Ich schreibe das jetzt einfach mal hier rein, passt ja irgendwo zum Thema. Nur kurz zur Info: Ich habe nach dem vorletzten Absatz keine Lust mehr gehabt weiter zu schreiben. Fand den Text aber ganz okay und wollte ihn nicht einfach vernichten.Achtung Spoiler!
Postal, mein erster „Boll“ überhaupt
Ich habe schon viele Filme gesehen. Anspruchsvolle, humorvolle, sinnlos brutale, historische, trashige, fantasievolle, schräge, tiefsinnige, belanglose oder actionreiche Filme. Filme die mit brillanten schauspielerischen Leistungen überzeugen, Filme die tolle Geschichten erzählen, Filme die einfach optisch ansprechend in Szene gesetzt sind, Filme in schwarz/weiß, Filme in Farbe, Stummfilme, Tonfilme, animiere Filme, Zeichentrickfilme. Diese Auflistungen könnte ich jetzt mehr oder weniger beliebig fortführen. Aber ich versuche es abzukürzen. Egal welche Art von Film ich mir anschaute, ich konnte mir bisher eigentlich immer ein abschließendes Urteil bilden. Zumindest eines, das sich nicht von heute auf morgen auch nur annähernd um 180° drehen könnte.
Bei Postal allerdings ist dies erstmals anders. Ich kann mich selbst, jetzt kurz nachdem ich den Film gesehen habe, nicht entscheiden, ob er mir gefallen hat oder nicht. Man kann ihn versuchen in ein Genre einzuordnen, wobei er dann mit am Wenigsten in die Kategorie „Videospielverfilmung“ passt. So richtig gespielt habe ich Postal zwar damals nicht, doch sind die vielen recht deutlichen Anspielungen auf Inhalte des Computerspiels zu aufgesetzt, etwa die Szene auf der Amtsstube, bei der die Frau am Schalter selbigen natürlich gleich dicht macht, als der Hauptcharakter an der Reihe ist.
Der Film startet mit einer Szene in einem Flugzeugcockpit, in dem zwei arabisch aussehende Männer ein Gespräch führen, das sich mit der Anzahl der Jungfrauen, die einem Märtyrer nach dem Tod im Paradies zur Verfügung stehen, beschäftigt. Ein Telefonat mit Chef Osama soll den Streit klären, woraufhin man sich bei der Zusicherung von 20 Jungfrauen, ursprünglich waren es 100, eigentlich dazu entschließt Richtung Bahamas abzudrehen. Die Passagiere machen ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung, als sie ins Cockpit eindringen und den Absturz der Maschine ins World Trade Center verursachen.
Diese erste Szene hinterlässt bereits diesen zwiespältigen Eindruck, den man – mit einigen Aussetzern – über den gesamten Film hinweg immer wieder erhält und bis zum Ende nicht mehr abschütteln kann. Man weiß, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Interviews Uwe Bolls im Vorfeld, noch bevor das erste Wort gesprochen ist, wo man sich befindet, und glaubt, aufgrund der Tragik des Ereignisses, keinesfalls lachen zu dürfen. Dies kann der Zuschauer aber letztlich nicht verhindern, auch wenn in den Gesichtern der Personen um einen herum zwischen Prusten und lautstarkem Gelächter bzw. verschmitztem Grinsen und krampfhaft ernster Miene beinahe alle Eindrücke zu finden sind, allerdings nirgends ehrliches entsetzen über das was dort auf der Leinwand geboten wird. Dies könnte in den USA allerdings ganz anders sein.
Nimmt man nämlich eine andere Szene aus dem Film, bei der es gerade vielen von uns Deutschen schwer fallen dürfte zu lachen, könnte man ganz andere Reaktionen erwarten. In jener Szene kehrt der Hauptdarsteller nebst Gefolge in einer Art Entertainment-Park ein, der sich Little Germany nennt. Um dort nicht aufzufallen, kleben sich alle einen Quadratbart an und tragen eine Hakenkreuzbinde. Chef dieses Parks ist Uwe Boll höchstpersönlich. In Lederhosen und stets mit Bierkrug in der Hand steht er gerade einem Fernsehteam Rede und Antwort. Boll lässt sich dabei in seinem Film als „umstrittener Regisseur“ ankündigen und bestätigt auf eine Frage des Reporters kurz darauf die Finanzierung seiner Filme mit „Nazigold“. Das ist noch harmlos und hat man mittlerweile von Boll schon in unzähligen seiner Interviews zu lesen und zu hören bekommen. Als er dann aber wenigen Minuten später den kleinwüchsigen Sondergast des stattfinden Festaktes mit Goldzähnen bezahlt, dürfte es so manchem Zuschauer in Deutschland schon den Magen umdrehen. Doch auch im Publikum sitzen Menschen, die, kurz nach dem Verlassen des Kinosaals am Ende des Films von einem „Schund-Film“ sprechen und sich fragen wie Boll mit sowas Geld verdienen wolle, sich nicht zuletzt aber auch bei dieser und anderen Szene köstlich amüsierten.
Die Tabubrüche um die Geschehnisse vom 11. September und die Nazivergangenheit Deutschlands sind bei weitem nicht die einzigen in Postal. In jeder auch noch so belangslos erscheinenden Szene wird ein weiteres gebrochen. Dabei handelt es sich nicht immer um so „schwere Kaliber“ wie bei den beiden genannten Beispielen, jedoch immer welche an denen sich nicht wenige Zuschauer stoßen könnten. Dabei fällt jedoch auf, dass die von Boll bewusst zelebrierten Tabubrüche häufig sehr konstruiert in den Film eingebaut, völlig gleich, ob dabei lediglich Ekelgrenzen überschritten werden, z.B. als einer der Nebendarsteller, der Leiter einer christlichen Sekte ist, sich Hasch rauschend aus dem Bett zwischen seinen vier Gespielinnen erhebt und splitternackt zur Toilette rüber wandert und eindeutige Geräusche produziert, ein schwarzer und ein weisser Polizist, der von Ralph Möller gespielt wird, Sex mit der fettleibigen Ehefrau des „Postal-Dude“ haben oder gleich Reihenweise fröhliche Kinder dahin gemetzelt werden. So häufig jedenfalls wie in Postal Dinge gezeigt und gesagt werden, die anderswo meist umgangen werden, kann man dem Film fast nicht mehr unterstellen, dass es sich dabei lediglich um einen PR-Gag handelt, um damit möglichst viele Kritiker zu vernichtenden Urteilen bewegen und damit letztlich ein größeres Publikum in die Kinos zu locken.
Erstaunt ist man darüber, zumindest wenn man Bolls Filme nur vom Hörensagen kennt, dass der Film ab 16 Jahren freigegeben ist. Obwohl der Film auch Inhalte bietet, die durchaus eine 18er-Freigabe hätten rechtfertigen können, scheint das blaue Prüfsiegel der FSK doch angemessen. Die Gewaltdarstellung hält sich in Grenzen und ist abgesehen vom einen oder anderen Körpertreffer verhältnismäßig wenig explizit.
Abschließend beantworten, wie man sich zu diesem Film stellen will, kann man eigentlich kaum. Ich fand ihn teilweise etwas langatmig aber streckenweise ziemlich unterhaltsam. Die Tabubrüche sind meist sehr plump, teilweise primitiver Natur, teilweise moralisch fragwürdig. Ob man darüber lachen darf sollte aber nicht die Frage sein. Ich denke, sofern man Boll bei solchen Inhalten wirklich zutrauen sollte, dass er ein fast schon hehres Ziel im Auge hat, überholte oder sinnlose Tabuisierung zu ächten, erreicht er dies bei seinen Zuschauern. Keine noch so anstößige Szene vermag einen dabei aus dem Kinosessel zu zwingen. Diesen verlässt man erst sobald der Abspann läuft, jedoch mit gemischten Gefühlen.
Doreau: "I've worked with Sledge Hammer a long time. Granted, Sledge is irresponsible, undependable, egotistical, insensitive, chauvinistic, sadistic and cruel, but other than that he's a terrific guy."
Es ist wirklich egal, welchen Film von Boll man anschaut - sie sind tatsächlich immer gleich. Man könnte fast schon von einem eigenen Stil sprechen.
Während in Postal noch ganz merkwürdige Continuity-Brüche für Erheiterung sorgten, sind es in Dungeon Siege eine ganze Reihe von Szene - u.a. auch eine phänomenal gefühlvolle Szene in einem Gefangenen-Transporter. Ich will jetzt nichts vorausnehmen, nur soviel: "Sie sind zusammen." Ihr werdet merken, was ich meine.
Ansonsten hier das Dungeon Siege Review von der Uni Augsburg.