Tief im Inneren der fast nur aus Erde bestehenden Welt Asposien gibt es einen Ort mit so eigenartigen Charakteren und Ereignissen, dass es sich lohnt, mehr als eine Geschichte von dort zu erzählen. Vier Jahre nach dem ersten Teil setzt The Inner World – Der letzte Windmönch die Geschichte von Robert und Laura fort.
Für die beiden sieht es düster aus. Obwohl sie den despotischen Herrscher Conroy von seinem Thron gestoßen und Asposien befreit haben, werden sie nun als Verräter gesucht. Die einzige Chance, sich und alle anderen verfolgten Flötennasen zu retten besteht darin, den letzten Windmönch zu finden. Denn was die Anhänger der Anti-Flötennasen-Bewegung nicht wissen: Durch die Verfolgung entziehen sie sich ihre eigene Lebensgrundlage. So beginnt eine weitere urkomische Reise durch das eigentümliche Land, das erschreckend viele Parallelen zu aktuellen Ereignissen in unserer Welt hat. Der Vorgänger muss übrigens nicht gespielt worden sein: Eine sehr gute Zusammenfassung zu Beginn bringt alle Spieler wieder auf den neuesten Stand, enthält dadurch aber logischerweise auch Spoiler zum ersten Teil.
Der letzte Windmönch ist eine grafische Wucht. In detailverliebten und lebendig wirkenden Schauplätzen bewegt sich nicht nur ständig etwas, es gibt auch häufig kleine Details im Hintergrund für aufmerksame Beobachter. So stockt etwa die Wollmaus-Scher-Produktion, sobald sich Robert mit dem Vorabeiter unterhält. Die eigentlich von diesem zu beladende Lore bleibt leer stehen – bis das Gespräch zu Ende ist.
Es sind kleine Details wie dieses, die den Titel über den Genrestandard hinausheben und viel zur ohnehin schon fantastischen Atmosphäre beitragen. Die wundervoll flüssigen, extrem kleinteiligen und unzähligen Charakter- und Umgebungsanimationen tun ihr Übriges, um wie beim ersten Teil eine große Begeisterung für die Präsentation auszulösen.
Der stets pointierte, erfrischende Humor setzt meist auf kleine popkulturelle Anspielungen sowie Seitenhiebe auf das Zeitgeschehen. Hinzu kommen Brüche mit der vierten Wand, bei denen die Charaktere den Spieler oder Elemente des Adventures direkt ansprechen („Na Hack, möchtest du ein bisschen ins Inventar?“). Auch nimmt sich die Erzählung an vielen Stellen selbst auf die Schippe.
So gibt das Orakel zu Beginn des Spiels etwa folgende Richtungsanweisung zur alles umspannenden Mission, bei der Robert auf die andere Seite Asposiens muss: „Da fährt, glaube ich, eine Seilbahn von Wollingen aus. Die 8. Mit einmal Umsteigen, so weit ich weiß.“ Solche und andere Situationen werden mit einer ordentlichen Portion Situationskomik gemischt und ergeben mit abgedrehten Charakteren (Bingopony!) ein herrlich unterhaltsames und kurzweiliges Spiel, selbst während längerer Dialoge.
Erneut werden die Zwischensequenzen und Schauplätze mit einem ebenso ansprechenden wie passenden Soundtrack untermalt. Auch das Sounddesign ist wie beim ersten Teil genau auf den Punkt getroffen. Die Sprecher, die bei wiederkehrenden Rollen zum Großteil gleich besetzt wurden, leisten sehr gute Arbeit und verleihen den Charakteren die notwendige Tiefe. So wurden beispielsweise Roberts naive und Lauras sarkastische Art wieder perfekt eingefangen.
Gronkh hat zwar - wohl aus marketingtechnischen Gründen - auch eine Sprechrolle erhalten, fällt aber mit seinen drei Sätzen glücklicherweise nicht stark auf. Ein Kritikpunkt ist allerdings, dass nach Dialogzeilen, bei denen der Sprecher unterbrochen werden soll, eine zu lange Pause entsteht, bevor es weiter geht.
Mit schnell komplexen, leicht abgedrehten, aber nie unfairen Rätselketten trifft das Spiel genau den perfekten Schwierigkeitsgrad für geübte Rätsler. Dazu tragen auch Abschnitte bei, in denen mehrere Charaktere gesteuert werden können und zusammenarbeiten müssen. Angenehmerweise teilen sie sich dabei ein Inventar, wenn sie im selben Raum sind, sodass zeitraubende Tauschaktionen hier entfallen.
Die Aufgabenarten reichen von klassischer Inventarkombination über Dialogrätsel bis hin zu gut integrierten Minispielen. Neben der Geschichte, der Grafik und dem Humor sind die Rätsel der nächste große Pluspunkt des Spiels, der Adventureherzen höher schlagen lässt.
Wer einen Denkanstoß braucht, kann wie im ersten Teil auf ein ausgeklügeltes Hilfesystem zurückgreifen, das schrittweise Tipps gibt. Selbst in diese Texte ist viel Liebe geflossen.
Der letzte Windmönch ist Balsam für die Adventure-Seele. Klassische, knackige Rätsel, eine erneut wundervolle und mit viel Liebe ausgestaltete Geschichte und Welt, ein schön umgesetzter Humor, der Spaß macht, eine gelungene Vertonung und eine umwerfende grafische Darstellung. Bis auf Kleinigkeiten bleiben hier keine Wünsche offen.
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