Zwei Welten, zwei Helden, eine Verbindung. Im dritten Teil der Dreamfall-Reihe des norwegischen Entwicklers Red Thread Games, Dreamfall Chapters, wird viel geträumt und das Gleichgewicht geachtet. Dafür wird immer mal wieder zwischen einer Zukunft mit viel Technologie und einer Art High-Fantasy-Welt mit Magie gewechselt. Zoë Castillo und Kian Alvane müssen in ihren jeweils eigenen Welten für ihre Mission kämpfen und dabei viele Entscheidungen treffen.
Nach den Geschehnissen des zweiten Teils, die zu Beginn noch einmal nacherzählt werden, findet der Spieler sich als Zoë in der futuristischen Stadt Propast wieder, in der viele Menschen der aus dem Vorgänger bekannten Dreamachine verfallen sind. Mit diesem Gerät kann der Realität entflohen werden, um wie mit einer VR-Brille Träume so zu erleben, als wären sie echt. Doch Zoë kann noch ohne Gerät träumen, was auch gleichzeitig mit ihren besonderen Kräften zusammenhängt.
>In ihrem wiederkehrenden Traum begegnet sie seltsamen Gestalten wie Abnaxus, der mit ihr in Rätseln spricht und von einem Ersten Träumer erzählt. Währenddessen muss Kian, gebrandmarkt als Volksverräter, mit dem ehemaligen Feind kollaborieren, um die magischen Wesen von Marcuria zu retten. Wie es bei Fortsetzungen so ist, wird es natürlich von Vorteil sein, die Vorgänger zu kennen, denn hier kommen einige bereits bekannte Figuren vor. Unter anderem wäre da Krähe, Sidekick auf Lebenszeit, der sich auch hier nie um einen schnippisch-witzigen Kommentar bringen lässt. Auch nicht ganz unwichtig sind da noch Brian Westhouse und Roper Klacks. Allerdings werden die beiden bekannten Welten auch um neue Charaktere bereichert, die einen festen Platz in dieser Geschichte haben.
Neben Likho und Enu, zwei magischen Wesen und Teil einer Widerstandsgruppe, gibt es noch eine dritte spielbare Figur namens Saga, deren Rolle im Laufe des Spiels größer wird. Doch selbst wenn der Spieler die ganze Story kennt, wird er am Ende wohl mit ein paar offenen Fragen zurückgelassen. Absicht?
Propast und Marcuria könnten optisch nicht unterschiedlicher sein; futuristisch gegen mittelalterlich mit steampunkigem Anstrich. Und doch geben sie dem Spieler kein völlig unterschiedliches Gefühl. Beide haben düstere, aber auch witzige Seiten. Letztere zeigen sich oftmals durch schlüpfrige Kommentare und eindeutige Anspielungen. Daneben gibt es allerdings auch offensichtlichere Parallelen wie eine Organisation beziehungsweise Armee, welche die jeweilige Stadt unter Kontrolle hält.
Wie auch die Spielwelt ist die Technik des Spiels selbst irgendwo zwischen alt und neu. Die Grafik der Umgebungen und Charaktere wirkt an sich erst einmal relativ zeitgemäß, doch ein zweiter Blick zeigt, dass die Animationen sehr sperrig wirken, die Gesichter kaum Emotionen zu zeigen imstande sind. Das kann den Spieler leicht aus eben jenen Szenen werfen, in denen es an die Gefühle gehen soll. Eine schluchzende Frau, die dabei nur ein starres Gesicht hat und den Mund seltsam auf- und zuklappt, löst möglicherweise eher ein Lachen aus. Auch Actionszenen leiden darunter und wirken kaum so wie sie sollen.
Das Speichersystem ist ebenfalls etwas irreführend, da der Spieler nicht wirklich "speichern & beenden" kann, wie er möglicherweise vermutet. Die Checkpoints sind fest vorgegeben und werden durch ein Diskettensymbol angezeigt. Wer mitten im Geschehen aus dem Spiel steigt, wird womöglich Teile des Spiels noch einmal spielen müssen. Aber: neben kleinen Clippingfehlern und verwaschener Texturen unwichtiger Kneipenschilder gab es in diesem Testdurchlauf keine groben Fehler, die ein Spielen unmöglich machten und ein Laden alter Spielstände erforderten. Und die Steuerung ist zufriedenstellend. Außerdem ist Technik nicht alles.
Musik, Sound und, falls vorhanden, Voice overs sind auch wichtige Aspekte, die das Spielerlebnis bereichern oder eben auch schmälern können. Die deutschen Sprecher haben auch hier wieder das berüchtigte Problem, dass sie an sich zwar gut sind, aber teilweise einfach falsch besetzt wurden oder nicht die richtige Arbeitsatmosphäre hatten. Im Gegensatz zu den englischen. Sowieso funktionieren manche Sprüche, Witze und Wortspiele im Englischen wesentlich besser als in der deutschen Übersetzung. Denn diese mussten teilweise völlig umgeschrieben werden, weswegen es verwirren kann, das Spiel mit englischer Sprachausgabe und deutschen Texten zu spielen.
Wer damit dennoch zurechtkommt, wird zudem noch darüber erfreut sein, dass der das Ohr ansprechende Rest (ebenfalls) gut gelungen ist. Die größtenteils passende Musik geht selbst nach vielfacher Wiederholung nicht auf die Nerven. Die Soundkulisse untermalt das Erlebnis und passt stets gut zur Szenerie.
Ähnlich wie in den Telltale-Spielen gibt es auch hier viele Entscheidungen zu treffen, die von banal bis gravierend reichen. Oft sind die Konsequenzen erst einige Kapitel später und auch an mehreren Stellen spürbar. Dass eine Entscheidung Einfluss auf das Geschehen nimmt, zeigt ein Symbol an, welches das Gleichgewicht entweder nach links oder rechts drehen lässt. Dabei ist die Richtung an sich nicht wichtig, da es keine Übersicht gibt, wie oft sich das Rad wohin gedreht hat.
Allerdings gibt es am Ende jeden Buches eine Statistik, wie viele Spieler in Prozent ebenfalls die gleiche Entscheidung gefällt hatten. Dies kann übrigens auch schon während der Auswahlmomente angezeigt werden, um einem die Entschlussfassung zu erleichtern. Hilfreich bei diesen Entscheidungen als auch bei einfachen Dialogen sind die Gedanken der Protagonisten. Zu jeder Antwortmöglichkeit gibt es einen inneren Monolog über das Ausgewählte. Somit kann der Spieler möglicherweise vorausdeuten, in welche Richtung ein Gespräch weiter verläuft und sich besser entscheiden, wenn er nicht sowieso jede Antwortoption auswählen kann oder muss.
Vorweg gesagt sind die Rätsel an sich eigentlich nie zu schwierig. Es ist manchmal nur umständlich, auf die Lösung zu kommen, da sie stellenweise zu konstruiert wirkt. Und oft kann das Ziel aus den Augen verloren werden, da die meiste Zeit des Spiels die gesamte Stadt zur Verfügung steht und kleine Details, die Teil des Lösungsweges sind, schnell übersehen werden können.
Dann wiederum gibt es die Rätsel in den Intermezzi, die nicht wirklich welche sind und größtenteils echt nervig sein können. Zum wiederholten Male müssen in einem kleinen Haus mehrere Teile zusammengesucht werden, um weiterzukommen. Zum Glück gibt es aber auch Rätsel, die clever sind und Spaß machen. Die Vielfalt der Rätsel ist zudem auch nicht zu verachten.
Die Geschichte ist wirklich interessant und macht, sofern man sie nicht schon kennt, hungrig auf die Vorgänger. Trotz einiger technischer Schwächen und manchmal schwer durchschaubarer Storypunkte ist das Gesamtpaket eines, das sich sehen lassen kann. Leider reißen einen die Intermezzi mit ihrem repetitiven Rätseldesign etwas aus dem Geschehen. Generell verschenkt das Spiel hier und da unnötig etwas von seinem wirklich großen Potential, macht aber dennoch viel Spaß und weiß zu unterhalten.
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