"Ich sagte: Stell dir vor, du stündest irgendwann, vor vielen Jahrmilliarden, als alles erschaffen wurde, auf der Schwelle zu diesem Märchen. Und du hättest die Wahl, ob du irgendwann einmal zu einem Leben auf diesem Planeten geboren werden wolltest. Du wüsstest nicht, wann du leben würdest, und du wüsstest nicht, wie lange du hier bleiben könntest, doch es wäre jedenfalls nur die Rede von wenigen Jahren. Du wüsstest nur, wenn du dich dafür entscheiden würdest, irgendwann auf die Welt zu kommen, dass du, wenn die Zeit reif wäre, wie wir sagen, oder >wenn die Zeit sich rundet<, sie und alles darauf auch wieder verlassen müsstest. Vielleicht würde dir das großen Kummer machen, denn viele Menschen finden das Leben in diesem großen Märchen so wunderschön, dass ihnen die Tränen in die Augen treten, wenn sie nur daran denken, dass es irgendwann ein Ende nimmt. So gut kann alles hier sein, dass es schrecklich wehtut, daran zu denken, dass irgendwann einmal keine weiteren Tage kommen. [...]
Wofür würdest du dich entscheiden, wenn du die Wahl hättest? Würdest du dich für ein kurzes Leben hier auf der Erde entscheiden, um dann nach wenigen Jahren von allem weggesrissen zu werden und nie mehr zurückkehren zu dürfen? Oder würdest du dankend ablehnen? [...]
Ich glaube, ich hätte diese Bedingungen zurückgewiesen. [...]
Wenn ich mich nicht dafür entschieden hätte, meine Nase in dieses große Abenteuer zu stecken, dann hätte ich auch nicht gewusst, was mir entging. Verstehst du, was ich damit meine? Manchmal ist es bei uns Menschen so, dass es schlimmer ist, etwas zu verlieren, das wir lieben, als dieses Etwas niemals gehabt zu haben. [...]
Ich frage noch einmal. Wofür würdest du dich entscheiden, wenn du die Wahl hättest? [...]
Wenn du dich für das Leben entscheidest, entscheidest du dich auch für den Tod. [...]
Vielleicht gehe ich jetzt zu weit. [...] Aber es ist so ungeheuer wichtig für mich, wie du meine Frage beantwortest, weil ich die direkte Verantwortung dafür trage, dass du hier bist. Du wärst nicht auf der Welt, wenn ich mich ihr verweigert hätte. Ich empfinde eine Art Schuldgefühl, weil ich dazu beigetragen habe, dich in diese Welt zu setzen. In gewisser Weise habe ich dir das Leben gegeben, zusammen mit dem Orangenmädchen natürlich. Aber auf diese Weise sind wir es auch, die es dir eines Tages wieder nehmen werden. Einem kleinen Kind das Leben zu schenken bedeutet nicht nur, diesem Kind das große Weltgeschenk zu machen. Es bedeutet auch, ihm dieses unvorstellbare Geschenk wieder wegzunehmen.
Ich muss dir gegenüber ehrlich sein, Georg. Ich sage also, dass ich das Angebot einer solchen blitzschnellen Schnupperreise in das große Abenteuer wohl dankend abgelehnt hätte. So sehe ich das. Und wenn du das auch so siehst, dann habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke, was ich hier angerichtet habe. [...]
Aber, Georg, jetzt kann sich ein neues Dilemma zeigen [...]. Wenn du antwortest, dass du dich trotz allem für das Leben entschieden hättest, und sei es auch nur für einen kurzen Moment, dann darf ich mir eigentlich auch nicht wünschen, nie geboren zu sein.
Auf diese Weise kann diese Gleichung doch noch aufgehen, auf diese Weise kann ein Gleichgewicht geschaffen werden. Und das ist natürlich meine Hoffnung. Ja, deshalb schreibe ich."