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von  Mithrandhir
09.03.2010
Nancy Drew: Die Legende des Kristallschädels
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Sie mag jung sein, die Figur der ambitionierten Detektivin Nancy Drew, doch ihre literarischen Wurzeln reichen mittlerweile sieben Jahrzehnte zurück: Die Geschichten um die jugendliche Spürnase stammen aus der Feder von Edward Stratemeyer, der bereits 1930 die ersten Abenteuer schrieb.

Bis heute bringt es seine Kreation auf hunderte kniffliger Fälle, die sie auch mal gemeinsam mit den Hardy Boys löst, die auch für das TV und zahlreiche Adventure-Spiele adaptiert wurden.

Her Interactive hat sich der in Deutschland eher unbekannten Teenie-Schnüfflerin schon länger angenommen und bietet aktuell nahezu zwei Dutzend Nancy-Drew-Teile an. Während die Hardy Boys eher das männliche Jung-Detektiv-Publikum ansprechen, ist Nancy Drew quasi das weibliche Pendant, welches sich mutig und engagiert zahlreichen Abenteuern in alten Spukhäusern, auf Friedhöfen und in ähnlichen Szenarien stellt.

Ein Skelett und viele Glasaugen

Nach ihrem letzten Abenteuer in Icicle Creek ist die Jungdetektivin Nancy Drew unterwegs nach New Orleans, um ein wenig auszuspannen. Gemeinsam mit der besten Freundin Bess möchte sie sich ein paar nette Tage machen und ihrem Freund Ned einen Gefallen tun. Dieser macht sich Sorgen um seinen Bekannten Henry Bolet, der wegen des plötzlichen Todes seines Großonkels angereist ist und sich um den Nachlass kümmert. Nancy soll schauen, ob Henry klarkommt und ihm ein wenig Trost aussprechen. Ein Kondolenzbesuch also.

Mit diesem Hintergrund macht sich Nancy, frisch in ""The Big Easy"" angekommen, zur Villa Bolet auf. Sie betritt den gespenstisch wirkenden Herrensitz und sieht sich keiner Haushälterin, sondern einem Skelettmann gegenüber. Dieser überwältigt sie und lässt sie bewusstlos liegen.

Wieder zu Kräften gekommen, ist Nancy von dem Willen beseelt, mehr über die Bolets, die Todesumstände und vor allem die Erbschaft zu klären. Der Sonderling Bolet, der unter anderem Glasaugen sammelte, soll nämlich auch den legendären Kristallschädel in seinem Nachlass haben. Könnte der Vorfall etwas damit zu tun haben? Und welche Geheimnisse verbirgt der angrenzende Friedhof?

Manchmal dreh ich mich

Bei ihrer Spurensuche bewegt sich Nancy durch vorgerenderte 2D-Screens, die mit Richtungs-/ Ausgangspfeilen durchlaufen werden. Aus der Ego-Perspektive erkundet man auf diese Weise in Myst-Manier die verschiedenen Locations, die allesamt recht sauber texturiert und ansehnlich sind. Einige wenige Positionen bieten eine Drehmöglichkeit, damit Nancy sich umschauen und gegebenenfalls hinter ihr liegende Details wahrnehmen kann. In den Video- bzw. Dialogsequenzen wird ebenfalls gut gerenderte Grafik geboten, wenngleich es manchmal etwas milchig wirkt. Die an sich starre Optik wird durch insgesamt spärlich gesetzte Animationen aufgelockert: Mal flackert eine Kerze, mal bewegt sich ein Vorhang oder etwas Regen fällt. Zudem sind Dinge wie zum Beispiel das Öffnen von Türen nicht animiert, sondern werden grafisch ruckartig wiedergegeben.

Eine einleitende Videosequenz gibt es nicht; man startet unmittelbar ins Abenteuer und findet sich nach kurzer Kamerafahrt bereits vor der Tür des Herrenhauses wieder.

Die Charaktere sind zwar recht lebendig gezeichnet, die Lippensynchronität bleibt manchmal jedoch etwas auf der Strecke; der eine oder andere Gesprächspartner bewegt zwar den Mund zum Gesprochenen, jedoch nicht immer passend und zum Teil auch, wenn die Sprachausgabe bereits zu Ende ist.

Das gehört zum guten Ton

Die Synchronisation ist gut gelungen. Alle Sprecher setzen ihren jeweiligen Charakter gut in Szene und sind bestrebt, über Betonung und Sprechrhythmus für Lebendigkeit zu sorgen. Die Hintergrundmusik ist, wenn sie zu hören ist, abwechslungsreich und reicht von ruhigem Jazz bis zu hektischerer Spannungsmusik. Doch immer wieder ist die musikalische Untermalung etwas zu dezent bzw. entfällt ganz.

Mysteriös: Viel Klicken und genau Zielen

Die Steuerung der Protagonistin ist recht simpel gehalten. Der Mauszeiger zeigt über Lupen- oder Handsymbol interaktive Stellen an und dient ebenso dazu, die Ausgänge zu finden und weiterzugehen. Die bereits erwähnte Rundumsicht ist nur selten vorhanden, das heißt in der Regel bewegen wir uns statisch. Ein Haderpunkt hierbei: Da die Locations häufiger aufgesucht werden müssen und die Orientierung ein Teil des Rätseldesigns ist, klickt man sich stellenweise wiederholt durch schier endlose Screens. Hier wäre eine im späteren Verlauf zu erschließende Mini-Karte hilfreich gewesen.

Nancy Drew: Die Legende des Kristallschädels wirft den Spieler zwar ohne viel visuellen Pomp in das Abenteuer, bietet aber Einsteigern eine probate Orientierungshilfe im Nancy-Universum: Zu Beginn landen wir direkt auf Nancys Schreibtisch, der als „Start-Center“ fungiert und Neulingen Grundsätzliches zur Bedienung und zum Schwierigkeitsgrad erläutert. Ebenso kann man sich hier einen Eindruck vergangener Abenteuer verschaffen. Von hier aus kann der Abenteurer dann selbst entscheiden, wann er Nancy über das Flugticket-Symbol nach New Orleans reisen lässt.

In Dialogen hat Nancy verschiedene Frag- bzw. Antwortmöglichkeiten, die in klassischer Manier unten links aufgeführt werden und anzuklicken sind. Hier stört die etwas zu geringe Toleranz, wenn man den Mauszeiger nicht absolut genau auf einen bestimmten Satz oder einen Scrollbalken positioniert: Die Eingabe/ Auswahl wird nicht erkannt; man wird also etwas zur Pixelgenauigkeit erzogen und sucht in einigen Moment verzweifelt den „Ausgang“ aus einem Dokument oder einem Menü.

Neben der freien Speicherfunktion des Spiels bietet Nancy Drew: Die Legende des Kristallschädels eine automatische Speicherfunktion vor den meisten Mini-Games. Sollte man also aus Zeit- oder Geschicklichkeitsgründen versagen, so startet man erneut kurz vor dem Minispiel.

Von Teen(ior) bis Senior

Bei den Rätseln stellt sich zum ersten Mal die Frage, ob die Freigabe ab 6 Jahren nicht auf 12 Jahre erhöht werden sollte. Die grauen Zellen werden recht häufig sehr unterschiedlich hoch gefordert und bieten für (fast) jeden Anspruch etwas. Zu Beginn des Spiels kann man sich zwischen dem Junior- und dem Senior-Modus entscheiden. Im Wesentlichen wartet der Junior-Modus mit einer praktischen Checkliste auf, die kurz und knapp die wichtigsten Aufgabenteile vor Augen führt. Neben den üblichen Inventar- und Manipulationsrätseln gibt es zunächst einmal Minispiele, wie z.B. das Shooter-artige Sprühen mit Insektizid auf eine Wespenarmee. Gleichzeitig wimmelt es von Dekodier- und Verschieberätseln, die das logische Verständnis fordern. Eine weitere Herausforderung sind akustische Rätsel und Geschicklichkeitseinlagen.

Über allem steht ein nichtlinearer Anspruch, d.h. die meisten Rätsel sind unabhängig vom Plot lösbar und eröffnen sogar einige optionale Ziele. So ist es z.B. interessant, alle 25 Glasaugen in Rätseln zu sammeln, um ein übergeordnetes Meta-Rätsel lösen zu können. Einige dieser Augen hat der verrückte Sammler Bolet im Haus verstreut, andere ""verdient"" man sich in Rätseln.

Ein häufiges Element ist das mehrmalige Hin- und Herlaufen zwischen verschiedenen Locations. So muss z.B. der Friedhof immer wieder durchlaufen werden, um einzelne Rätseletappen zu lösen. Ein wenig Geduld sollte man dafür mitbringen, da sich hier das bereits erwähnte Durchklicken der Levelausgänge häuft.

Eine kleine Rätselhilfe wurde zusätzlich eingebaut: Es ist jederzeit möglich, Freund Ned über das Telefon anzurufen. Manchmal hat dieser eine hilfreiche und weiterführende Idee. Eine ebenso erfrischende Abwechslung ist der Teil, der mit Bess, Nancys Freundin, spielbar ist.

Zusammenfassend ist die Rätseldichte sehr gut, bietet eine angenehme Varianz und einen abwechslungsreichen Schwierigkeitsgrad, der die Spielzeit ohne Probleme über 15 Stunden bringen dürfte.

Nicht für die ganz Kleinen

In Sachen Atmosphäre keimt zum zweiten Mal die Frage auf, ob die Altersempfehlung nicht mindestens bei 12 Jahren liegen sollte. Es handelt sich zwar nicht um ein Grusel-Adventure mit Schocker-Effekten, die mysteriöse Stimmung ist jedoch gut in Szene gesetzt und hält eine gewisse Anspannung aufrecht. Gleich zu Beginn wird man durch die von einem Unwetter eingehüllte düstere Villa auf die geheimnisvolle Kulisse eingestimmt, die sich im Friedhof und im Bayou entsprechend fortsetzt. Auch hier steckt das Adventure nicht mehr ganz in Teenager-Schuhen, sondern kommt schon recht erwachsen daher.

Gerade weil an manchen Stellen wenig oder keine Musik zu hören ist, erschrickt man schon, wenn es an der Tür bollert oder der Wind pfeift. Der Spannungsbogen spannt sich kontinuierlich, da das Ableben des Onkels erwartungsgemäß immer mysteriöser und geheimnisvoller wird, je weiter man in die Geschichte eintaucht. Der Atmosphäre abträglich kann aber das Stakkato-Geklicke durch einige Szenen sein, welches zudem durch den empfindlichen Mauszeiger etwas fordert.

Fazit

Nancy Drew - Die Legende des Kristallschädels ist ein guter Auftakt der Nancy-Drew-Reihe bei uns und dürfte sich auch hier Fans sichern können: Gute Rätsel, spannende Story und lange Spielzeit sind Stärken, die sich sowohl der Genre-Neuling, als auch der erfahrene (und erwachsene) Abenteurer gefallen lassen darf. Ein wenig Fingerspitzengefühl und Geduld sollte man jedoch mitbringen, um sich durch New Orleans zu bewegen; ebenso darf es akustisch nicht zu genau nehmen, wenn es um Musik und Dialoge geht.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Selbst mit Die drei Fragezeichen groß geworden, bringt man Gegenstück Nancy Drew erstmal in die Ecke Teenager-Detektiv für die weibliche Zielgruppe. Doch weit gefehlt: Die Legende des Kristallschädels ist ein reifes Adventure, welches sich nicht hinter den Adventures für die Großen verstecken muss und mit zahlreichen Pluspunkten aufwartet. Das deutsche Debüt kann man daher als recht anständig bezeichnen. Ein wenig Verbesserungspotenzial ist jedoch noch bei der Steuerung vorhanden; ebenso würde man sich über den einen oder anderen Video-Happen freuen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Spannende Story
  • Lange Spielzeit
  • Interessante Rätsel
  • Wenige Animationen
  • Hintergrundmusik nicht durchgängig
  • Hakelige Steuerung