Die Umsetzung von Comic-Lizenzen hat bei Telltale Games Tradition. Schon Bone, das Erstlingswerk der Kalifornier, basierte auf Comicbüchern. Und auch die bisher erfolgreichste und größte Serie, The Walking Dead, hat dort ihren Ursprung. Dass man sich allerdings an eine weltbekannte und zudem Jahrzehnte alte Figur wie Batman herantraut, die zudem eine riesige, generationsübergreifende Fangemeinde mitbringt, ist neu. Was Telltale Games aus diesem Stoff gemacht hat, erfahrt ihr im Test.
Bruce Wayne ist Batman, Batman ist Bruce Wayne. Während in früheren Verfilmungen, Comics und Spieladaptionen hauptsächlich der dunkle Ritter im Vordergrund stand, stützt sich Telltales Erzählung zusätzlich in hohem Maße auf die Figur Bruce Wayne. Zentraler Bestandteil der Geschichte sind auch die Schatten seiner eigenen Vergangenheit, seine Rolle als Geschäftsführer von Wayne Enterprises und sein persönliches Umfeld. Natürlich dürfen auch Techniker Lucius und Diener Alfred nicht fehlen. Durch die oftmals ausführlichen Dialoge wird ein sehr persönliches Bild des Milliardärs gezeichnet. Dies fließt auch ins Gameplay ein, wenn der Spieler zum Beispiel entscheiden muss, ob er ein Treffen mit einer Journalistin als Batman oder als Bruce wahrnimmt. Überhaupt haben einige der Entscheidungen, vor allem in den letzten beiden Episoden, durchaus Einfluss auf den Ausgang der Geschichte. Zwar entwickelt diese sich nicht komplett in eine andere Richtung, die Auswirkungen sind aber dennoch spürbar.
Ein Großteil des Spielprinzips ist bereits aus anderen Telltale-Reihen bekannt. Mit den WASD-Tasten wird Batman durch die Szenen gesteuert, mit der Maus können Objekte untersucht werden. In Actionszenen kommen Quicktime-Events zum Tragen, bei denen innerhalb einer vorgegebenen Zeit bestimmte Tasten oder Tastenkombinationen gedrückt werden müssen. Diese QTEs sind meist fair und im ersten Versuch zu schaffen, einige Tastenkombinationen, wie zum Beispiel das gleichzeitige Drücken der Umschalt- und Q-Taste sind allerdings unglücklich gewählt, da die Tastatur-Grundstellung im selben Moment sowohl nach oben als auch nach unten verlassen werden muss und die Tasten ergonomisch in einem ungünstigen Winkel zueinander liegen. Zudem passiert es in der Hektik leicht, dass dabei eine falsche Tastenkombination erwischt wird, sodass stattdessen zum Beispiel das Steam-Overlay-Menü geöffnet wird, was die Maus im Spiel deaktiviert.
Neu hinzugekommen ist eine Funktion, bei der zwei Objekte in der Spielwelt miteinander verbunden werden können. Dazu wird ein Bereich angewählt und eine Schaltfläche 'Verbinden' erscheint. Wählt man diese an, kann eine Linie von dort bis zu einem anderen Punkt gezogen werden, wo 'Miteinander verbinden' eingeblendet wird. Dieses Feature wird auf zweierlei Weise genutzt. Zum einen kann Batman etwa beim Untersuchen eines Tatorts mehrere dieser Verbindungen erstellen und anhand dieser Erkenntnisse einen Tathergang detailliert rekonstruieren. Die andere Möglichkeit ist, Angriffe auf mehrere Gegner vorzuplanen. Hier werden auszuschaltende Gegner mit Objekten innerhalb der Szene verbunden. Sobald alle nötigen Verbindungen stehen, startet dann die Actionsequenz, in der Batman entlang des vorgegebenen Laufwegs Gegner für Gegner ausschaltet. Letztere Sequenz ist dann wieder durch Quick-Time-Events angereichert. Für Adventure-Spieler ist dies eine willkommene Ergänzung zum herkömmlichen Spielprinzip der Telltale-Spiele, weil für die Planungen Spieltempo herausgenommen und der Verstand gefordert wird.
Das Spiel kommt mit einer ausgezeichnete englischen Sprachausgabe, bei der viele bekannte Telltale-Sprecher wieder zum Einsatz kommen. Sowohl die Betonungen als auch die Sprachregie sind wie gewohnt erstklassig und die Stimmen passen gut zu den Figuren. Zusätzlich enthält der Titel deutsche Untertitel, die professionell übersetzt, allerdings stellenweise unglücklich implementiert sind. So ragt der Text des Öfteren über die Schaltflächen hinaus und manche Objekte und Lokationen sind falsch bezeichnet. Eine Kamera heißt hier zum Beispiel 'Frühstück'. Das sorgt für den einen oder anderen Lacher, stört aber nicht wirklich die Atmosphäre. Die Sounduntermalung ist, wie bei Telltale üblich, ebenfalls gut gelungen und passend auf das Thema abgestimmt. Musik und Soundeffekte tragen unaufdringlich zur Atmosphäre bei.
Batman - The Telltale Series nutzt eine überarbeitete Version der hauseigenen Engine. Damit fällt die Unterstützung für Windows XP und Vista weg, Windows 7 als 64-Bit-Version ist die neue Mindestanforderung. Im Gegenzug hat sich grafisch einiges getan. Insgesamt sieht die Darstellung schöner und satter aus, als noch bei The Walking Dead oder Tales from the Borderlands. Auch die Animationen der Figuren sind flüssiger und die Gesichtsregungen der Charaktere feiner. Der insgesamt düster gehaltene Stil passt wunderbar zum Thema, die Figuren sind glaubwürdig gezeichnet. Telltale hat sich die Comic-Lizenz sehr zu Herzen genommen. Obwohl der Stil des Spiels am ehesten mit den Dark-Knight-Filmen zu vergleichen ist, haben die Kalifornier es geschafft, ihre eigene Interpretation einfließen zu lassen, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen.
Dass bei einem Titel wie Batman Action im Vordergrund steht, sollte klar sein. Dass Telltale jedoch zusätzlich einen Weg gefunden hat, starke Emotionen in die Erzählung einfließen zu lassen, ist ein guter Mehrwert. Technisch ist Batman - The Telltale Series auf dem aktuellen Stand. Grafik und Sound harmonieren, das Gameplay ist an manchen Stellen durchaus abwechslungsreich und die Geschichte nimmt viele, teilweise unerwartete Wendungen. Dadurch entsteht ein sehr rundes Gesamtpaket. Wer nichts gegen Quick-Time-Events einzuwenden hat, dem sei dieses Spiel wärmsten zu empfehlen.
Ich finde es immer wieder erstaunlich wie gut es Telltale schafft, spannende Geschichten zu erzählen - ganz gleich, welche Lizenz sie vorgesetzt bekommen. So saß ich auch bei Batman so einige Male mit offenem Mund vor dem Bildschirm und dachte nur noch "oh mein Gott!". Passend dazu auch gleich noch eine Warnung: Das Spiel ist nichts für zart besaitete Gemüter, hier geht es teilweise recht heftig zur Sache. In Sachen Gameplay gefallen mir die neuen Kombinationsaufgaben, in denen man Gegenstände der Szene logisch miteinander kombinieren muss, welche die übliche Telltale-Formel aus Entscheidungen und Quick-Time-Events etwas auflockern, auch wenn sie viel zu selten vorkommen und eigentlich viel zu leicht sind... aber bei Telltale freut man sich auch über kleine Dinge. Die Grafik weiß dank verbesserter Engine zu gefallen und die Steuerung via Gamepad klappt perfekt. In Kürze: Story hui, Gameplay Telltale-typisch pfui.
Mit Batman - The Telltale Series beweisen die Kalifornier mal wieder ein gutes Händchen bei der Auswahl ihrer Lizenzvorlagen. Das Spiel unterhält über weite Strecken ausgezeichnet. Einige Dialoge hätte ich mir zugunsten eines Ticks mehr Gameplay ein wenig kompakter gewünscht. Das ist allerdings Meckern auf sehr hohem Niveau, denn insgesamt ist das, was Telltale Games hier abgeliefert hat, wirklich beachtlich. Ich freue mich schon jetzt auf die zweite Staffel, deren finale Episode bereits in den Startlöchern steht.
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