Ich habe Anna jetzt durch und muss sagen, dass ich wirklich zufrieden bin und von den Spiel zunehmend begeistert wurde. Ein rundum gelungenes Adventure-Erlebnis! Ich weiß, dass es bei vielen die Befürchtung gibt, dass es kindgerecht sein soll. Mich hatte der atmosphärische Trailer davon überzeugt, dass dem nicht so ist, und so ist es denn auch. Bei Anna's Quest handelt es sich um ein ganz normales Adventure, das weder auf Kinder zugeschnitten ist noch diese meiner Meinung nach explizit ansprechen will.
Ein paar Gedanken:
Die Figur Anna schlägt erstmal ein wenig in die Kerbe von "Harveys neue Augen": Da ist das junge, unschuldige Ding, das unverhofft in ziemliche Wirren gerät und sich da nun mit seinen Mitteln durchkämpfen muss. Anna ist fast so süß wie Lilly, zwar nicht sooo schräg, aber doch ein bisschen, und bei weitem nicht so wortkarg. Zu erleben, wie das höfliche, gut erzogene Mädchen doch ganz schnell mal sauer werden kann, ist einfach lustig. Ihre Kommentare sind oft ziemlich witzig, die herrlich naiv-entschlossene Herangehensweise an gefährliche Situationen ebenfalls.
(Die englischen Stimmen sind bis in die Nebenrollen gut besetzt, die Hauptstimme Anna finde ich sehr passend und nett. Natürlich hätte ich gerne noch viel lieber Lillys/Hopes deutsche Stimme für Anna gehört, aber tja. Einzelne Doppelbesetzungen gibt es, das kann ich aber verschmerzen.)
Der Vergleich zu Harvey greift aber zu kurz, denn in Anna's Quest steckt überraschenderweise viel mehr drin als vermutet.
Es gibt reichlich lustige, alberne und/oder ironische Szenen,
aber auch öfter mal ernsthafterem, nachdenklicherem Humor:
Dennoch ist die Stimmung durchweg leicht bedrohlich. Nicht nur grafisch sind selten helle, freundliche Schauplätze anzutreffen, auch fröhliche Musik gibt es kaum, fast immer ist Moll vorherrschend, was der sich wirklich interessant entwickelnden und großartig steigernden Geschichte gerecht wird.
Im Spielverlauf entwickelt sich das Spiel von der Suche nach einem Heilmittel für den unerklärlich erkrankten Großvater immer mehr und fließend zu einem düsteren, mitreißenden Fantasy-Märchen.
Den sich langsam steigernden Schwierigkeitsgrad würde ich als moderat bis mittel einordnen. Die Anzahl der gleichzeitig begehbaren Räume steigert sich langsam, bleibt aber überschaubar. Auch das Inventar ist meist recht aufgeräumt. Jemand mit langer Adventure-Erfahrung sollte jedenfalls nie längere Zeit festhängen, man wird aber zumeist auch nicht mit dem Holzhammer auf Lösungen gestoßen. Für die Spielwelt sind die Rätsel immer logisch und nachvollziehbar. Die wenigen (immerhin gut integrierten) Puzzles kann man (zum Glück für mich!) überspringen.
Interessant und bereichernd ist die Telekinese-Funktion. Es dauert ein bisschen, bis man sie zu beherrschen lernt und weiß, wie/wo sie sinnvoll einzusetzen ist. Coole Sache. Vom Schwierigkeitsgrad her würde ich Anna - um im Daedalic-Universum zu bleiben - irgendwo zwischen Harvey und Satinavs Ketten verorten.
Mir hat Anna viel Spaß gemacht und das Spiel muss sich im Daedalic-Katalog meiner Meinung nach keinesfalls verstecken! Zum richtig großen Wurf reicht es zwar nicht ganz. Dafür hätten einigen Rätselketten doch noch ein bisschen mehr Pep vertragen können. Und dafür wird die teilweise doch etwas zu niedliche visuelle Präsentation der Story und der Atmosphäre nicht immer ganz gerecht.
Trotz kleiner Schwächen würde ich für das Spiel locker 85 Punkte zücken. Die sich zunächst behutsam, zunehmend aber dramatisch entwickelnde Geschichte ist mitreißend, düster und auch tragisch. Die Komik ist zumeist vortrefflich integriert und wirkt nie aufgesetzt. Die Rätsel bilden einen sich angenehm steigernden Fluss. Die Gesamtpräsentation ist großteils gelungen. ich war nach ziemlich verhaltenen Reviews wirklich positiv überrascht und lege euch dieses tolle Spiel wärmstens ans Herz!
Habe übrigens Pi mal Daumen 12 Stunden dran gespielt.