England, 12. Jahrhundert. Auf der Jagd nach Macht und Einfluss entwickeln sich stetig neue Konflikte zwischen unterschiedlichen Regionen, dem Staat und der Kirche. Mitten in diesen turbulenten Zeiten begleitet der Spieler mehrere Charaktere, deren privates Schicksal sich immer wieder überschneidet und das auch von den großen Ereignissen im Land beeinflusst wird. Was in der Romanvorlage Die Säulen der Erde von Ken Follet auf über 1.000 Seiten in sechs Büchern erzählt wird, setzt Daedalic in drei Adventure-Episoden um.
Insgesamt begleitet der Spieler hauptsächlich vier Hauptpersonen: Den Baumeister Tom Builder, dessen Lebenstraum es ist, eine Kathedrale zu errichten. Den im Wald aufgewachsenen Jungen Jack, dessen Leben durch die Begegnung mit Tom Builder eine entscheidende Wendung nimmt. Den Mönch Phillip, der entgegen seiner eigenen Natur zu einer wichtigen Führungsposition in einer Klostergemeinschaft aufsteigt. Und Aliena, eine Tochter aus adeligem Geschlecht, die all ihre Privilegien verliert.
Kernstück der Romanumsetzung ist es, dem Spieler viele Entscheidungen zu überlassen. Nicht umsonst fällt im Zusammenhang mit dem Titel häufig die Bezeichnung „deutsches Telltale“. Besonders interessant ist dies für Spieler, die mit dem Roman vertraut sind. Ihnen ist stets klar, mit welcher Option sie von der Romanvorlage abweichen. Doch auch wer Follets Werk nicht gelesen hat, findet einfach und schnell ins Spiel. Viele Entscheidungen haben einen kleinen oder sogar gar keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf, allerdings kann sich das Verhältnis zwischen Charakteren über das Spiel hinweg ändern. Bei wichtigen Szenen ist es aber möglich, dass eine Figur stirbt und das Ende des dritten Teils nicht mehr miterlebt. Tatsächlich nutzt der Titel Wahlmöglichkeiten geschickt, um die Geschichte voranzutreiben und die Spannung für den Spieler hochzuhalten. Besonders im zweiten Teil erhalten die Entscheidungen mehr Gewicht und es machen sich Auswirkungen aus den ersten Kapiteln zum Teil schmerzlich bemerkbar. Das ist einer der großen Pluspunkte des Titels.
Hinzu kommen Quicktime-Events, bei denen im richtigen Moment geklickt werden muss. Diese wirken aufgesetzt und werden besonders im zweiten Teil ziemlich schwierig während in der letzten Episode wieder einfachere Klickaufgaben warten. Ein weiteres Element sind Gesprächsthemen und Aufgaben, die in einem zweiten Inventar gesammelt und mit Gegenständen oder Personen verwendet werden können. Dieses Mittel sorgt zwar für Abwechslung, kommt aber recht selten zum Einsatz und gerät so besonders im zweiten und dritten Teil leicht in Vergessenheit.
Auch ist es möglich, durch bestimmte Aktionen den aktiven Charakter sterben zu lassen. Direkt danach darf aber wieder am letzten automatischen Speicherpunkt angesetzt werden.
Für Rätselfans bietet Die Säulen der Erde nicht allzu viel. Zwar gibt es ein Inventar und auch mehrere Aufgaben über die Spielzeit hinweg, der Fokus liegt jedoch eindeutig auf Gesprächen und der Geschichte sowie Entscheidungen. Mit einem sehr leichten Schwierigkeitsgrad und stetiger Erinnerung an das nächste Ziel (die dankenswerterweise im Menü abgeschaltet werden kann) sind die Aufgaben auch kaum fordernd. Auf einem Markt muss beispielsweise lediglich eine Wollprobe gefühlte zwei Zentimeter nach rechts gebracht werden. Für Adventurespieler enttäuschend dürfte die Tatsache sein, dass es im zweiten Teil ein Zählspiel gibt, das deutlich an die in der Community sehr kritisch betrachteten Casual-Adventures erinnert. Zudem gibt es gleich zwei Rätsel, die durch simple Mehrfachklicks gelöst werden müssen. Im dritten Part rücken die Aufgaben für den Spieler noch weiter in den Hintergrund. Anweisungen zur Lösung direkt im Spiel sind keine Seltenheit. Dafür nehmen Geschichte und Spannung deutlich mehr Fahrt auf.
Häufig laufen auch längere Passagen vollautomatisch ab. Wer Dialoge überspringen möchte, muss dennoch warten: Häufig werden zunächst zum Teil lange Animationen beendet, bevor es weiter geht.
Ein gutes Element wurde bei Reisen integriert: Auf einer Landkarte werden strategische Entscheidungen getroffen und die Geschichte mit einer anderen Erzählform fortgetrieben.
Um den sehr umfangreichen Roman umsetzen zu können, wurden die einzelnen Kapitel auf ihren Kern reduziert. Das war eine gute Entscheidung, denn selbst auf diese Weise ziehen sich Monologe und Gespräche vor allem in den ersten zwei Dritteln des Spiels vereinzelt etwas in die Länge. Ein schönes Element ist die Integration zusätzlicher Dokumente, die auf Wunsch mehr Hintergrund zu historischen Zusammenhängen und Ereignissen im ursprünglichen Roman geben.
Besonders im zweiten Teil wird aber ein großes Problem der Umsetzung deutlich: Die Geschichte bremst sich sehr häufig selbst aus. Auf die wenigen, stark dynamischen Abschnitte folgt stets eine deutliche Verlangsamung. Der Versuch, Cliffhanger zwischen den einzelnen Geschichtssträngen aufzubauen, hilft hier nicht groß weiter. Auch wichtige Hintergrundinformationen zu Nebencharakteren gehen so verloren: Ohne den Roman gelesen zu haben, wird William Hamleighs großes Interesse an einer engen Bindung zur Kirche in bestimmten Situationen nicht ganz klar. Insgesamt wirkt vor allem der zweite Teil dadurch recht sprunghaft und die Vorlage zu groß für die Umsetzung. Hinzu kommen deutlich sichtbare Logiklücken: Aliena versteckt sich zum Beispiel vollkommen sichtbar hinter einem Brunnen oder entflieht ihren Verfolgern in einer Stadt durch das Verlassen des für die Gegner sichtbaren Bereiches einer Kreuzung.
Demgegenüber stehen clever umgesetzte Abschnitte wie am Ende des zweiten Teils, wenn allein durch die Erzählform und das Setting das Gefühl des inneren Gefangenseins von Aliena perfekt transportiert werden. Wer lange genug durchhält, wird im letzten „Buch“ belohnt: Hier steigt das Erzähltempo nochmals deutlich, die Stränge sind spannender und zeitschindende Aufgaben seltener. Zudem gibt es erneut interessantere Abweichungen vom Originaltext.
Die grafische Darstellung des Spiels hat zwei Seiten. Zum einen überzeugt der handgezeichnete Stil bei den Hinter- und Vordergründen im Großen und Ganzen. Die Schauplätze wirken häufig wie ein Gemälde mit vielen Einzelheiten. Dem gegenüber stehen weniger gut ausgearbeitete Umgebungen, die nicht ganz fertig wirken und die hakelig aussehende Animationen, die besonders in Nahaufnahmen merkwürdig aussehen. Als Spieler wird man das Gefühl nicht los, dass alles etwas steif abläuft und hie und da der letzte Schliff fehlt. Das führt auch dazu, dass beispielsweise bei Dialogen Emotionen nicht passend transportiert werden.
Ein großer Wermutstropfen sind auch Situationen, in denen die Darstellung komplett fehlt. So finden alle Todesszenen aktiver Charaktere in einer Schwarzblende statt und auch bei weiteren Gelegenheiten bleibt der Bildschirm einfach dunkel.
Bei der Buchvorlage wenig überraschend ist der Spielverlauf eher düster und auch mit der ein oder anderen drastischen Situation gespickt. Besonders der zweite und der dritte Teil sparen nicht an expliziten und brutalen Szenen. Die Atmosphäre wird über das Spiel hinweg so insgesamt gut aufrecht erhalten, wenn sie nicht durch Vollbremsungen der Geschichte abnimmt.
Es mag aus marketingtechnischer Sicht lukrativ und sinnvoll sein, Gronkh in ein Spiel zu integrieren – als Schauspieler kann er aber nach wie vor nicht überzeugen. Abgesehen von seiner glücklicherweise sehr kleinen Rolle sind die Rollen gut besetzt und die Sprecher leisten professionelle Arbeit. An einigen Stellen kommen Emotionen oder Sätze jedoch nicht ganz auf den Punkt, was im Gesamtspiel allerdings zu verschmerzen ist. Offenbar wird auch bei großen Produktionen die Zeit im Synchronstudio knapper. Etwas störend sind die stellenweise unnötig langen Pausen innerhalb eines Dialoges, wenn etwa Animationen beendet werden.
Ein großer Pluspunkt fehlt in dieser Besprechung noch: Der Soundtrack. Mit herrlichen Kompositionen, die verschiedene Situationen und Stimmungen perfekt unterstützen, wird hier viel für die Atmosphäre getan.
Wie angekündigt, ist der Titel hauptsächlich ein interaktiver Roman mit einigen Entscheidungsmöglichkeiten. Während das Spiel so nichts für Rätselfans ist, bietet es doch eine insgesamt gute Umsetzung, die hin und wieder unter Längen leidet. Mit dem fantastischen Soundtrack und den wunderschönen Hintergründen schafft Die Säulen der Erde eine gute Atmosphäre, in der sich die Geschichte entfalten kann. Leicht getrübt wird der Eindruck durch Schwarzblenden, unausgereifte Animationen und Schauplätze. Dennoch ist an jeder Ecke sichtbar, mit welch enormer Detailtreue und Leidenschaft an dem Titel gearbeitet wurde. Und wie schwer es war, einen derartigen Wälzer als Spiel auf den Bildschirm zu bringen. Die zum Teil bedeutsamen Entscheidungen des Spielers und das bewusste Verlassen der Pfade der Romanvorlage sind hier ein echter Mehrwert.
Dass Daedalic aus dem mir bekannten und geschätzten Buch ein gutes Spiel machen könnte, habe ich bis zum Spontankauf von Die Säulen der Erde nicht geglaubt. Umso überraschter war ich, als mich dieser Titel sofort in seinen Bann zog. Die einzelnen Charaktere sind individuell gestaltet und bis auf die Sprechrolle von Gronkh in der deutschen Version sehr passend synchronisiert. Auch die musikalische Untermalung kann sich hören lassen. Diese und die Grafik tragen hauptsächlich zur stimmigen, sehr gelungenen Atmosphäre bei. Es war ein schönes Erlebnis, die verschiedenen Protagonisten ein Stück ihres Weges zu begleiten.
„Wie will man daraus ein Adventure machen?“, habe ich mich beim Lesen des Romans die ganze Zeit gefragt. Jetzt habe ich die Antwort – und die kann insgesamt überzeugen. Eben weil das Spiel nicht 1:1 dem Roman folgt und dem Spieler Entscheidungsfreiheiten lässt, hat Daedalic eine ansprechende Umsetzung geschaffen. Doch hier kommt das dicke Aber: Mit dem Wissen, dass dieses Spiel uns höchstwahrscheinlich The Devil’s Men gekostet hat, wirken die aus Adventuresicht großen Unzulänglichkeiten sehr bitter. Was mir in Erinnerung bleibt, ist ein gut gemachter, interaktvier Roman mit Schönheitsfehlern, den ich stellenweise genervt schneller durchgeklickt habe. Und am Ende bleibt die Erkenntnis: Die Säulen der Erde haben wohl The Devil's Men verdrängt. Und das war meiner Ansicht nach ein Fehler.
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