Adventure-Treff

Habe gerade mit einem Freund den "Director's Cut" von Balde Runner gesehen. Auch wenn es lange her ist, dass ich diesen Film gesehen habe, so wirkte er in Bezug zu der Version, die ich vor langer Zeit mal gesehen habe, extrem flach. Hab bei schnittberichte.com ein wenig gestöbert und meine, dass das vor allem an der Entfernung der Film-Noir artigen Voice Overs liegen könnte. Jedenfalls wirkt der DC so, als wolle man sich von der inneren Regungen von Harrison Ford entledigen und sich eher auf die Handlung anstatt auf die Problematisierung der Situation konzentrieren. Dadurch entsteht ein völlig anderer Film - der meiner Ansicht nach an Tiefe vermissen lässt - da imho nicht die Handlung sonderlich viel her gibt, sondern gerade die Fragen, die sie aufwirft.
Wobei ich mich bei der Version, die ich damals gesehen habe, zwar an die Voice Overs aber nicht an ein Happy-End erinnern konnte (was -sofern vorhanden- grauenvoll wirkt, hier wäre die Lösung des DCs besser). Meine aber, dass der Film damals auf dem Dach endete, kann mich aber auch irren. Kann aber vielleicht auch sein, da es gemäß Schnittberichte.com 5 verschiedene Schnittfassungen gibt. Jetzt ist ja noch ein ein Final Cut erschienen. Den kenne ich noch nicht, er scheint dem DC aber sehr ähnlich zu sein.
Welche Versionen kennt ihr, und welche von denen, die ihr bereits kennt, präferiert ihr?

Nun, da muss man wohl oder übel etwas länger ausholen. Die ursprüngliche, von Ridley Scott geplante und an sich abgedrehte 1. Version hatte weder Voice Over, noch dieses völlig unpassende Happy End. Die Handlung und besonders die Bilder sollten für sich sprechen. Die Produzenten waren aber von Ridleys Version wenig überzeugt und drückten den Voice Over durch, der den Zuschauer ans Händchen nehmen sollte. Auch zum Happy End wurde er gedrängt. Dieses sonnige, zum Teil aus unbenutzen Szenen von Shining bestehende Ende passt auch gar nicht zum düsteren Grundton des Films.
Durch Budgetüberschreitungen verlor Scott außerdem den Final Cut. Dadurch wurden einige, nicht unwichtige Szenen wie ich finde, entfernt (z.B. Einhorn).

Folgende Versionen sind mir bekannt:
- Rohfassung (1982, keine VO, kein Happy End)
- US Kinoversion (1982, VO, Happy End)
- Internationale Kinoversion (1982, VO, HE)
- DC (1992, kein VO, kein HE)
- Final Cut (2007, kein VO, kein HE)
Diese Versionen sind alle in der 5-DVD Sammelbox enthalten.

In der Tat wirken die Kinoversion und der DC fast wie 2 unterschiedliche Filme. Ich kannte jahrelang nur die Kinofassung und habe diese sehr gemocht. Die deutsche Version ist auch besser als die Originalversion.
Fords Voice Over sind unter aller Sau. Laut Interviewaussage von Harrison Ford lag das daran, dass bei den Sprachaufnahmen kein Regisseur mehr anwesend war, sonders nur noch ein Techniker. Entsprechend habe er den Text dann ohne Anweisungen herunter gelesen.
Aber erst durch den DC, der genau genommen kein richtiger DC ist, ist Blade Runner für mich zu einem meiner liebsten (wenn nicht gar der liebste) Filme geworden. Die Voice Over zerstören im nachhinein doch einige wunderschöne Szenen, z.B. auf dem Dach.
Es bleibt mehr Spielraum für eigene Gedanken, Schlußfolgerungen und Interpretationen.

Alle Versionen mit VO enthalten soviel ich weiß auch dieses grässliche Happy End.
In die Rohfassung habe ich nur reingeschaut, die sollte in etwa dem DC entsprechen.
Zwischen DC und Final Cut sind mir keine großen Unterschiede aufgefallen, außer ein paar längere Szenen, müsste man wohl 1:1 vergleichen. Der FC liegt allerdings in einer bestechenden Qualität vor.

Kruttan hat geschrieben:Jedenfalls wirkt der DC so, als wolle man sich von der inneren Regungen von Harrison Ford entledigen und sich eher auf die Handlung anstatt auf die Problematisierung der Situation konzentrieren. Dadurch entsteht ein völlig anderer Film - der meiner Ansicht nach an Tiefe vermissen lässt - da imho nicht die Handlung sonderlich viel her gibt, sondern gerade die Fragen, die sie aufwirft.

Ich empfinde es eher anders herum. Der DC erziehlt bei mir durch den Wegfall des VO und durch die erweiterten Szenen eine viel tiefere Wirkung, mehr Intensität, weniger Vorgekautes, mehr Freiraum für den eigenen Geist. Ich bevorzuge also den DC, bzw. jetzt den Final Cut.

edit:
Mir fiel grad die Blade Runner FAQ wieder ein. Dort sind die Unterschiede der verschiedenen Versionen ausfühlich beschrieben.
http://www.geocities.com/Area51/Crater/ ... FAQ.html#7

Lustiger Zufall, ich hab den Director's Cut gerade erst gestern gesehen. Ich fand den Film großartig. Ich fand ihn gut durchdacht; und ich mag es, wenn der Plot das Nachdenken herausfordert. Einer der wenigen Filme, die ich mir in naher Zukunft nochmal anschauen werde. (Dabei kannte ich Ridley Scott eher von so Filmen wie "Königreich der Himmel" oder "1492", und die fand ich eher schwach.)

Die alte Variante kenn ich nicht, aber wenn ich mir vorstell, dass dann so ein Abspann ist, in dem sie von oben im Auto gefahren gefilmt werden, dann bin ich froh, dass ich ihn nicht gesehen habe.
Das Ende des DC war ja wohl spitze. Der offene Schluss, das Origami-Einhorn: alles zielt darauf die deutlich skeptische Frage hin, wo die Trennlinie zwischen Mensch und Replikant eigentlich verläuft - am Ende sind die Fragezeichen größer als am Anfang.
Der Witz ist dabei, dass die bioethischen Fragen heute noch genauso brisant sind - wird ein Mensch aus Genmaterial geschaffen anstatt "herkömmlich" geboren, sind sie dann anders einzuordnen oder kommt ihnen die gleiche Würde zu (auch dann, wenn sie für einen bestimmten Zweck erschaffen wurden wie in Scotts Film)? Was, wenn ein Replikant moralisch höherstehend wirkt als die "normalen" Menschen, wie im Film geschehen?
Wie gesagt, toller Film!

Fords Voice Over sind unter aller Sau. Laut Interviewaussage von Harrison Ford lag das daran, dass bei den Sprachaufnahmen kein Regisseur mehr anwesend war, sonders nur noch ein Techniker. Entsprechend habe er den Text dann ohne Anweisungen herunter gelesen.

Irgendwo (in diesem Forum?) habe ich auch schon gelesen, dass Ford die Texte absichtlich langweilig gelesen habe, um deren Verwendung durch die Produzenten zu verhindern. Diese sollten seine Voice-Overs so grottig finden, dass sie sie lieber weglassen würden…

Ich kenne bisher nur den Director`s Cut.

Wrecker hat geschrieben:Der Witz ist dabei, dass die bioethischen Fragen heute noch genauso brisant sind - wird ein Mensch aus Genmaterial geschaffen anstatt "herkömmlich" geboren, sind sie dann anders einzuordnen oder kommt ihnen die gleiche Würde zu (auch dann, wenn sie für einen bestimmten Zweck erschaffen wurden wie in Scotts Film)? Was, wenn ein Replikant moralisch höherstehend wirkt als die "normalen" Menschen, wie im Film geschehen?

Blade Runner stellt ja einige Bezüge zu Problemen dar, die nicht nur heute noch brisant sind, sondern vermutlich noch an Brisanz gewinnen werden. Klonen, Umweltverschmutzung, Vermischung von Kulturen, Macht der Konzerne. Finde, Film und Buchvorlage waren ihrer Zeit weit voraus.
Interessant auch die Tatsache, dass Tyrell ursprünglich auch ein Replikant sein sollte. Die Kulissen für das Mausoleum des echten Tyrell waren schon gebaut. Ein Teil wurde schon gedreht, z.B. sollen Schrauben und Muttern zu sehen sein, wenn Batty Tyrells Kopf zerdrückt. Das kann ich aber nicht bestätigen, wahrscheinlich wurde das weggeschnitten. Denn letztendlich wurde der gesamte Part nicht verwendet.

DaGus hat geschrieben: Ich empfinde es eher anders herum. Der DC erziehlt bei mir durch den Wegfall des VO und durch die erweiterten Szenen eine viel tiefere Wirkung, mehr Intensität, weniger Vorgekautes, mehr Freiraum für den eigenen Geist. Ich bevorzuge also den DC, bzw. jetzt den Final Cut.

das empfinde ich genauso^^

die anderen Versionen werd ich mir aber irgendwann mal trotzdem zu gemüte führen müssen.