Test

von  Benjamin "Grappa11" Braun
20.12.2008
1½ Ritter
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Am 17. Dezember startete die neue Komödie von Til Schweiger, 1½ Ritter, in den deutschen Kinos. Wie bei vielen meist größeren Filmen aus Hollywood, gibt es mittlerweile auch zu deutschen Kinostreifen immer wieder Lizenzprodukte, die über das gewöhnliche Merchandising hinausgehen. Dazu zählen auch Computerspiele, in der Regel Auftragsarbeiten, die leider allzu oft keine besonders hohe Qualität haben. Ob die vom Hamburger Unternehmen Daedalic Entertainment entwickelte Lizenzversoftung zum Schweiger-Film dieses Vorurteil bestätigt, haben wir uns einmal genauer angesehen.

Warner - beinhart

Ritter Lanze ist der wohl beste Schwertkämpfer weit und breit. Ehrenhaft, loyal, ohne jegliches Laster und noch unbefleckt. Sein Herz gehört der schönen Prinzessin Herzelinde, für deren Sicherheit der schüchterne Edelmann Sorge trägt. Obwohl er dem Alkohol eigentlich abstinent ist, wirkt er mehr als nur angeheitert in jener Nacht, als die Prinzessin direkt vor seinen Augen von einem schwarzen Ritter entführt wird.

Genug Zeit um darüber nachzudenken, was passiert sein könnte, hat er nun, während er im Verließ des Schlosses auf sein Urteil wartet. Dort trifft er auf den Kleinkriminellen Erdal, mit dessen Hilfe es ihm gelingt, dem drohenden Todesurteil zu entgehen und sich stattdessen im Auftrag des Königs auf die Suche nach Herzelinde und dem mysteriösen schwarzen Ritter zu machen.

Reden ist Silber, Schweiger ist Gold

Anders als bei manch anderen Lizenzprodukten, tauchen im Spiel zahlreiche Originalsprecher aus dem Film auf. So werden die beiden Hauptrollen, Lanze und Erdal, von Til Schweiger und Rick Kavanian gesprochen. Der Bösewicht vom Dienst, Udo Kier, und die Herzelinde-Darstellerin Julia Dietze leihen den Charakteren auch im Adventure ihre Stimme. Weitere Nebenrollen sind meist mit anderen Sprechern besetzt wobei auch der ein oder andere Daedalic-Mitarbeiter sein Organ zur Verfügung gestellt hat, darunter auch PR-Chef Claas Paletta.

Die Dialoge stammen aus der Feder von Jan Müller-Michaelis, der auch die Sprachaufnahmen begleitete und ebenfalls mehrere kleinere Rollen eingesprochen hat. Der Humorgehalt schwankt stark, langweilige Dialogabschnitte gibt es aber so gut wie nie. Auch an optionalen Kommentaren und Dialogzeilen wurde nicht gespart, wenngleich diese nicht immer einen Mehrwert bedeuten. Auffällig ist nur, dass es sich zum Ende des Spiels hin ausdünnt, sowohl was den Umfang als auch die Qualität angeht.

Größtenteils beschränkt sich der Humor auf flache Witze und Wortspielereien, die man schätzen könnne muss, um Spaß mit dem Spiel zu haben. Zudem sollte man über Macken wie mäßig besetzte Nebenrollen, allgemein schlechte Sprecher (Herzelinde u.a.) und regelmäßig auftretende, schlecht betonte Sätze oder Satzfragmente, besonders bei Lanze, hinwegsehen können. Durchgehend gelungen ist nämlich nur die Rolle Erdals, die Rick Kavanian, gemessen an den übrigen Sprechern, herausragend vertont.

Musikalisch hat 1½ Ritter nichts zu bieten, was auch für den meist eher dezenten Einsatz von Soundeffekten gilt. Wohl deshalb ist die Musik standardmäßig im Menü deutlich runtergeregelt. Das stört allerdings kaum, da man sich ohnehin über weite Strecken in Dialogen befindet, deren Unterhaltungswert derlei Makel schnell vergessen läßt, sofern einem der Humor liegt.

Mein Freund Harvey

Bei Daedalic ist man zurecht stolz auf das abgedrehte Abenteuer von Edna und Harvey. Das ist wohl auch der Grund, weshalb in so ziemlich jedem Bereich Anspielungen auf Edna bricht aus oder auch dem kommenden Comic-Adventure The Whispered World zu finden sind. Sowohl in den Hintergründen, zum Beispiel im Thronsaal oder in der Folterkammer, als auch den Dialogen, trifft man auf offensichtliche Bezüge zu beiden Spielen. Nach den Credits gibt es noch ein besonderes Schmankerl.

Weniger offensichtliche Fingerzeige gibt es aber auch im Rätselbereich, die sich aber eher auf Spiele-Klassiker beziehen. Wer zum Beispiel bei den Schwertduellen nicht an den Spielerclub in Monkey Island 2 denken muss, hat Ron Gilberts Meisterwerk wohl nie gespielt.

Daedalic = 2D(s)

Bei den selbstentwickelten Spielen ist es schon fast gute Tradition bei Daedalic - wobei es zuvor bekanntlich nur Edna gab - Adventures wieder komplett in 2D zu realisieren. So kommt auch 1 1/2 Ritter komplett zweidimensional daher und kann sich dabei durchaus sehen lassen. Anzahl und Umfang der Locations sind angemessen, die Hintergründe detailreich gezeichnet. Qualitativ kommt das Spiel zwar bei weitem nicht an Top-Adventures heran, was unter anderen am teils statischen Eindruck der Schauplätze und den eher wenig vielfältigen oder teils unbeholfen wirkenden Animationen liegt. Es gibt zwar auch einige ansehnliche Spezialanimationen - etwa Lanzes schmerzverzerrtes Gesicht, nachdem er sich die Hand eingeklemmt hat - diese bilden aber eher die Ausnahme. Besonders die Mundbewegungen sind häufig unglücklich gewählt und nicht ansatzweise synchron zum Text.

Sehr schön sind die Gesichter der Schauspieler nachgebildet. Egal ob Schweiger, Kanvanian, Kier oder Gottschalk, jeden von ihnen kann man gleich wiedererkennen. Nur Nebencharakter Roberto hat mehr vom Sarotti-Mohr als von Roberto Blanco.

Zwischensequenzen gibt es nur wenige. Diese laufen in der Regel wie die Eröffnungssequenz in Spielgrafik ab und werden mit Nahansichten der Charaktere abgerundet. Alles in allem ein hübsches Spiel, das aber auch nichts Besonderes zu bieten hat.

Schwerwiegende technische Fehler wie Abstürze und ähnliches sind nicht aufgetreten. Das Spiel hat recht lange Lade- und Speicherzeiten. Da es aber lediglich zwischen den Kapiteln lädt und häufiges Speichern nicht nötig ist, fällt das kaum ins Gewicht.

Point-and-Click und Minispiele

1½ Ritter ist in erster Linie ein klassisches Point-and-Click-Adventure, das mit vielen einfallsreichen und vielfältigen Rätseln für Abwechslung sorgt. Inventar- und Kombinationsrätsel beherrschen das Bild aber auch kleinere Logik- und Schalterrätsel sind zu lösen. Die meisten Rätsel sind simpel und logisch, manchmal fehlen aber auch entscheidende Hinweise, die zu sehr zum Ausprobieren zwingen. Außerdem gibt es auch immer wieder willkürlich bzw. konstruiert wirkende Passagen und Objekte, die mehrfach ins Inventar aufgenommen werden müssen.

Mangelnde Kreativität kann man den Designer dabei zwar keinesfalls vorwerfen, doch aber an manchen Stellen einen gewissen Hang zu abstrusen Einfällen, die nur bedingt Spaß machen. Dabei nimmt man sich auch mal selbst beziehungsweise das Genre aufs Korn, wenn es etwa darum geht, aus einem Zettel, der die Nummer 99 trägt, einen mit der Zahl 66 zu machen. Zu den manchmal fehlenden Lösungshinweisen und aufgesetzten Rätseleinlagen kommenden später recht laufintensive Aufgaben, die in erster Linie die Spielzeit dehnen, und mehrere Minispiele.

Darunter gibt es eine Art Quartett-Kartenspiel mit Pferden und eine witzige Abwandlung des Roulette-Spiels mit einem Hühnchen. Alle Minispiele müssen bewältigt werden, können bei Bedarf also nicht übersrpungen werden. Aus diesem Grund legt das Spiel immer kurz vor Beginn eines Minispiels ein neues Savegame an. Außerdem hat man beliebig viele Versuche, um die Aufgabe zu bestehen. Wirklich schwierig ist keine dieser Spieleinlagen, ob man sich selbst und dem Spieler damit allerdings einen Gefallen getan hat, darf bezweifelt werden. Unschön ist nämlich auch, dass man während eines Minigames nicht ins Menü wechseln kann, um das Spiel auf herkömmlichem Weg zu beenden. Will man also aus dem Spiel raus, bevor man das Minispiel beendet hat, muss man es mittels Task-Manager schließen.

Die Steuerung ist tadellos und bietet sämtliche Komfortfunktionen moderner Adventures. Darunter auch eine Hotspotanzeige, die einzelne recht kleine bzw. unscheinbare interaktive Objekte sichtbar macht und somit unnötigem Frust vorbeugt.

Fazit

Spiele mit Filmlizenz haben keinen guten Ruf. In der Regel sind solche Werke am Ende irgendwo zwischen grottenschlecht und unterstes Mittelmaß einzuordnen. Wie bei jeder Regel gibt es aber auch hier Ausnahmen und 1 1/2 Ritter gehört zweifellos dazu. Mit den Top-Spielen des Genres kann Daedalics Abenteuer um die Suche Ritter Lanzes und seines Begleiters Erdal nach der hinreißenden Herzelinde zwar nicht mithalten, ist aber mit einigen schönen und einfallsreichen Rätseln, vielen unterhaltsamen Dialogen und netter Optik ein Adventure geworden, das Genre-Fans durchaus anzusprechen weiß und damit deutlich über den Erwartungen liegt. Erfreulich nach manch kurzem Abenteuerspaß ist darüber hinaus die relativ hohe Spielzeit von rund zehn Stunden, wenngleich sich diese auch durch einzelne laufintensive Passagen und manches nicht wirklich logische Rätsel ergibt.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

1½ Ritter liegt vor allem deutlich über dem, was man von einem Spiel mit Filmlizenz erwarten kann. Aber auch sonst hat Daedalic hier ein sehr ordentliches Adventure abgeliefert, das zwar alles andere als Makellos ist, aber besser und länger unterhält als so manches Vollpreisspiel.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • einfalls- und abwechslungsreiche Rätsel
  • relativ hohe Spielzeit
  • viele Sprecher aus dem Film
  • humorvolle Dialoge...
  • ...die nichts für jedermann sind
  • Mini-Spiele, die man nicht überspringen kann
  • durchwachsene Sprachausgabe