Test

von  Janina Brünner
12.05.2018
Finding Paradise
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Der Entwickler Freebird Games konnte im Jahr 2011 mit seiner ersten kommerziellen Veröffentlichung To The Moon viele Spieler begeistern und trotz der veralteten Grafik tränenreiche Emotionen hervorrufen. Der Wunsch eines Nachfolgers ist seitdem bei Fans vorhanden und ließ sich durch zwei kostenlose Minisoden und der Kurzgeschichte A Bird Story aus dem Jahr 2014 nur bedingt erfüllen. Seit Dezember 2017 hat das Warten ein Ende. Mit Finding Paradise gibt es die lang ersehnte Fortsetzung der beiden Protagonisten Dr. Eva Rosalene und Dr. Neil Watts. Mittlerweile stehen auch deutsche Untertitel zur Verfügung, so dass wir uns das Spiel nun näher angesehen haben.

Auf dem Weg zum neuen Fall

Ein neuer Fall im alten Job

Die beiden Doktoren Eva und Neil arbeiten als Team bei der Sigmund Corporation. Jene Firma hat sich darauf spezialisiert, Menschen vor ihrem Tod den letzten Wunsch zu erfüllen. Dabei handelt es sich zumeist um nicht verwirklichte Lebensträume. Sigmund Corp hat eine Technologie entwickelt, mit welcher die Angestellten in die Gedanken der Klienten reisen können, um sie zunächst näher kennen zu lernen. Anschließend werden ihre Erinnerungen verändert. Der Sterbende bekommt dadurch den Eindruck, dass sein Wunsch Wirklichkeit geworden ist.

Während der Lebenstraum des Patienten in To The Moon eindeutig war, stellt der neue Fall die beiden Doktoren vor eine größere Herausforderung. Colin hat sich niemals konkret zu seinem Wunsch geäußert. Seine Familie ist komplett ahnungslos und wenig hilfsbereit. Stattdessen wirkt sie abweisend und wenig begeistert über den Besuch von Eva und Neil. Bei der Anmeldung hat Colin lediglich angeben, dass er glücklich werden will, ohne sein Leben zu verändern.

Schließlich spielt auch noch die Technik verrückt und so wird die Reise in die Gedanken zum Hin und Her von alten und neuen Erinnerungsfetzen. Doch trotz der scheinbar unlösbaren Aufgabe versuchen Eva und Neil ihr Bestes zu geben und Colins Wunsch zu erfüllen. Dafür sind sie in den fünf bis sechs Stunden Spielzeit auch bereit, neue und ungewöhnliche Wege auszuprobieren.

Dieser Balkon dürfte Fans bekannt vorkommen

Bekannte Gesichter

Durch die neue Geschichte lässt sich Finding Paradise auch problemlos ohne Vorkenntnisse spielen. Allerdings werden viele Anspielungen verpasst, auf welche Fans bereits in der Einleitung treffen. Das erleichtert den Einstieg nach der langen Pause zum Vorgänger enorm und stellt direkt eine Verbindung zu den Charakteren her. Doch die Anspielungen beziehen sich nicht nur auf To The Moon. Moralische Konflikte, welche in den Minisoden eingeführt wurden, kommen wieder vor. Dr. Watts' geheime Arbeiten an der Technik werden ebenso fortgeführt. Auch die Geschichte von A Bird Story spielt eine wichtige Rolle. Der dortige Protagonist ist nämlich der jetzige Klient Colin. Die Erinnerungen beginnen nach der Zeit mit seinem Vogel und der Spieler erfährt mehr über das einsame Leben, welches er als Kind geführt hat und seinen weiteren Werdegang. Außerdem tauchen Schauplätze aus den Vorgängern auf und alte Bekannte werden ebenso getroffen.

Neue Features haben leider nur kurze Auftritte

Minimalistisches Gameplay

Wie auch die vorherigen Spiele, ist Finding Paradise eher als interaktive Geschichte denn als klassisches Adventure zu bezeichnen. Eva und Neil können dabei abwechselnd mit der Tastatur, einer Tastatur-Maus-Kombination oder mit einer reinen Maussteuerung bewegt werden. Mit ESC oder der rechten Maustaste öffnet sich das Notizbuch, in welchem Beschreibungen zu den Charakteren, Notizen zu interessanten Entdeckungen, das Inventar und die Speichermöglichkeit zu finden sind. Eine richtige Funktion hat das Notizbuch allerdings nicht und auch das Inventar ist lediglich als Zierde zu verstehen und kommt nur bedingt zum Einsatz, denn Gegenstände müssen nie kombiniert oder an anderen Orten verwendet werden. Speichern ist zu jeder Zeit möglich, wobei lediglich drei Plätze und ein automatischer Slot zur Verfügung stehen. Beim Bewegen der Maus an den oberen Bildschirmrand erscheint eine Zeitleiste. In jener kann der Spieler immer erkennen, welcher Lebensabschnitt von Colin gerade erkundet wird.

Das Minispiel ist wieder wenig fordernd

Zu Beginn des Spiels scheint es noch, als wenn das Gameplay diesmal fordernder geworden ist. Tatsächlich kann der Spieler kleinere Entscheidungen treffen und einige Male wählen, ob eine Situation mit Eva oder Neil gelöst werden soll. Dies sorgt auch für andere Dialoge, was zunächst den Wiederspielwert erhöht. Zusätzlich gibt es ein witziges Feature, in dem das Aussehen der beiden verändert werden kann. Auch optionale Gespräche sowie das Ansehen von nicht spielrelevanten Hotspots ist möglich. Leider gibt es diese Funktionen nur am Anfang. Später werden sie fast vollständig abgeschafft. Dadurch spielt sich Finding Paradise sehr schlauchartig. Auf kleinstem Raum sind die Mementos zu suchen, um eine Verbindung zwischen den Erinnerungen herzustellen. Durch eine Art Minispiel, welches noch weniger herausfordernd als im Vorgänger ist, werden diese dann jeweils aktiviert und schon geht es weiter zum nächsten Erinnerungsfetzen.

Die wenigen Kämpfe bieten etwas Abwechslung

Gegen Ende gibt es noch einige RPG-artige Sequenzen, welche ebenfalls in Minispielform präsentiert werden. Neil muss dabei einige Kämpfe überstehen. Jene bieten zumindest etwas Abwechslung beim Gameplay, stellen ansonsten aber keine Herausforderung dar und können bei Bedarf wiederholt oder nach einem gescheiterten Versuch übersprungen werden.

Viel Spiel sollte insgesamt nicht erwartet werden. Doch Fans von To The Moon dürfte das wenig ausmachen. Der teils derbe Humor von Neil ist nämlich wieder vorhanden und auch wenn die Geschichte wie aus einem gewöhnlichen Leben klingt, ist sie doch spannend erzählt und so will der Spieler unbedingt alle Hintergründe erfahren und wird bis zum Schluss bei Laune gehalten.

Der Charme des RPG Maker

Retro-Grafik

Beim Aussehen setzt Freebird Games weiterhin auf den RPG Maker. Da dort die grafischen Möglichkeiten beschränkt sind, kann das Spiel nicht mit anderen aktuellen Titeln mithalten und die Auflösung liegt lediglich bei 640x480. Leider wurde in Finding Paradise nicht auf die grafisch aufpolierte mobile Version von To The Moon zurückgegriffen, so dass sich mit der deutlich schlechteren PC-Version abzufinden ist. Dafür kommt der Charme der Vorgänger erneut zum Tragen und Emotionen werden gut an den Spieler transportiert. Zumeist dreht sich die Handlung um alltägliche Orte, die teilweise schon bekannt sind. Jene Bereiche werden zu unterschiedlichen Lebzeiten besucht und mit der Fantasie von Colin angereichert, so dass sie trotzdem Abwechslung bieten.

Spiel mir die Tonleiter

Der Klang der Tonleiter

Der Song For River begleitete den Spieler mit sanften Pianoklängen in To The Moon. Diesmal geht es etwas simpler zu, denn Colin beherrscht auf seinem Cello lediglich die Tonleiter. Der Klang dieser zieht sich durch das ganze Spiel, mal alleine, mal im Orchester oder mit Begleitung. Insgesamt spielt die Musik wieder eine große Rolle und der komplette Soundtrack weiß erneut zu gefallen.

Auf Sprachausgabe wurde weiterhin verzichtet. Dialoge klickt der Spieler individuell weiter. Die deutsche Übersetzung kann dabei als gelungen bezeichnet werden.

Ankündigung einer Fortsetzung?

Fazit

Mit Finding Paradise hat der Entwickler einen würdigen Nachfolger kreiert und dabei nicht einfach einen neuen, sondern einen komplett anderen Fall ausgewählt, welcher die Doktoren vor einige Herausforderungen stellt und damit den Spieler bei Laune hält. Neulinge finden sich ebenfalls sofort zurecht, sollten sich die lohnenswerten Vorgänger aber durchaus trotzdem ansehen, um alle Anspielungen zu verstehen. Mangelndes Gameplay und veraltete Technik werden erneut gekonnt durch die Atmosphäre ausgeglichen, zu der auch der Soundtrack beiträgt. Auch das Ende ist zufriedenstellend und bietet trotzdem genug Stoff für einen möglichen Nachfolger, welcher am Schluss nicht ausgeschlossen wird.

Galerie

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Finding Paradise hat mich emotional sofort gepackt. Zunächst wirkt die Geschichte sehr alltäglich, doch gegen Ende nimmt sie nochmal an Fahrt auf und geht allgemein neue Wege, die aus To The Moon noch nicht bekannt sind. Somit handelt es sich zwar erneut um den Berufsalltag der Doktoren, doch wird dieser komplett anders umgesetzt. Kan Gao hat es damit wieder geschafft, mich an den Bildschirm zu fesseln und das trotz der veralteten Grafik, der fehlenden Sprachausgabe und des minimalistischen Gameplays. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Anspielungen auf Vorgänger
  • Gelungene Atmosphäre
  • Toller Soundtrack
  • Keine Sprachausgabe
  • Niedrige Auflösung
  • Selbstläufer ohne richtige Rätsel