Der italienische Entwickler LKA.it veröffentlichte sein Erstlingswerk The Town of Light bereits im Februar 2016 als PC-Version, obwohl eine flexible Indiegogo-Kampagne 2014 nur wenig Geld einbrachte. Im Juni dieses Jahres erschien eine überarbeitete Version, die das Spiel erstmals Konsolenspielern zugänglich macht. Auch PC-Spieler können von der neuen Fassung profitieren. Diese beinhaltet neben neuen Story-Elemente und der Möglichkeit Tagebuchseiten der Protagonistin zu finden, auch eine deutsche Sprachausgabe, andere Musik, mehr Gegenstände und Details sowie grafische und Benutzeroberflächen-Erweiterungen. Wir haben uns die Enhanced Version für die Playstation 4 näher angesehen und berichten euch darüber in unserem Test.
12. März 1938 - Die 16-jährige Renée wurde aus ihrer Welt herausgerissen, eingesperrt und allem beraubt. Ihr einziger Fehler war, dass sie ihren Platz in der Welt nicht kannte. Laut dem Polizeipräsidium sei sie eine Gefahr für sich selbst und andere.
Jahre später besucht Renée, die als Erwachsene noch immer an den Symptomen ihrer psychischen Erkrankung leidet, den Ort, an dem sie den Großteil ihrer Kindheit und Jugend verbracht hat. Hier will sie endlich Antworten auf ihre Fragen finden. Daher begibt sich der Spieler in die ehemalige Nervenheilanstalt „Ospedale Psichiatrico di Volterra“ in Italien.
Die Zeichnungen von Operationstechniken sind nichts für schwache Nerven und hängen auch an den Wänden
Die Entwickler haben damit einen Ort gewählt, der wirklich existiert und von der italienischen Regierung erst in den 70er Jahren geschlossen wurde. Eine sorgfältige Rekonstruktion der Nervenheilanstalt, die Renée immer weiter erkundet und Einblicke in die damaligen Verhältnisse sorgen für den eigentlichen Horror des Spiels, welches ohne Jump Scares eine beklemmende Atmosphäre aufbaut. Das Wissen, dass das Spiel von wahren Geschichten inspiriert wurde, tut sein übriges.
Im Laufe der fünf bis sieben Stunden Spielzeit nehmen die Grausamkeiten stetig zu und auch das Ende fällt entsprechend drastisch aus. Die Altersfreigabe ab 16 Jahren oder laut PEGI ab 18 Jahren hat daher seine Berechtigung. The Town of Light richtet sich ausschließlich an erwachsene Spieler.
Das Spiel wird aus der First-Person-Sicht im 360-Grad-Modus gespielt. Wer unter Motion Sickness leidet, könnte eventuell Probleme bekommen. Die Anpassung der Empfindlichkeit der Kamerabewegung ist im Menü möglich. Auch in der Playstation 4-Version kann eine Art Mauszeiger zugeschaltet werden. Dieser ist sehr klein und unscheinbar geraten und häufig schlecht zu erkennen. Er verändert sich, wenn er auf Stellen trifft, an denen es etwas zu entdecken gibt. Die dauerhafte Anzeige des Mauszeigers kann im Menü abgeschaltet werden. Dann ist dieser nur noch sichtbar, wenn er auf spielrelevante Gegenstände trifft. Jene Option hat sich im Test als die bessere Wahl gezeigt.
Das Speichern erfolgt automatisch nach jedem der 15 Kapitel, wobei die einzelnen Kapitel zum Teil nur eine Länge von wenigen Minuten haben. Die Ladezeiten zwischen den Kapiteln sind lang, sodass der Spieler des Öfteren vor einem schwarzen Bildschirm sitzt. Ansonsten läuft das Spiel auf der normalen Playstation 4 ordentlich. Die Texte aus den Dokumenten, die überall im Spiel zu finden sind, haben größtenteils keine Sprachausgabe erhalten. Stattdessen werden sie in der oberen rechten Bildschirmecke eingeblendet. Leider sind die Texte sehr klein und nur schwer zu entziffern. Während des Spielens gemütlich auf der Couch zu liegen, wird daher schwierig. Stattdessen ist bei Texteinblendungen nahe an den Bildschirm zu rücken, was sich nervig auswirkt. Die Tagebucheinträge kann sich der Spieler dagegen optional vorlesen lassen.
Die Grafik ist in sich stimmig. LKA.it hat die Nervenheilanstalt gekonnt nachgebaut. Allerdings fehlen gerade in den Außenbereichen einige Bewegungen. Zwar passt die Einsamkeit zum Spiel, aber hier und da ein Vogel oder sich im Wind bewegende Gegenstände hätten die Umgebung realistischer wirken lassen. Schön ist die Möglichkeit, sich draußen auf die Bänke und Geräte eines Spielplatzes setzen zu können. Die Geräte können sogar benutzt werden. Auch der Rundumblick ist während des Sitzens möglich. Solche Kleinigkeiten sind natürlich nicht spielrelevant, tragen aber zur Stimmung bei. Negativ fällt da die Wiederholung von Gegenständen auf. So ist in sämtlichen Mülleimern eine Flasche zu finden und die sieht immer gleich aus.
Der Verfall des Gebäudes wurde gut dargestellt. In den Innenräumen wiederholen sich Gegenstände, wie Papierstapel und Bücher. Ansonsten ist der Ort in düsteren Tönen gehalten, wobei die Helligkeit im Menü eingestellt werden kann. Eine Taschenlampe steht bei Bedarf immer zur Verfügung. Sämtliche Türen, Schubladen und Fensterläden lassen sich öffnen und schließen. Auch dies ist häufig ein netter, nicht spielrelevanter Zusatz.
Alte Fotos, Zeichnungen und Bilder an den Wänden sind überall zu finden. Sie zeigen auf, wie es damals in der Nervenheilanstalt war und können sich in Nahansicht angeschaut werden. Zoomen und drehen der Bilder ist ebenfalls möglich. Selbiges gilt für Dokumente und Gegenstände, die im Spiel gefunden werden.
Die Rückblenden werden durch die Ausführung von Aktionen ausgelöst. Manchmal reicht es, dafür eine Liege anzuklicken, in anderen Fällen will Renée unbedingt ein Ziel erreichen. Zum Beispiel möchte sie ihre Puppe an einen gemütlichen Ort bringen. Dies sorgt für einen Wechsel des Kapitels und der damit verbundenen Zwischensequenz. Solche Rückblenden werden in der Regel mit Zeichnungen dargestellt und sind entsprechend mit einer Sprachausgabe und der passenden Musik untermalt. Die Zeichnungen passen nicht zur restlichen Grafik. Da sie aber in der Vergangenheit liegende Szenen zeigen, wird dadurch eine Trennung zwischen Gegenwart und Vergangenheit erreicht. Außerdem gibt es spielbare Rückblenden, die in schwarzweiß gehalten sind und den Spieler auf einen vorgegebenen Weg führen. Diese verstärken noch mehr die Atmosphäre. Denn sie zeigen den grausamen Alltag der Patienten in der Anstalt und die dortigen Behandlungsmethoden. Jenes sorgt beim Spieler durchaus für Entsetzen und Fassungslosigkeit.
Die Sprecherrolle von Renée hat die deutschsprachige Let's Playerin Pandorya übernommen. Größtenteils gelingt es ihr, der Stimme von Renée die benötigten Emotionen zu verleihen. Auch Gronkh hat eine kleine Sprecherrolle bekommen. Insgesamt ist der Synchronisation zwar anzumerken, dass sie nicht von professionellen Sprechern übernommen wurde, dennoch kann die Sprachausgabe als gelungen angesehen werden.
Die Musik wird in besonderen Momenten eingesetzt, um die Atmosphäre aufzubauen. Das Klavier passt dabei gut zu der bedrückenden Stimmung, aber auch eine Sängerin kommt zum Einsatz. Während des Erkundens hält sich die Musik dezent im Hintergrund. Häufig ist sie gar nicht hörbar und die Stille wird nur durch die eigenen Schritte unterbrochen.
The Town of Light versteht sich als ein Erkundungsspiel, auch unter dem Begriff Walking Simulator bekannt. Eine passende Bezeichnung, denn genau das passiert den Großteil des Abenteuers. Der Spieler läuft über das Gelände der Anstalt und erkundet dieses. Meistens gibt es eine konkrete Aufgabe zu lösen, die den Adventurespieler lediglich müde lächeln lässt. Abseits des Weges können Dokumente oder Bilder gefunden werden. Außerdem sind auf dem Gelände die Tagebucheinträge von Renée verstreut. Diese geben Einblicke in ihr Leben vor der Anstalt. Manchmal kann ein Gegenstand zu einem anderen Ort transportiert werden, wobei kein Inventar vorhanden ist. Oder aber der Spieler legt einen Schalter um, um für Licht zu sorgen. Richtige Rätsel gibt es jedoch nicht. Die größte Herausforderung ist es, den nächsten benötigten Gegenstand oder ein weiteres Dokument zu finden, um neue Areale zugänglich zu machen. Denn die erkundbaren Bereiche sind großzügig angelegt und viele Räume dienen nur zur Vergrößerung der Anlage. Dennoch kann sich der Spieler nicht verlaufen. Die einzelnen Stationen werden nämlich erst im Laufe des Spiels geöffnet.
An wenigen Stellen darf zwischen mehreren Dialogoptionen gewählt werden. Diese beeinflussen geringfügig den Verlauf der nachfolgenden Kapitel. Hauptsächlich ändert sich Renées Wahrnehmung, die ständig zwischen Fiktion und Realität wechselt. Zum Ende laufen die Handlungsstränge wieder zusammen. Welche Möglichkeiten der Spieler noch nicht getestet hat, ist in der Kapitelübersicht zu sehen. Die Speicherung zu Beginn der Kapitel ist positiv anzumerken, denn so kann der Spieler recht schnell die unterschiedlichen Verläufe durchspielen und das jeweils nötige Kapitel auswählen. Auch die Spielzeit wird dadurch angenehm verlängert, ohne unnötig gestreckt zu wirken.
The Town of Light ist kein Spiel für schwache Nerven. Wer mit psychologischem Horror nichts anfangen kann, braucht sich nicht weiter mit dem Spiel zu beschäftigten. Ohne viel Blut zu vergießen, wird eine beklemmende Atmosphäre aufgebaut, die sich bis zum Ende ständig verstärkt. Rätsel sollte der Spieler nicht erwarten und selbst für ein Erkundungsspiel gibt es häufig wenig relevante Dinge zu entdecken. Viele Räume können durchlaufen werden, ohne einen wichtigen Gegenstand zu sehen. Das ist schade, doch insgesamt bekommt der Spieler genug Informationen geboten und da die Größe des Gebäudes dem Vorbild ähneln soll, ist diese angemessen. Auch Grafik und Ton überzeugen die meiste Zeit. Somit ist hier jeder richtig, der eine ernste Story mit passendem Ende sucht.
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