Agatha Christie: Und dann gab's keines mehr
Verfasst: 13.01.2006, 12:38
Grappa11 hat geschrieben:Ich wollte, nachdem ich es heute durchgespielt habe, mal ein paar Worte zum Spiel loswerden. Habe leider keinen passenderen Thread gefunden, aber 'nen neuen wollte ich auch nicht extra aufmachen
Also: Storytechnisch ist das Spiel ganz hervorragend! War allerdings aufgrund halbwegs engen Anlehnung an Agatha Christies Roman auch nicht unbedingt anders zu erwarten. Das Spiel ist von Beginn an fesselnd, was nicht zuletzt auch an der sehr gelungenen atmosphärischen Umsetzung liegt - stimmige, jedoch dezente Musikuntermalung und tolle Synchronisation. Einzig die durchwachsene Grafik kann da nicht mithalten. Einen echten Adventure-Freund wird das alleine sicherlich nicht abhalten, aber es ärgert einen schon ein wenig, wenn man sieht, dass oft scheinbar nur ein bißchen geschlampt wurde und einfach mehr drin gewesen wäre.
Die Umgebung, sowohl im Haus, als auch ausserhalb gefällt sehr gut, die einzelnen Figuren allerdings lassen oftmals (auch in den Zwischensequenzen) einen gewissen Detailsreichtum vermissen. Die Animation sind, wie ich finde, gelungen, aber hier sieht man ab und an (besonders, wenn man die Füße der Personen genauer betrachtet) das auch dort mehr drin gewesen wäre. Gut, man kann alles schlechtreden wenn man will. Das möchte ich aber gar nicht! Die Grafik befindet sich insgesamt auf einem mehr als akzeptablen Niveau für ein Adventure, aber nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass anfangene Dingen teilweise nicht ganz zuende geführt wurden.
Dies gilt allerdings, neben Story und Sound, glücklicherweise nicht für's Rätseldesign. Die Rätseldichte ist ingesamt okay. Es hätten vielleicht ein paar Rätsel mehr und manche Rätsel auch eine Spur anspruchsvoller sein können, jedoch kann man eigentlich nur die Verteilung der einzelnen Rätsel ernsthaft kritisieren. Zum Ende hin wird es relativ dünn mit zu bewältigenden Aufgaben und man springt von einem Kapitel ins nächste, was bei der sinkenden Anzahl von Protagonisten zwar nachvollziehbar aber nicht unbedingt erfreulich ist. Erfreulich ist hingegen, dass viele Rätsel nicht zwangsläufig direkt, sondern auch erst zwei drei Kapitel später noch gelöst werden können. Auch die Tatsache, dass viele kleinere Aufgaben (wie das Reparieren eines Radios) nicht zwingend notwendig für das erfolgreiche Erreichen des Spielendes sind, sondern lediglich dazu dienen die ein oder andere Hintergrundinformation über die einzelnen Charaktere zu erlangen, weiß zunächst zu gefallen. Wenn man aber die Gesamtspielzeit bedenkt (ich schätze zwischen 12 und 18 Stunden je nach Spielertyp), ist es eigentlich nicht mehr wirklich sinnvoll den Spieler von nicht wirklich schwierigen Aufgaben praktisch zu entbinden, auch wenn der Spieler das in dem Moment natürlich noch gar nicht weiß.
Was teilweise auch etwas übertrieben wurde, ist die Tatsache, dass man (fast) in jedem neuen Spielabschnitt mit allen Personen ein Schwätzchen halten muss, obwohl die Leute selten Infos bieten die man unbedingt braucht. Nur der Kontakt ansich ist wichtig für's Weiterkommen und nicht die Information, das ist etwas schwach. Zudem hätten die Dialoge teilweise etwas ausführlicher sein können (und dann natürlich nicht verpflichtend was Smalltalk angeht), so dauern die einzelnen Gespräche oft nur wenige Sekunden. Dafür allerdings gibt es zahlreiche Zwischensequenzen in denen (natürlich nicht beeinflussbare) viele auch längere Dialoge ablaufen.
Schön ist jedenfalls, dass es auch einige Inventarrätsel gibt, bei der man bspw. die Glühbirne aus einer Schreibtischlampe entfernen oder eben mehrere (bis zu vier) Dinge miteinander kombinieren muss. Das Inventar ist zwar relativ geräumig (mehseitig) und sinnvoll als klickbare Tasche am linken oberen Bildschirmrand angeordnet (auch standardmäßig per Rechtsklick aufklappbar), jedoch trägt die Spielfigur später soviel Zeug mit sich herum, dass man sich fragt, ob man das nicht vielleicht doch etwas anders hätte regeln können. Aber nerven oder gar Frust erzeugen tut es nie. Während sich das Inventar von links nach rechts bis etwa zur Mitte des Bildschirms aufklappen lässt, kann man von rechts nach links eine Art Journal aufklappen. Hier notiert Patrick den wesentlichen Inhalt von Briefen und Büchern die er im Laufe des Spiels findet. Besonders häufig allerdings benötigt und benutzt man es nicht.
Die Steuerung jedenfalls könnte nicht viel einfacher sein. Es gibt kein Pixelhunting, jeder Hotspot ist so groß, dass man ihn wohl selbst bei 3 Promille noch problemlos treffen würde.Auch die schnellere Fortbewegung per Doppelklick funktioniert sehr gut. Rumgeschleiche wie in TMoS oder krüppelige Kaufbewegungen wie in Das Geheimnis der Druiden gibt es hier nicht.
Die Geschichte hat mehrere mögliche Endungen wovon ich allerdings nur zwei gesehen habe, die aber beide absolut zufriedenstellend sind. Im Anschluß daran wird dem Spieler in einem netten Video das Ende, wie es Agatha Christie selbst vorgesehen hat, präsentiert. Das ist wirklich toll gemacht!
Ein Wort noch zur Lokalisation: Eine solche Qualität war man bisher eigentlich nur von dtp und Co. gewöhnt. Professionelle und gutaufgelegte Sprecher (der Hauptcharakter hat die Stimme von Edward Norton aus "Zwielicht" mit Richard Gere), sorgen zusammen mit der Musik für eine tolle Atmosphäre, und lassen hoffen, dass wir in Zukunft auch von diesem Publisher regelmäßig eine solche Qualität geboten kriegen.
Erwähnen sollte man noch, dass an zwei (bei mir war's nur die Stelle mit dem Buch aus der Schreibtischschublade) Stellen das Spiel abstürzt. Da das Betrachten der jweiligen Gegenstände allerdings nicht für die Lösung notwendig ist, verschmerzbar aber nicht verzeihlich, besonders da es (soweit ich weiß) bis heute noch keinen Patch gibt, der das Problem behebt.
Von mir gibt's 80%, hat mir wirklich (trotz kleinerer Schlampereien) sehr gut gefallen!