Seite 1 von 1

Loch Ness

Verfasst: 28.11.2008, 03:52
von DrBres
Schotten gelten ja gemeinhin als geizig. Da passt es voll ins Bild, dass "Loch Less" knausert, wo es nur kann. Nur: Das First-Person-Adventure ist gar nicht in einer spartanischen Spiele-Schmiede in den schottischen Highlands zusammengeschustert worden. Entstanden ist es - wenn hier schon mit Klischee herumgeschmissen wird - in dem Land der Lebemänner und -frauen. Spätestens als im Intro das Logo der französischen Wanadoo-Studios an mir vorbei flimmerte, hätten die Alarmglocken schrillen müssen. Schließlich zeichneten sich die Programmierer für das illustre "Dracula Resurrection" verantwortlich, das mir nicht wirklich zugesagt hatte. Meine Befürchtungen wurden bestätigt, als ich mich zum ersten Mal durch das schottische Anwesen klicken durfte. Ganz nach dem Wahlspruch "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" teilen sich die Dracula-Spiele und "Loch Ness" die ein und die selbe altbackene Grafik brüderlich untereinander auf: Hässliche Pixel-Gemäuer, uniform abartige Gänge mit Verirrungsgarantie und gähnend langweilige Landschaften, der Einfachheit halber in verwaschenem Schnee getaucht.

Die Erwartungshaltung nähert sich dem Nullmeridian an. Dabei beginnt die Story doch ach so mysteriös. Wir spielen einen abgehalfterten Privatdetektiv aus den Vereinigten Staaten, der von einer schottischen Adelsfamilie zur Hilfe gerufen wird. Die Begründung, warum nicht ein seriöses Unternehmen wie Scotland Yard zu Rate gezogen wurde, wird gleich mit geliefert: Cameron, unser Protagonist, ist entfernt mit dem schottischen Adel verwandt. Vor Ort angekommen, ist der Schlossherr verschwunden. Die Dame des Hauses ist ganz außer sich, geisterhafte Erscheinungen machen die Runde. Ach ja, das Geheimnis obkurer Kristalle gilt es auch noch zu lösen.

In diesem konfusen Gemenge muss sich unser Held erstmal zurecht finden. Aber keine Bange: In seinem Notizbuch - einem Band aus der Reihe "Adventures For Dummies" - steht ja immer was zu tun ist. Motivierende Kritzeleien gibt es als Dreingabe obendrauf. "Komm schon, alter Junge! Denk' nach!" Viel nachzudenken gibt es in "Loch Ness" aber nicht. Die größte Schwierigkeit besteht eigentlich darein, die benötigten Objekte in einem völlig gegenstandsarmen Haus aufzustöbern. Ist der Spieler fündig geworden, weiß er eigentlich auch schon, wofür er sie benötigt. Zumindest sind die Rätsel gegenüber den Dracula-Spielen etwas umfangreicher ausgefallen. Wenn auch nur marginal. Einen Anflug von einem Maschinenrätsel habe ich aber entdecken können.

Richtig kniffelig wird's meist nur, wenn das virtuelle Ableben bevorsteht. Einige Situationen sind zwar ohne Schwierigkeiten zu meistern, wenn Sprengstoff nach Rezept gebastelt werden muss beispielsweise, doch oftmals wird das Spiel an den brenzlichen Stellen ungemein schwer. Mal wird man aus heiterem Himmel erschossen, noch bevor der Spieler überhaupt weiß, dass "Loch Ness" mit Spielabbrüchen arbeitet, an anderer Stelle geht der Amateur-Spürnase während eines Tauchgangs die Luft aus. Natürlich dann, wenn er einmal quer durch den berüchtigten See gelatscht ist und sich die Standbilder im Wasserlabyrinth wie ein Ei dem anderen gleichen. Frustmomente eines Abenteurers.

Dabei weiß der krude Plot derartige Gemeinheiten noch nicht einmal zu rechtfertigen. Mordversuche, Entführungen, Verschwörer, Gespenster und Nessie werden in einen Topf geschmissen. Zusammen mit der gruseligen Grafik in einen Schafsmagen gepresst, ergibt das Ganze einen für kontinentale Augen und Mägen nur schwer zu goutierenden Haggis. Ich hab zwar gehört, dass das schottische Nationalgericht durchaus genießbar sein soll. Wenn es aber von Franzosen zubereitet wird, sollte man lieber die Finger davon lassen. 3 von 10 Punkten.

Euer DrBres