Seite 1 von 2

Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 20:26
von Threepbrush
Also neulich war es so, dass ich meine Mutter aus dem Krankenhaus abgeholt habe und wir gemeinsam mit dem Taxi zu ihrer Wohnung gefahren sind.

Während der Fahrt entwickelte sich in etwa folgender Dialog (Tatort:Rheinland):

Taxifahrer: 'Nee...man wird ja auch nit jünger...'
Meine Mutter: 'Nee...auf einmal iss man alt und man hat et jar nit jemerkt...'.
Taxif.: 'Nee...aber da können mir kleinen Leute ja nix dran machen...'.
M.M.: 'Nee...Die stopfen sich da oben ja eh nur die Taschen voll und mir müssen gucken wo mir bleiben...'.
Taxif.: 'Zum Glück bin ich ja jetzt in Rente...'.
M.M.: 'Ja..da müssen se sich auch nix mehr jefallen lassen...'.
Taxif.: 'Nee...die Zeiten sinn vorbei...'.
M.M.: 'Jaaa...haben se Recht...'.

Falls jemandem hier der rote Faden fehlt: So ging es mir auch!

Und ich fragte mich da wie jetzt auch hier (und somit auch euch!):
Woher kommt dieser menschliche Drang nach Kommunikation? Warum ist es fast zwangsläufig, dass, sobald zwei Menschen in einem Raum sind, immer auch sofort gelabert werden muss?

Also nicht dass ich was gegen das Labern hätte...aber manchmal kommt es mir vor, als wäre dem Menschen nichts so unangenehm wie Stille. Man sieht kaum noch jemanden, der zb auf die Bahn wartet und nicht spätestens nach fünf Minuten hektisch nach dem Handy grapscht.

Was ich mich also frage: Warum fällt es dem Menschen offenkundlich so schwer, mal über nen längeren Zeitraum einfach mal nichts zu sagen?
Dass er über nen längeren Zeitraum nichts zu sagen hat, ist ja eher die Regel als die Ausnahme...aber trotzdem treibt ihn irgendwas permanent an, sich seiner Umwelt mitzuteilen...warum auch immer...

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 20:41
von Kikimora
Na... schweigen kann man auch noch, wenn man tot ist, wa?

Nee im Ernst: Kommunikation ist doch wie Essen, Trinken und Atmen ein menschliches (?) Grundbedürfnis. Da könntest Du auch fragen, warum es einem Menschen schwer fällt, mal ne ganze lange Weile gar nichts zu essen.

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 21:08
von Sven
Lol, du hast manchmal schon drollige Fragen. :mrgreen:

Naja wieso sollte man nicht reden? So verlernt man es nicht. ;)

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 21:53
von Dead
aeyol hat geschrieben:Na... schweigen kann man auch noch, wenn man tot ist, wa?

Nee im Ernst: Kommunikation ist doch wie Essen, Trinken und Atmen ein menschliches (?) Grundbedürfnis. Da könntest Du auch fragen, warum es einem Menschen schwer fällt, mal ne ganze lange Weile gar nichts zu essen.
Ich denk ihm geht's eher darum, dass Menschen versuchen, zwanghaft ein Gespräch zu führen, auch wenn sie's gar nicht wollen. Da kommen dann oft ziemliche sinnfreie Gespräche bei raus. Anmerkungen wie "Schönes Wetter heut', hmm?" gehören da wohl dazu.

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 22:36
von Kikimora
@Dead
Das widerspricht sich doch nicht. Es gibt auch auch Menschen, die essen zwanghaft oder essen etwas, was sie überhaupt nicht mögen, weil eben in dem Moment leider nichts anderes verfügbar ist und sie sonst verhungern. Natürlich äußert sich das bei den Menschen unterschiedlich, wie groß dieser Kommunikations (oder Nahrungs-)-Bedarf jeweils ist. Es ist ein natürlicher (Sozial-)Trieb.

Ein gutes Beispiel ist vielleicht auch dieses hier. Da sind die "Betroffenen" mit Kommunikationsdrang sogar hier anwesend und können sich, wenn sie möchten, dazu äußern, warum sie unbedingt an Threads wie beispielsweise dem Sinnlos-Spiel oder "was hörst Du gerade" teilnehmen müssen. Dann musst Du gar nicht erst Deine Mutter bemühen. Hier im Forum finden Diskussionen statt, in denen man doch meist den roten Faden irgendwie noch verfolgen kann. Aber diese Diskussionen reichen anscheinend nicht allen aus, um ihren Kommunikationsdrang an diesem Ort vollständig zu stillen.

Diese scheinbar sinnlosen Offtopic-Labergeschichten, ob nun in einem Forum oder im Reallife, dienen doch auch dazu, soziale Kontakte zu pflegen oder zu knüpfen. Sicher kommt da auch viel Sinnloses bei rum, aber es kann durchaus auch sein, dass man auf einen Menschen trifft, wo aus einem zunächst erzwungen begonnenen, oberflächlichen Gespräch doch ein etwas tiefgründigerer Gedankenaustausch entsteht, der wiederum inspirieren, bestätigen, zum Nachdenken bringen kann.

(Vielleicht hält der Taxifahrer sich wach, indem er die Fahrgäste vollquatscht. ;) )

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 22:43
von JohnLemon
Labern kann man mit absolut jedem (s. real life, s. Internet). "Zusammen schweigen" kann ich zumindest nur mit einer Handvoll Menschen, denen ich bedingungslos vertraue.
Unter anderem, weil sie die Abwesenheit von Wörtern nicht als Angriff (auf ihre Person oder auf die Atmosphäre allgemein oder als erklärungsbedürftig) missverstehen.

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 23:40
von Threepbrush
Dead hat geschrieben:
Ich denk ihm geht's eher darum, dass Menschen versuchen, zwanghaft ein Gespräch zu führen, auch wenn sie's gar nicht wollen. Da kommen dann oft ziemliche sinnfreie Gespräche bei raus. Anmerkungen wie "Schönes Wetter heut', hmm?" gehören da wohl dazu.
Ja...genau darum geht's mir. Oder auch, wie von JohnLemon angemerkt, dass doch auch mal das Nichts-Sagen eine wertvolle Art der Kommunikation sein kann.
Mein Eindruck ist halt, dass der Mensch im allgemeinen nichts mehr fürchtet, als das Schweigen. Darum wird halt, um dem vorzubeugen, alles mit Worten plattgewalzt und zugemüllt.
Ich blick halt nicht ganz dahinter, woher diese Angst vor der Stille stammt...

(Hier kann man mir natürlich nicht ganz zu Unrecht vorwerfen, dass ich nun dem Wortmüll noch einiges hinzufüge...aber...nun ja...nichts auf der Welt ist perfekt... 8) ).

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 23:52
von Schnuffel
Wahrscheinlich ist das so eine Art unbewußtes Beschwichtigungsritual, so wie bei Hunden das Lecken oder nicht-direkt-in-die-Augen-schauen. Anstarren und schweigen wird auch bei Menschen instinktiv als Bedrohung wahrgenommen, und durch die Beschwichtigung (Labern) wird die Situation entkräftet. Ich schätze, das ist der gleiche Mechanismus, der einen in der Bahn dazu zwingt, anderen Fahrgästen nicht direkt in die Augen zu schauen und sich einen neutralen Blickpunkt zu suchen.

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 04.02.2009, 23:53
von sepp
Threepbrush hat geschrieben:Ich blick halt nicht ganz dahinter, woher diese Angst vor der Stille stammt...
Ich tippe mal drauf, nicht als Langweiler oder Versager rüberzukommen. Die gesellschaftliche Anerkennung ist dem Großteil halt nunmal enorm wichtig und einer, der nicht reden/unterhalten/erzählen/entertainen kann, ist ganz schnell ausgegrenzt.
Und das hat sich wohl so sehr im Menschen (verallgemeinernd) manifestiert, dass er selbst dann losplappert, wenn's ihm gesellschaftlich gar nichts bringt bzw. er eigentlich echt drauf verzichten könnte, Eindruck zu machen.
Personen gegenüber, bei denen man diese anerkannte Stellung bereits innehat, kann man hingegen auch mal schweigen, ohne "befürchten" zu müssen, unten durch zu sein.
Eigentlich schon ganz schön gestört, wenn man so drüber nachdenkt..... :)

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 05.02.2009, 00:22
von Threepbrush
sepp hat geschrieben: Eigentlich schon ganz schön gestört, wenn man so drüber nachdenkt..... :)
Ja...eigentlich schon...aber als 'gestört' gilt man seltsamerweise eher, wenn man sich dem verweigert.
Ich erinnere mich grad daran, dass ich, als ich mein Abi nachgemacht habe, nebenbei bei einer Sicherheitsfirma gearbeitet habe. Und die Unterhaltungen so gegen nachts um drei waren nun wirklich derart sinnfrei, dass es mir einfach unmöglich war, mich daran zu beteiligen...
...was dazu geführt hat, dass ich da zeitweise als arroganter, klugscheißerischer Typ angesehen wurde...allein aus dem Grund, weil ich nachts um drei einfach nicht mehr sonderlich viel zu sagen hatte...
...was für mich völlig ok war...aber manchmal fragt man sich dann schon, ob da was mit einem selbst nicht stimmt, oder mit allen anderen...wenn anscheinend alle anderen die Regeln aufstellen...

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 05.02.2009, 11:09
von TBI
Ja, arrogant hat man mich auch schon genannt, wenn ich zu ruhig war.
Aber womit assoziieren wir denn Stille? Gut, bei mir sind es erfahrungstechnisch größtenteils Klausuren (wo einem die Stille erst auffällt, wenn man wirklich nichts mehr zu schreiben weiß) und Friedhofskapellen, das ist schon bedrückend. Generell mit Orten, wo man nicht reden "darf", oder sich nicht traut. In diesen riesigen, hallenden Kirchen wird grundsätzlich immer geflüstert, wenn auch nur ein Baby weint, wandern zig Blicke suchend in die Richtung. Nicht angenehm. Ist man gern wieder raus.
Ein Beispiel dazu: die deutsche Bahn hätte ihre Züge längst leiser werden lassen können. So "gerade-noch-hörbar". Haben sie bei einem Zug testweise mal gemacht. Leiser als ein Automotor von innen. Die Idee wurde aber ganz schnell wieder verworfen, weil die Leute sich nicht mehr unterhalten haben und wohl ziemlich bedrückt da saßen.
Dann gibts diese typische Art von Senioren, die froh sind, wenn sie mit jemandem reden können. Kennt man überall.
Plus, in einer Welt, die immer schneller und lauter wird, und in der jeder Hollywood-Streifen bis ins kleinste Detail mit 'nem Soundtrack unterlegt ist, verlernt man schnell das richtige Schweigen. Stille ist dann Einsamkeit.
Jüngst wurde in einer Lehrerconferenz eines mir gut bekannten Gymnasiums beantragt, MP3-Player auf dem Schulhof zu verbieten, da die Schüler so in den Pausen sich nur noch ausklinken würden und nicht mehr miteinander communicieren. (Mag ja alles richtig sein, aber nach einem Tag in Klassen mit 30+ Schülern will man sich vielleicht auch einfach lieber ausklinken und entspannen statt zu communicieren.)
Die Beispiele reihen sich endlos aneinander, und ich muß sagen, auch ich hab Smalltalk zu schätzen gelernt. In anderen Sprachen, weil es die beste Art zu lernen ist. In meinen Muttersprachen, weil es eben nicht nur belanglos ist, sondern anderen Leuten vermittelt, die Person ist nett, freundlich und wenn man mit ihr reden will, kann man das gerne tun. Hat schon der ein oder anderen Person mit wahrscheinlich recht eintönigem Job (Busfahrer, Kassierer) den Tag ein bißchen erleichtert. Und das ist keine leere Behauptung.
Aber dieses zwanghafte weiße Rauschen, dieser geförderte Communicationsdrang, der ist meiner Meinung nach zuviel. Wenn mir jemand versuchen würde, meinen MP3-Player wegzunehmen, wär ich nicht gerade begeistert.

Schwätzend/Discutierend (suchts Euch aus),
/TBI

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 05.02.2009, 12:56
von Möwe
Manche Leute reden auch mehr zu sich selbst, auch wenn sie im Dialog zu sein scheinen.
Wenn man genau zuhört, merkt man, dass kein Austausch stattfindet, sondern das jeder nur seinen inneren Monolog nach Außen bringt und dem anderen gar nicht zu hört.

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 05.02.2009, 13:21
von Sternchen
aeyol hat geschrieben:Na... schweigen kann man auch noch, wenn man tot ist, wa?

Nee im Ernst: Kommunikation ist doch wie Essen, Trinken und Atmen ein menschliches (?) Grundbedürfnis. Da könntest Du auch fragen, warum es einem Menschen schwer fällt, mal ne ganze lange Weile gar nichts zu essen.


Richtig, wie sollte sich der Mensch denn sonst mitteilen wenn nicht durch Worte?
Ja durch nonverbale Sprache auch noch nur die führt meist mehr zu Mißverständnissen als wie man drückt klar aus was man denkt.
Für mich wäre jemand lange nur an zu schweigen unnangenehm, wie als wär ich zu dumm, das mir was kluges oder sinnvolles einfällt.
Manchmal kann einfach nur über belanglose Dinge zu reden schön sein, sofern die Stimmung passt.
Für mich ist Kommunikation mit anderen, wie die Lufr zum atmen.
Täte jemand der mir wichtig ist von mir nun dauernd fordern ruhig zu sein, käm es mir vor wie als würde man versuchen, mich selbst dauernd tot zu kriegen.
Zwar in den Sinne verbal, wie als würde jemand sich an den stören kann was du meinst oder fühlst, und würde dir gleich verbieten wollen zu atmen.
Und nein ich bin zwar ein Mensch der Gespräche liebt,aber ich weiß auch wann es angebracht ist mal lieber ruhig zu sein, und demzufolge ordne ich mich nicht als Labertasche ein, zum Glück.
Denn Menschen die einen ohne Ende zutexten empfinde ich als furchtbar nervig und aufdringlich.

Ich denke es kommt auf jeden Menschen selbst an ob er lieber viel oder weniger redet, wichtig ist es dann einfach nur den idealen Mittelweg zu finden, zwischen verbaler und nonveraler Kommunikation.
Kommunikation findet immer unbewußt statt, und sei es nur durch Körpersprache.
Denkt mal darüber nach.

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 05.02.2009, 14:39
von Möwe
Was manche Leute auch irritiert ist das unterschiedliche Redeverhalten von Männern und Frauen.
Frauen haben öfter die Neigung zu reden, um Nähe zu einer Person herzustellen aber keine Inhalte zu transportieren.
Das kann Männer manchmal irritieren, weil sie nicht verstehen, was die Damen ihnen sagen wollen - oder sie fühlen sich einfach zugelabert.
Da gibts doch (um mal ins Klischee-Thread abzugleiten) diese Witze über Frauen, die monologmäßig mit Männern eines ihrer FrauenProbleme wälzen und die Männer dadurch in die Verzeifllung treiben, dass sie wütend werden, weil die Typen ihnen Ratschläge geben. RATSCHLÄGE!!! Die wollen meist Verständniss, geknuddelt werden, tiefe Blicke (und dann erst Ratschläge - ohne eine Grundlage aus Verständiss haben die Mädels keine Aufnahmeorgane für Ratschläge).
Aber ok, das trifft nicht auf Mama und Taxifahrer zu, denke ich mal.

Re: Über den Drang zur Kommunikation

Verfasst: 05.02.2009, 19:21
von MarTenG
Threepbrush hat geschrieben:...was dazu geführt hat, dass ich da zeitweise als arroganter, klugscheißerischer Typ angesehen wurde...
Kenn ich nur zu gut. Ich bin allgemein ein ehr lakonischer Typ, zudem mit einem recht speziellem Humor (es gibt Leute die behaupten ich würde nie lachen, dabei sind mir deren Witze nur zu doof :roll: :wink: ). Grade bei Ansammlungen von Menschen mit geringerer Bildung kann ich mich gar nicht an deren Gesprächsthemen beteiligen weil ich da nur all zu oft Gefahr laufe sie zu beleidigen...
Das einigen Menschen eine schweigsame Person befremdlich vorkommt sehe ich auch daran, das ich es mehrmals erlebt habe, das mich jemand fragt warum ich ihn nicht mag. Diese Leute verstehen einfach nicht warum ich nicht jedem x beliebiegen, grade kennen gelernten Typen meine Lebensgeschichte erzähle. Umgekehrt versteh ich nicht wie man einen wildfremden mit offensichtlichen Belanglosigkeiten zutexten kann ;)
Ich bin wohl einfach nicht kompatibel zu fremden Menschen :mrgreen: