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Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 13:37
von nufafitc
Das Thema ist schon in einem anderen Thread mal kurz aufgetaucht, und bevor es da unter dem irreführenden Titel in der Versenkung verschwindet, dachte ich, direkt einen Thread aufzumachen. Kopiere hier erstmal die bisherige Diskussion rein:

nufafitc hat geschrieben:
Das hab ich schon beim Creative Writing-Unterrichten gemerkt...

Onkel Donald dazu:
Wird das jetzt neuerdings in Deutschland offiziell unterrichtet? Oder sprichst du von einem Privatkurs? :shock: Als ich mich von Berufs wegen damit auseinandergesetzt habe, gab es vorwiegend Literatur aus dem angelsächsischen Sprachbereich, wenn auch zunehmend häufiger in deutscher Übersetzung.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang finde ich übrigens die Tatsache, dass kein einziger dieser bekannten CW-Gurus einen wirklich erfolgreichen Roman veröffentlicht hat, und dass kein einziger wirklich erfolgreicher Schriftsteller solch einen Kurs besucht zu haben scheint. Offensichtlich gehört doch noch eine Menge mehr zum Schreiben eines Bestsellers, als das Wissen, das solche Lehrgänge vermitteln können. :wink:

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 13:38
von nufafitc
Weiter ging's dann mit:

nufafitc:
Ich unterrichte das jetzt schon seit... 2006, anfangs ohne Bezahlung, dann für 2 Semester mit, dann wieder ohne (so viel zu den Studiengebühren...), und jetzt mach ich ne Pause.
Es ist für die Anglistik-Studenten (in Aachen), aber auch für alle anderen Interessenten (hatte auch schon mal den ein oder anderen Nicht-Studenten oder BWLer drin). Gesprochen und geschrieben wird auf Englisch.

Die Literatur habe ich natürlich weitestgehend aus dem englischen Sprachraum (besonders der USA, wo das ja so richtig angefangen hat... auch wenn es Creative Writing sicher in der der einen oder anderen Form sogar im alten Griechenland gab, aber ich schweife ab). Es gibt aber auch deutsche. Witzigerweise bin ich auf die Idee gekommen, das zu "unterrichten" (der Begriff ist eh problematisch), nachdem ich in der Germanistischen Sprachwissenschaft ein Seminar besucht hatte: Schreibstrategien flexibilisieren - Kreative Schreibmethoden.

Zur Situation in Deutschland hast du aber Recht. Ich war mal beim Anglistentag (wo eigentlich nur Doktoren oder Professoren geladen werden, ich mich da aber mit Hilfe meines Profs reinschmuggeln durfte ;). Dort gab es eine Sektion zu dem Thema, wo es nicht nur um Anglistik, sondern generell um Kreatives Schreiben ging. Habe auch noch einige Unterlagen davon. Die Sache ist die: Es gibt hier in Deutschland sehr wenige Unis, wo das professionell durchgesetzt wird (z.B. die Uni Heidelberg, so weit ich weiß, bietet sowas in Kombination mit Medien, Verlagswesen an). In den USA werden ja teils direkt Schriftsteller ausgebildet und "verkauft". Ja, der Begriff stimmt schon: es ist wie bei Dan Brown, der ja auch Creative Writing-Lehrer war: Vermarktet müssen die Bücher werden, ob das innovativ inhaltlich oder von hoher Literaturklasse geprägt ist, ist Nebensache.
Dann gibt es aber auch natürlich andere Unis sowohl in den USA als auch Großbritannien, wo es ein Weg ist, in Kontakt mit Gleichgesinnten zu treten (so wie ich das eigentlich in meinem Kurs mache), weil man eben Freude am Schreiben und Lesen hat, selbst das mal in der Freizeit macht und gerne Feedback haben möchte.
In Deutschland wird das leider immer noch als "Häkelstunde" abgetan, wobei es für Lehrer unerlässlich ist, diese kreativen Schreibmethoden zu kennen (Perspektivenschreiben u.a.), aber es auch bei anderen Arbeiten hilft (z.B. Cluster-Verfahren zur Ideengewinnung, Strukturierung).

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 13:39
von nufafitc
Und weiter:

nufafitc:
Onkel Donald hat geschrieben:
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang finde ich übrigens die Tatsache, dass kein einziger dieser bekannten CW-Gurus einen wirklich erfolgreichen Roman veröffentlicht hat, und dass kein einziger wirklich erfolgreicher Schriftsteller solch einen Kurs besucht zu haben scheint. Offensichtlich gehört doch noch eine Menge mehr zum Schreiben eines Bestsellers, als das Wissen, das solche Lehrgänge vermitteln können. :wink:

Also oft ist es ja so, dass die Creative Writing-Lehrer "resident writers" sind (wenn ich den Begriff richtig verwende), d.h. es sind schon Schriftsteller, die nicht als Leitfaden da stehen und sagen "du schreibst so und nicht anders", sondern eher als Vermittler. Ein Creative Writing-Lehrer, genau wie ein Admin in einem forum, ist eher sowas wie jemand, der die Gespräche nicht aus dem Ruder laufen lässt, keine persönlichen Attacken, sondern eher konstruktive Kritik vermittelt (deshalb wäre das eigentlich auch für einige andere Leute ganz hilfreich, wie man so damit umgeht...).
Es gibt ein recht gutes Buch von James N. Frey ("How To Write A Damn Good Novel"), der schon einige Bücher geschrieben hat und da so einige Tipps gibt. Beim Anglistentag hatte ich auch das Vergnügen, den irischen Autor Glenn Patterson kennenzulernen, der das auch unterrichtet wie auch einige andere Autoren. Ich kannte die jetzt vorher auch nicht... aber es ist wirklich oft so, dass man an den Unis verstärkt richtige, etablierte Autoren anstellt, die eben auch einen Draht zum Markt haben.
Ich glaube, das Problem hier in Deutschland ist: Diese schwachsinnige Genie-Ästhetik (danke an Goethe und den Rest der Romantiker). Viele Autoren verhalten sich da so, als ob man sie nicht imitieren könnte. Es gibt sicherlich auch (jüngere) Schriftsteller, die gerne etwas preisgeben wollen... aber es kommt mir eben häufig so vor, als ob die alle als was Total Besonderes dastehen wollen (wo die dt. Kritiker auch nicht ganz unschuldig sind).
In den anderen Ländern ist Creative Writing eben praxisorientierter, und so setze ich das auch in meinem Kurs um. Ich verspreche nicht etwas von "Ihr werdet der nächste Melville oder Dickens". Aber: "Jeder kann etwas eigenes schaffen, was nicht Massenware ist".

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 13:39
von nufafitc
Stehen geblieben sind wir bei

Onkel Donald:
Hui, das sind einige wirklich interessante Ausführungen.

In Deutschland gibt es ja immer wieder diese kostenpflichtigen Angebote, die dir praktisch eine Karriere als Schriftsteller "verkaufen" wollen, aber dann auf nicht viel mehr als Groschenromanautoren verweisen können. Von diesen "Schreibschulen" (die du nicht gemeint hast, das ist klar) halte ich - gelinde gesagt - nichts.

In den USA sieht es anders aus, und dass Dan Brown CW-Lehrer war, wusste ich gar nicht. Er illustriert aber genau das, was ich mir bisher unter dem Ziel dieser Kurse vorstellte: Man lernt, Spannungskurven zu erzeugen und halbwegs plausible Charaktere zu erschaffen - darauf versteht er sich, damit ist er erfolgreich. Ich selbst finde seinen Schreibstil holprig und seine Art, sich zu verkaufen, recht marktschreierisch, aber das ändert natürlich nichts an seinem unstrittig vorhandenen kommerziellen Erfolg.

Ich glaube, dass die Amerikaner ein gesünderes Verhältnis zur Literatur haben, weil sie nicht so sklavisch zwischen U- und E-Literatur trennen wollen, wie das in Deutschland üblich ist (St. Goethe und St. Schiller, du hast es angesprochen). Ich selbst habe auch schon einige interessante Kniffe und Tricks aus solchen Büchern (z. B. "The Art of Dramatical Writing" von Egri oder die beiden Bände des von dir genannten Frey) entnommen. Das CW vergleiche ich gerne mit der Kunst eines Diamantschleifers: Er kann den Wert eines Diamanten durch sein Handwerk herausarbeiten, aber er kann die Größe des Rohdiamanten nicht beeinflussen. Anders ausgedrückt: Am Anfang war die Idee, und die kann man nunmal nicht "lernen".

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 14:13
von nufafitc
nufafitc hat geschrieben:In Deutschland gibt es ja immer wieder diese kostenpflichtigen Angebote, die dir praktisch eine Karriere als Schriftsteller "verkaufen" wollen, aber dann auf nicht viel mehr als Groschenromanautoren verweisen können. Von diesen "Schreibschulen" (die du nicht gemeint hast, das ist klar) halte ich - gelinde gesagt - nichts.
Das ist genau so eine Geldmacherei wie viele How To Write, Communicate blabla-Bücher (egal ob in Deutschland, USA oder anderen Ländern). Die Frage ist trotzdem: Wer finanziert es? In unserem Institut heißt es zwar: "Ja, wirklich toll, dass du so einen Kurs machst", aber Geldmittel gibt's nicht und Werbung dafür wird auch nur von den wenigsten gemacht.
Das erinnert mich an einen Kommentar von einem Philosophen (Name fällt mir nicht ein), der zu "Loriot" meinte: Er versteht es, etwas kunstvolles und unterhaltsames zu erschaffen. Aber viele Leute heute sagen ja "Literatur, Kunst, bah, sowas brauchen wir nicht." Das bringt kein Geld. Tja... in den anderen Ländern machen die Unis aber SEHR viel Geld mit solchen Kursen und es gibt sehr viel Interesse von Seiten der Leute. Hier scheint das vorab mit "für die Wirtschaft nicht fördernd" oder "Hobby für Leute, die zu viel Zeit haben" abgetan.
Zu Dan Brown stimme ich auch zu, dass er keinen erkennbaren Stil hat und nur flache Charaktere wie Stories hat. Nur darf man nicht außer Acht lassen, dass er es trotzdem schafft, nicht zu langweilen. Als ich "Da Vinci Code" gelesen hab, war's wie mit "Geheimakte Tunguska": Ganz nette Unterhaltung, ohne viel drüber nachzudenken.

In meinem Kurs, und das gilt auch für viele andere Kurse, z.b. an der Uni Köln, hab ich immer versucht, so ein Grundgerüst aufzubauen von wegen "Was macht Charaktere so interessant", "wie könnte man da und da die Story entwickeln" etc. Oft geht es dann auch darum, zu erkennen, wie viele Klischees man doch benutzt (und das ist bei Computer,Videospielstories genauso, egal wie erwachsen sie sich verkaufen). Und vor allem wie viel erschreckend wenig Eigenes man mitbringt. Denn kreativ zu sein... naja, JEDER ist von IRGENDETWAS oder IRGENDJEMANDEM inspiriert. Da gibt's auch keine Ausnahmen, selbst die alten Dichter nicht. Shakespeare hat ja auch nur geklaut, was schon nicht mehr feierlich war...

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 17:20
von Onkel Donald
nufafitc hat geschrieben:Tja... in den anderen Ländern machen die Unis aber SEHR viel Geld mit solchen Kursen und es gibt sehr viel Interesse von Seiten der Leute. Hier scheint das vorab mit "für die Wirtschaft nicht fördernd" oder "Hobby für Leute, die zu viel Zeit haben" abgetan.
Das liegt, glaube ich, an dem schon angesprochenen verqueren Literatur-, bzw. Kunstverständnis der Deutschen zum einen und zum anderen an der hierzulande sehr verbreiteten arrogant-ignoranten (Natur-)Wissenschaftsgläubigkeit, die nichts gelten lassen will, was nicht empirisch erfassbar ist, es sei denn, es handele sich um ein "ehrliches Handwerk" (und selbst auf das wird aus Akademikerkreisen gerne abfällig geschielt).
nufafitc hat geschrieben:Zu Dan Brown stimme ich auch zu, dass er keinen erkennbaren Stil hat und nur flache Charaktere wie Stories hat. Nur darf man nicht außer Acht lassen, dass er es trotzdem schafft, nicht zu langweilen. Als ich "Da Vinci Code" gelesen hab, war's wie mit "Geheimakte Tunguska": Ganz nette Unterhaltung, ohne viel drüber nachzudenken.
Ich würde sagen, das ist die Vorbedingung: Wenn du anfängst, darüber nachzudenken, ist es keine gute Unterhaltung mehr. :mrgreen: Dan Brown mag kommerziell erfolgreich sein, aber ich glaube, er ist eine Modeerscheinung, er hat nicht das Zeug zum Klassiker. Warum? Weil er nichts zu sagen hat! Er will einfach nur unterhalten, eine spannende Geschichte erzählen, aber es geht ihm eigentlich um nichts weiter. Er zeigt ein buntes, überschaubares Aquarium, das mit dem echten, tiefen Ozean nicht viel gemein hat. Trotzdem hätte ich gerne seine Verkaufszahlen. ;)
"Geheimakte Tunguska" hat mir aufgrund der Grafik und der gelungenen Spielmechanik viel Spaß gemacht, aber es wird ebenfalls nie zu einem Klassiker werden - es ist ein Produkt von der Stange, handwerklich überdurchschnittlich gut umgesetzt, aber ohne Inspiration.
nufafitc hat geschrieben:JEDER ist von IRGENDETWAS oder IRGENDJEMANDEM inspiriert.
Ganz genau, und das ist auch überhaupt keine Schande! Ich verstehe diese Forderung nicht, immer das Rad neu erfinden zu müssen - im Spielebereich kennen wir diesen obligatorischen Ruf nach Innovationen ja auch. Völlig unnötig, meiner Meinung nach, denn wenn ein Spiel bereits Bekanntes nimmt und gut und abwechslungsreich in Szene setzt, kann das mehr Befriedigung verschaffen als irgendetwas zwanghaft Neues, das in erster Linie dadurch auffält, dass es "anders" ist.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 17:40
von nufafitc
Onkel Donald hat geschrieben:Ganz genau, und das ist auch überhaupt keine Schande! Ich verstehe diese Forderung nicht, immer das Rad neu erfinden zu müssen - im Spielebereich kennen wir diesen obligatorischen Ruf nach Innovationen ja auch. Völlig unnötig, meiner Meinung nach, denn wenn ein Spiel bereits Bekanntes nimmt und gut und abwechslungsreich in Szene setzt, kann das mehr Befriedigung verschaffen als irgendetwas zwanghaft Neues, das in erster Linie dadurch auffält, dass es "anders" ist.
Ja, man denke nur an "Psychonauts". Ich find das absolut genial von der Umsetzung, Story, Charakteren, Gameplay. Ist es neu? Nö, Jump'n'Run mit Alles-Kaputtschlagen, um was aufzusammeln. Verknüpft mit etwas Adventure-typischen Lösungen von Problemen.
Ist aber um einiges unterhaltsamer als wenn irgendwelche Genres gemixt werden und nur Halbgares dabei herauskommt.

"Fahrenheit" wollte das ja versuchen und hat es stellenweise zwar geschafft, nur erinnern sich die meisten an Rhythm-Dance-Einlagen, dummes Ende. Nix mit Innovation.
"Heavy Rain" wird sicher neue Standards setzen mit Gesichtsmimik, Emotionen und so... aber wenn die Story und Charaktere dann doch etwas abflachen... was bleibt einem da das innovative? Glaube wieso, dass David Cage ziemlich von sich überzeugt ist, weil er ja mal mit an Drehbüchern geschrieben hat und so. Da redet ihm dann keiner rein.

Um aufs Creative Writing und Bücher zu kommen: Ich sag immer im Vorherein: "Leute, ihr braucht euch nicht anzustrengen, was innovatives zu bringen, denn alles ist schon mal da gewesen. Es ist nur eure persönliche Wahrnehmung, die das Schreibprodukt letztendlich vom Rest abtrennt". So hat es ja auch Tim Schafer gemacht bei Spielen, Tim Burton bei Filmen und... jetzt fällt mir kein anderer Tim ein, aber bei Büchern nennen wir einfach mal Charles Bukowski. Die haben alle einen eigenen Stil, neu erfinden tun die gar nichts, nur eben mit ihrer besonderen Perspektive fallen sie auf.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 20:10
von MarTenG
Onkel Donald hat geschrieben:Das liegt, glaube ich, an dem schon angesprochenen verqueren Literatur-, bzw. Kunstverständnis der Deutschen
Warum verquer? Sicher Goethe und Konsorten haben zum eigenen Vergnügen geschrieben und waren unabhängig vom Erfolg ihrer Werke, wohingegen Shakespeare von seinen Werken lebte, somit etwas schreiben mußte, was anderen gefällt. Jetzt aber zu sagen, etwas zu schreiben, mit einem gewissen Anspruch, losgelöst vom allgemeinen Glauben was gut und was schlecht ist, sei verquer, wohingegen der Ansatz massentaugliche "Kost" zu liefern sei super, halte ich für falsch. Goethe hatte nur einen kommerziellen Erfolg (meine ich mich zu erinnern gelesen zu haben) und das war das ehr triviale "Leiden des jungen Werther".

Ich finde es auch schade, dass es so wenige Kurse in die Richtung kreatives Schreiben gibt. Grade schon an Gymnasien als AG kann ich es mi gut vorstellen.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 20:27
von Onkel Donald
MarTenG hat geschrieben: Jetzt aber zu sagen, etwas zu schreiben, mit einem gewissen Anspruch, losgelöst vom allgemeinen Glauben was gut und was schlecht ist, sei verquer, wohingegen der Ansatz massentaugliche "Kost" zu liefern sei super, halte ich für falsch.
Ich auch. Meine Aussage bezog sich auf die strikte (und unsinnige) Grabentrennung zwischen U- und E-Kunst durch die Kritikerszene. Ich habe ja genau das Dan Brown vorgeworfen, dass er es nur darauf anlegt, massentaugliche Kost zu liefern und keinen wirklichen erzählerischen Anspruch verfolgt. Ich mag z. B. Autoren wie Michael Ende, der beides gut hinbekommen hat. Ich finde auch Thomas Mann beeindruckend. Und ich lese gerne Karl May. Für mich widerspricht sich das nicht. Als Leser finde ich es aber scheußlich, dass ich fast nur die Wahl habe zwischen verkopfter Intellektuellenliteratur oder seichtem Mainstream. In keinem Land ist dieser Graben so breit und tief wie in Deutschland.

Ich persönlich würde sogar soweit gehen, dass der einzig richtige Ansatz zum Schreiben der von dir beschriebene ist: Schreiben, was man als Autor mit Leidenschaft vetritt und selbst gerne lesen möchte, und dann erst schauen, ob es ein Publikum dafür gibt. Auf diese Weise entstehen Meisterwerke und hin und wieder auch unerwartete Publikumserfolge. Ob diese gleich als solche rezipiert werden, steht auf einem anderen Blatt. Autoren, die zuerst nach dem Publikum schielen, mögen einen kurzfristigen Erfolg einfahren können (auch das ist nie sicher!), aber selten in langer Erinnerung bleiben.

Wogegen ich mich wehre, ist die Tatsache, dass bestimmte Genres automatisch U sein müssen und nicht E, und dass ein Buch immer entweder U oder E zu sein hat und nicht beides.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 22:19
von nufafitc
Onkel Donald hat geschrieben:Wogegen ich mich wehre, ist die Tatsache, dass bestimmte Genres automatisch U sein müssen und nicht E, und dass ein Buch immer entweder U oder E zu sein hat und nicht beides.
Nur kurz: Sehe ich auch so.
Zum Glück gibt es ja an einigen Unis Dozenten, die das nicht mehr so eng sehen (auch die älteren). Ich habe mit meinen Classic British Englisch-Prof. nen Glückstreffer gehabt, denn der bespricht dann auch mal gerne Agatha Christie bei Detektivromanen. Auch Sci-Fi, also Dystopian Novels werden da gerne benutzt. Ein anderer Prof. wiederum wirft dann gerne mit "masterpiece" oder sonstwas herum. Kann er zwar auch begründen, aber ich find's trotzdem etwas überheblich, da von "classics" zu sprechen. Was jetzt ein Klassiker ist (egal ob auf Deutsch, Englisch oder einer anderen Sprache), fanden die Kritiker damals scheußliche Trivialliteratur.
Ich bezweifle auch stark, dass Dan Brown und Konsorten nen bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber z.B. Stephen King wird stellenweise auch besprochen, in der Schule. Man mag ja über seine eifrige Produktion sagen, was man will, aber z.B. "Misery" ist echt gut geschrieben, besonders wenn der Autor sich über seine Leserschaft auslässt (was ja n kleiner Seitenhieb von King selbst auf seine eigenen Geldgeber ist). Der ist auch nicht umsonst seit Jahren erfolgreich. Klar wird oft dasselbe Prinzip benutzt, aber stilistisch find ich es manchmal schon recht gut.
Terry Pratchett ist ein weiteres gutes Beispiel für Kompromiss zwischen Anspruch und Massentauglichkeit. Was da alles für Anspielungen, Wortspiele und Sprache drin ist, versteckt unter eher einfachen Geschichten und simplen Worten, find ich sehr gut. Nicht umsonst wird er ja als "Charles Dickens des 20. Jahrhunderts" gehandelt.
Dickens war damals auch ein absolutes Massenphänomen, und der Spruch "Kennst du eins seiner Bücher, kennst du alle" trifft fast zu (habe alle seine Bücher gelesen und kann das auch bestätigen ;)). Nur haben diese Autoren wirklich noch ne Aussage und einen persönlichen Bezug zu dem, was sie schreiben. Dickens und Pratchett kritisieren die Gesellschaftsformen u.a. (was nicht sehr neu ist, aber naja), King untersucht halt die Urängste... nur bei Brown ist eben nix dahinter. Dafür ist er aber auch ehrlich irgendwo. Ich glaube, wenn man ihn fragen würde, was er mit seinen Büchern ausdrücken will (nicht, dass irgendjemand so Fragen stellt), käme bestimmt die Antwort: "Warum? Muss ich denn irgendwas ausdrücken? Ich unterhalte. Nicht mehr, nicht weniger." Der ist sich bestimmt auch bewusst darüber, dass seine Masche nicht lange zieht. Irgendwann nervt das immerselbe Prinzip auch die Masse (das ist bei Filmen (Slasher-Horror) genau wie bei Computerspielen(Mystery-Adventures, WWII-Shooter)).

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 23:14
von insane3
Kleine dumme Frage zu Beginn: Was sind U- und E-Kunst? (U=Unterhaltung?)

Ich schreibe seit geraumer Zeit auch Geschichten. In unserer Uni wurde letztes Semester ebenfalls ein Kurs zum Kreativen Schreiben angeboten. Zum Glück habe ich einen Platz bekommen und ein paar Leute kennengelernt, die ebenfalls begeistert schreiben und die selben Probleme damit haben wie ich ;)

Der Kurs hat mir richtig geholfen, schreibe jetzt viel mehr und mit etwas mehr Verstand. Habe zwar im Moment das Problem, dass ich 3 angefangene Romane habe und einige fertige Kurzgeschichten, die ich ab und an mal zu Wettbewerben schicke. Leider finde ich wegen der Uni keine Zeit, die größeren Projekte mal fertig zu schreiben. Zweites Problem: Was mache ich dann damit? Als Anfänger hat man es natürlich schwer, erfolgreich damit zu sein, bzw. überhaupt von so etwas leben zu können. Das schlägt sich natürlich auf die Lust am Schreiben und an der Kreativität aus.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 27.10.2009, 23:46
von nufafitc
insane3 hat geschrieben:Kleine dumme Frage zu Beginn: Was sind U- und E-Kunst? (U=Unterhaltung?)
Bei U hast du Recht, E... ja, also, ich denke mal sowas wie Echte Kunst? Frag da mal die Ente ;)
insane3 hat geschrieben:Der Kurs hat mir richtig geholfen, schreibe jetzt viel mehr und mit etwas mehr Verstand. Habe zwar im Moment das Problem, dass ich 3 angefangene Romane habe und einige fertige Kurzgeschichten, die ich ab und an mal zu Wettbewerben schicke. Leider finde ich wegen der Uni keine Zeit, die größeren Projekte mal fertig zu schreiben.
Das Problem kenne ich auch. Bin auch noch dabei, ein Radio-Drama-Stück, was ich damals an einer englischen Uni geschrieben hab (wo ich übrigens auch kurz CW unterrichtete), zu Ende zu bringen. Fehlen eigentlich nur ein paar Aufnahmesessions und die Komposition der Musik mitsamt Soundeffekten (der größte Aufwand).
Das mit unvollendeten Projekten ist aber, wie du schon sagst, ein generelles Problem. Sammel auch noch Sachen von Leuten für eine Veröffentlichung an der Uni. Kam bisher aber nicht dazu.
insane3 hat geschrieben:Zweites Problem: Was mache ich dann damit? Als Anfänger hat man es natürlich schwer, erfolgreich damit zu sein, bzw. überhaupt von so etwas leben zu können. Das schlägt sich natürlich auf die Lust am Schreiben und an der Kreativität aus.
Also leben kann man davon eigentlich nicht wirklich, außer man heißt Dan Brown oder sonstwer, der aber schon länger dabei ist und den Buchmarkt kennt. Und eben auch Verbindungen hat. Ohne Verbindungen werden die meisten Manuskripte eh direkt aussortiert, soweit ich das mitbekommen habe.
Am besten sind eigentlich so kleinere Verlage. Da muss man vielleicht selbst draufzahlen und sich an den Druckkosten beteiligen. Allerdings hat man da wesentlich bessere Chancen, sein Ding durchzuziehen als bei den großen anzufragen. Die sind nämlich auch nur an Vermarktung interessiert und wollen große Namen.

Ne weitere Möglichkeit ist natürlich, je nachdem was du schreibst, an Poetry Slams teilzunehmen. Das müssen dann nicht immer unbedingt Gedichte sein. Es können auch kleinere Geschichten sein. Ein Freund von mir, mit dem ich auch ein Hörspiel gemacht hatte, hat immer sehr gerne geschrieben, hat bei einem dieser Slams teilgenommen und fast den ersten Preis gemacht (da hab ich ihn auch kennengelernt). Ich denke mal, so gewinnt man auch einiges an Erfahrung. Denn viele Autoren gewinnen ja einiges an Bekanntheit mit ihren Lesungen. Und zu Schreiben gehört auch das richtige Vorlesen. Jetzt auch ohne Publikum. Wenn man beim Lautsprechen seiner eigenen Texte merkt, das ist holprig, dann klingt das so...

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 00:00
von MarTenG
insane3 hat geschrieben:Kleine dumme Frage zu Beginn: Was sind U- und E-Kunst? (U=Unterhaltung?)
Hatte ich mich auch schon gefragt ;)

Bin dann über andere Kunstformen ran gegangen und habe das gefunden:
Die Begriffe E-, U- und F-Musik versuchen, musikalische Phänomene in ernste (E-), unterhaltende (U-) und funktionale (F-) zu unterteilen.
Quelle

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 00:22
von nufafitc
E = Ernste Literatur? Naja, da find ich meinen Begriff "echte Literatur" ja schon fast besser...
Heißt "Ernst" dann sowas wie "Wir bauen uns einen Egotrip mit Suizid am Ende? Zwischendurch wird man auch mal sexuell aktiv?" Denn so hab ich bisher vieles von deutscher Literatur vermittelt bekommen. Schuld die Schule und Uni... Wobei ich "Das Parfüm" eigentlich ganz gut fand... wegen dem äußerst sympathischen Hauptcharakter ;)

Funktional würde ich dann einfach mal ganz grob übersetzen: "Das Buch funzt nicht, will keiner haben." Lustig sind die Bezeichnungen schon... Ich denke nur, was so ein Lektor oder Verlagschef sagt: "Neeee, neeee. Dein Buch ist einfach... also... es ist defekt."

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 09:01
von Onkel Donald
Die Ente entschuldigt sich kniefällig für die angerichtete sprachliche Verwirrung und klärt auf: E ist die Literatur, die den Ingeborg-Bachmann-Preis bekommt, und U ist die Literatur, die dann tatsächlich im Buchhandel gekauft und gelesen wird. :mrgreen: MarTenG hat natürlich Recht, ich benutzte diese Bezeichnung von der Musik herkommend, da machen sie nämlich gerne den gleichen Unsinn...
nufafitc hat geschrieben:Also leben kann man davon eigentlich nicht wirklich, außer man heißt Dan Brown oder sonstwer, der aber schon länger dabei ist und den Buchmarkt kennt. Und eben auch Verbindungen hat. Ohne Verbindungen werden die meisten Manuskripte eh direkt aussortiert, soweit ich das mitbekommen habe.
Da ist viel Wahres dran, aber ganz so schlimm wie in Amerika ist es in Deutschland noch nicht. Man hat durchaus die Chance, einfach ein Manuskript einzusenden und angenommen zu werden. Viele Verlage lassen sich zunächst aus Zeitgründen eine Leseprobe (in der Regel den Beginn der Geschichte) schicken und fordern bei Bedarf den gesamten Text an.

Das Hauptproblem ist heute eben auch, dass bei weitem (!) nicht jeder, der gerne schreibt und davon leben möchte auch wirklich das Zeug dazu hat. Die Verlage werden zugemüllt mit Hdr-, HP-, Sherlock-Holmes- und sonstigen Klonen. Nicht alles, was dem Autor selbst und vielleicht dem geneigten Freundeskreis gefällt, muss deshalb auch gleich einen größeren Leserkreis ansprechen, dem der persönliche Bezug zu Geschichte und Verfasser logischerweise fehlt.

Es ist in diesem Zusammenhang schon bezeichnend, dass auch die erfolgreichsten aktuellen Fantasy-Romane sich größtenteils wie eine Variation von Tolkien lesen - nicht alle, aber eben doch sehr viele.