Grappa11 hat geschrieben:Trotzdem erscheint mir die Vorstellung des absoluten Aus nach dem Ende des irdischen Daseins, oder wie auch immer man es nennen will, nicht nachvollziehbar.
Man könnte die Frage „Was passiert mit mir nach meinem Tod” mit der Frage „Was geschah mit mir vor meiner Geburt” beantworten. Mit der Tatsache, dass man offensichtlich einen Anfang hatte, haben die wenigsten Probleme, nur das Ende bereitet einem Kopfschmerzen.
Bewegt man sich in einer egozentrischen Sichtweise in die Vergangenheit so kommt man zu der allerersten Begebenheit, an die man sich erinnern kann. Dann befasst man sich vielleicht mit seinen Eltern, mit deren Leben vor der eigenen Geburt. Dann die Großeltern, alle bekannten Vorfahren. Wo sie lebten, was sie taten. Irgendwann vermischt sich die direkte Blutlinie mit dem eigenen Volk. Dann die Völkerwanderungen bis hin zur Entstehung der Menschheit, die so fern von einem selbst ist, dass an diesem Punkt ein Glaube stärker sein kann als eine Wissenschaft.
Dreht man an diesem Punkt die Zeitlinie einfach um, so kann man erahnen, was mit einem geschieht, wenn man stirbt. Die eigene Existenz hört nicht schlagartig auf, sondern lichtet sich.
Grappa11 hat geschrieben:Aber eben gerade weil er eine kleine Tochter hat, sollte man sich mal überlegen wie es wohl in diesem Menschen ausgesehen haben muss, um diesen Schritt zu tun -falls es denn Selbstmord war, wovon ich weiterhin ausgehe - anstatt ihm Feigheit, mangelndes Verantwortungsbewusstsein oder ähnliches zu unterstellen, weil er vor irgendwas in seinem Leben "geflohen" sei.
In den meisten Fällen ist Selbstmord wohl eine rein egoistische Handlung. Aber ich maße mir auch kein Urteil darüber an. Gründe, die einen anderen Menschen dazu bewegen, den Freitod zu wählen, würden bei mir dieses vielleicht nicht bewirken. Dafür könnte es bei mir Gründe geben, die ein anderer für lächerlich hält.
Ich unterstelle ihm also nicht, dass er sich auf feiger Weise seiner Verantwortung entzogen hat, sondern nehme seine Entscheidung hin, ohne sie auf die eine oder andere Art zu bewerten.
Grappa11 hat geschrieben:Ansonsten müsste man genauso den Mitmenschen eine Mitschuld unterstellen, die ihm nicht geholfen haben seine Ängste, oder was auch immer es genau war, zu überwinden, womit dieser für ihn scheinbar einzige "Ausweg" eben nicht der einzige geblieben wäre...
Und genau das sollte man. Ist man als Person für sein Handeln verantwortlich oder ist das eigene Handeln nicht immer eine Reaktion auf das Umfeld, das einen umgibt? Bin ich so, wie ich bin, weil ich es will, oder bin ich so, weil meine Eltern mir ihre Gene vermacht haben, mich ihren Wertvorstellungen gemäß aufgezogen haben; ich die Freunde hatte, die ich hatte? Ein Amokläufer wird nicht als solcher geboren, sondern dazu gemacht. Natürlich würde es niemand verstehen, dass nach einer solchen Tat, nicht nur der Amokläufer hinter Schloss und Riegel kommt (sofern noch lebend), sondern auch seine Mitschüler, die ihn gemobbt haben und seine Eltern, die ihn vernachlässigt haben. Die sind im besten Fall eine Erklärung, werden aber selten zur Verantwortung gezogen.
Man ist nie ausschließlich für sich selbst verantwortlich, sondern auch für andere. Ich gebe aber zu, dass ich einem Arschloch einfach sage, dass er ein Arschloch ist und ihn dann meide und nicht seinen Eltern einen anklagenden Brief schreibe.