Hinweis: Zu Beginn des Spiels kann das Geschlecht der Hauptperson gewählt werden. Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit haben wir uns im Test auf die weibliche Fassung festgelegt.
Nur weil wir etwas nicht sehen, heißt es nicht, dass es nicht da ist. Dass uns die Wesen und Vorgänge aus anderen Dimensionen verborgen bleiben, ist aber vielleicht auch besser so. Denn ohne das Wissen, über das die Unavowed verfügen, schläft es sich deutlich ruhiger. Gleichzeitig sorgt die kleine Gruppe mit unterschiedlichen Fähigkeiten dafür, dass die Welt nicht aus den Fugen gerät oder von bösen Kreaturen überrannt wird. Doch im New York der Gegenwart stoßen die selbsternannten Retter auf einen Gegner, dessen Kraft alles in den Schatten zu stellen scheint, was sie in den letzten Jahrhunderten erlebt haben. Und diese Bedrohung kommt von der Protagonistin selbst: Sie war von einem mächtigen Dämon besessen, der in der ganzen Stadt offenbar planlos Chaos gestiftet hat und mordend durch die Straßen gezogen ist. Ein Exorzismus durch die Unavowed verläuft zwar erfolgreich, doch die Pläne des abgrundtief bösen Wesens wirken nach. Von der Polizei gesucht und auf der Suche nach Antworten bleibt der Hauptfigur nichts anderes übrig, als sich der Truppe anzuschließen und abstoßende Taten zu rekonstruieren, die ihr Körper zwar begangen hat, an die sie sich aber nicht erinnern kann.
Die Protagonistin hat eine dunkle und vor allem blutige Vergangenheit
Das große Pfund, mit dem der Titel aufwarten kann, ist seine Geschichte. Das Universum, seine Grundregeln, der Aufbau, Erzähltempo und Erzählelemente sind allesamt fantastisch gelungen. Schnell entspannt sich ein ebenso fesselnder wie abwechslungsreicher Fantasy-Thriller, der in einem gelungenen Finale mit vier größeren, alternativen Enden gipfelt. Allein dafür lohnt sich das etwa acht Stunden umfassende Spiel bereits. Besonders angenehm ist die Aufteilung in einzelne Fälle, die das Beiseitelegen des Titels etwa alle 30-90 Minuten ermöglichen – was allerdings dennoch schwer fällt, da die Neugier über den weiteren Verlauf stets groß ist. Unterwegs gibt es zahlreiche, moralische Entscheidungen zu treffen. Diese wirken sich leider nicht so stark aus, wie das Spiel zunächst suggeriert. Lediglich kleinere Details des Finales werden so verändert. Dennoch bleibt die Auseinandersetzung mit verschiedenen Dilemmas spannend.
Einsatzbesprechung
Jeder Charakter in Unavowed hat eine besondere Fähigkeit, inklusive der Protagonistin. Zu Beginn wählt der Spieler aus drei Berufen, die den ersten Abschnitt und das besondere Talent bestimmen. Große Auswirkungen auf den Spielverlauf hat dies jedoch nicht. Im Laufe der Geschichte stoßen neben den drei ursprünglichen Mitgliedern der New Yorker Niederlassung der übernatürlichen Polizei noch zwei weitere begabte Menschen hinzu. Da jedoch immer nur drei Retter vor Ort sein dürfen, muss der Spieler zu Beginn jeder Mission zwei Partner auswählen, mit denen er den Fall lösen möchte. Dies hat leichte Auswirkungen auf das Rätseldesign, die jedoch eher gering ausfallen. In Sackgassen zu geraten ist indes nicht möglich: Nebencharaktere bieten automatisch das Verlassen der Szene an, wenn eine andere Fähigkeit benötigt wird. Übernatürliche Möglichkeiten wie Feuer, Kampfkunst und das Sprechen mit Geistern ergeben zusammen mit Dialog- und Inventarkombinationsrätseln den knobeligen Teil des Spiels, der stets auf einem angenehm leichten bis moderaten Niveau verbleibt. Bei Hängern lohnt eine kurze Diskussion in der Gruppe, denn die Freunde geben Hinweise. Eine sehr clevere Lösung wurde bei den Hotspots gefunden: Wird die Maus über ein interessantes Objekt bewegt, erscheint die Beschreibung direkt als Text auf dem Bildschirm, ohne dass ein weiterer Klick notwendig wäre. Ansonsten gilt die klassische Point-and-Click-Steuerung. Ebenfalls angenehm: Der Titel kommt ohne ausgelutschte Minispiele aus.
Hilfreich: Unterschiedliche Fähigkeiten
Grafisch ist der Titel im Vergleich zu vorherigen Produktionen aus dem Hause Wadjet Eye ein starker Sprung nach vorne. Durch die höhere Detailstufe tritt die Pixelgrafik so in den Hintergrund, dass die detailreichen und zum Teil animierten Schauplätze stark zur Geltung kommen können. Mit einer großen Vielzahl an unterschiedlichsten Schauplätzen gibt es zudem jede Menge zu entdecken.
Auch für Sightseeing ist Zeit
Den Sprechern zuzuhören, ist ein wahrer Genuss. Bis in die letzte Nebenrolle sind diese sehr gut besetzt und leisten auch in Extremsituationen tolle Arbeit. Verweilt der Spieler länger an bestimmten Orten, beginnen die mitgenommenen Partner zusätzliche Gespräche, bei denen sich das Zuhören lohnt. Das unterbricht zwar manchmal den Spielfluss, trägt aber viel zur ohnehin sehr gut ausgestalteten Atmosphäre bei. Der gelungene, abwechslungsreiche Soundtrack und die gut gesetzten Geräusche tun ihr Übriges, um das Gesamtbild abzurunden. Englischkenntnisse sind allerdings zwingend erforderlich: Es gibt keine deutsche Übersetzung.
Clever gelöst: Die Hotspot-Anzeige
Neben der nicht so groß ausfallenden Auswirkungen von Entscheidungen hat der Titel mit ein paar kleineren Problemen zu kämpfen. Einige Animationen wirken nicht ganz ausgereift und sind auch nicht vollständig passend vertont. An wenigen Stellen sind die Hotspots etwas zu groß geraten, sodass etwa ein Klick auf ein Möbelstück nach wie vor die Aktion für ein nebenstehendes Element auslöst. Sehr selten kam es auch vor, dass sich die Nebencharaktere so vor Hotspots stellten, dass diese sehr schwer zu treffen waren. All dies kann den sehr guten Gesamteindruck jedoch nicht allzu stark schmälern.
Es gibt sie noch: Fantastisch erzählte Geschichten in einer tollen Adventure-Verpackung. Unavowed ist definitiv einer der Pflichttitel für 2018.
Bereits durch die Vorschauversion hatte ich mich sehr auf das Spiel gefreut. Was Dave Gilbert mit seinem Studio nach wie vor nahezu im Alleingang stemmt, ist äußerst beeindruckend und braucht sich definitiv nicht hinter großen Produktionen zu verstecken. Hier wird gezeigt, wie man das Genre perfekt nutzt, um mit viel Herzblut und Liebe zum Detail eine tolle Geschichte zu erzählen.
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