother ein: Die Sprachausgabe wirkt künstlich und aufgesetzt.
Leider will sich auch der insgesamt passende Soundtrack an manchen Stellen einfach nicht so richtig einfügen. An manchen Stellen wirken die Stücke zu modern für die Szenerie. Die Geräusche sind unterdessen gut gesetzt. An wenig belebten Orten wie beinahe leeren Kneipen oder Straßen gibt es hin und wieder jedoch zu viel des Guten.
Grafisch und in Bezug auf die Ermittlungs-Elemente hat sich der neueste Sherlock-Titel schön weiterentwickelt. Die Einzelfälle sind hübsch umgesetzt und Befragungen sowie Deduktion machen wieder viel Spaß. Demgegenüber stehen zwei große Schwächen: Die schlechte deutsche Synchronisation, die viel Atmosphäre verloren gehen lässt und die unnötigen und schwer steuerbaren Actionsequenzen. Letztere lassen sich zudem nicht vollständig überspringen. Im Kern bleibt ein guter Sherlock-Titel, bei dem Fans des Vorgängers dennoch beruhigt zugreifen können. Für den nächsten Titel wäre eine Rückbesinnung auf den reinen Detektiv Sherlock sehr wünschenswert.
The Devils Daughter hat mich ebenso häufig stark angesprochen und motiviert, wie es mich den Kopf schütteln ließ. Viele wunderbare Elemente aus dem Vorgänger wurden übernommen und sogar noch verbessert. Doch mit schlecht gemachten Actionsequenzen war meine Frustrationstoleranz zügig aufgebraucht. Allein eine Schlägerei in einer Bar, bei der in korrekter Reihenfolge nicht wirklich abzuschätzende Aktionen hintereinander ausgeführt werden mussten, haben mich einiges an Nerven gekostet. Nach 7 Wiederholungen hatte ich das nicht überspringbare Rätsel geschafft - und immer noch nicht akzeptiert, dass ein Hochwerfen eines Hutes sinnvoller sein sollte, als sich zu ducken oder eine Flasche zu werfen. Dialoge mit der Tochter habe ich prinzipiell weitergeklickt, weil ich das aufgesetzte Gepiepe nicht ertragen habe. Letztlich bleibt eine gute Basis, die über die Spielzeit hinweg gut unterhält, aber mit Schwächen zu kämpfen hat. Schade, aber vielleicht steht uns nun ein richtig guter Sherlock bevor.Hans Duschl
Kommentar Antonio Moss
Da ich den direkten Vergleich zum vorigen Teil nicht habe, den ich nur angespielt hatte, ist meine Erwartung an den aktuellen Teil wohl eine andere. Denn mir hat es echt gut gefallen und die Actionszenen sind mir nicht ganz so negativ aufgefallen. Doch auch mir war die Kneipenschlägerei ein Dorn im Auge. Nichtsdestotrotz hatte ich viel Spaß mit dem Spiel und war stets zum Weiterspielen motiviert. Ich bin schon sehr gespannt, was sie mit dem nächsten Teil abliefern werden, sollte denn noch einer kommen.
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