Baphomets Fluch habe ich hier angekarrt, um eine offensichtliche deutsche Kopie, die im schlechten Sinne "deutsch" ist (nämlich gerade inhaltlich außerordentlich hausbacken, wenn ihr mich fragt), mal etwas geradezubiegen. Was mich an Deponia am meisten stört: Es gibt eine ellenlange Einleitung, die gefühlt das Vorspiel des ursprünglich geplanten Deponias ist. Dann, etwa in der Spielmitte, treten endlich die Antagonisten auf den Plan - um dann für eineinhalb bewegungslose Kapitel komplett zu verschwinden und für einen kurzen Showdown wieder aufzutauchen wie ein Springteufel aus seiner Kiste. Dann ist Schluss, weiter geht's beim nächsten Mal. Ich wills aber auch nicht übertreiben oder das Spiel schlechtreden - nur kann man Spiele eben so und so empfinden. Daedalic-Spiele sind eigentlich fast immer charmant und haben Charaktere mit Profil, und auch die Spiele, die sie nicht entwickeln, sondern auf den deutschen Markt bringen, sind keine Mitläuferspiele von der Stange, sondern handverlesene Projekte, die ein bisschen "anders" sind.
Nur hat sich bei uns eingebürgert, dass selbst ein mit grober Nadel gestrickter Mystery-Plot, hübsch gerenderte Grafik, ein solides Interface und sehr professionelle Vertonung ausreichen, um gleich in die absolute Referenzklasse vorzustoßen, viele Nuancen dazwischen gibt es nicht. Falls sie das jetzt lesen: Ich kann mir vorstellen, dass es einige Waschzettelschreiber, Werbetrommler und PR-Menschen der Publisher in den Fingern juckt, zu erzählen, wie lange sie dafür kämpfen mussten, dass ihre Adventurespiele wieder ein bisschen Pressewind machen. Aber eigentlich sind schon vor Jahren die so propagierten "Comeback-Spiele" wie Runaway oder Black Mirror für meinen Geschmack manchmal sehr, sehr wohlwollend aufgenommen worden für das, was sie teilweise boten. Auch hier mitunter deutlich besser als anderswo, selbst im Vergleich zu ausländischen Genrefanseiten, wo diese Spiele bis heute deutlich kontroverser diskutiert werden als hier. Es ist, vorsichtig ausgedrückt, auch eine schöne Geschichte zu lesen, dass die weltbesten Adventures mit schöner Regelmäßigkeit vor allem aus Deutschland kämen. Vielleicht stimmt das ja sogar -- es ist eben alles eine Frage des Blickwinkels und des Geschmacks. Während Deutschland sich allerdings kollektiv selbst auf die Schulter klopft, sollte man nicht verschweigen: Indies wie die mittlerweile ziemlich gelobten Wadjet Eye Games haben sich auch deshalb gegründet, weil sie mit der Qualität der kommerziellen Adventurespiele seit Jahren nicht zufrieden waren. Im Archiv des Forums vom Adventure Game Studio findet sich
bis heute ein Post, in dem Gründer Dave Gilbert abledert.
Eine "dramaturgische Schwäche" ist auch nichts deutsches oder europäisches. Spiele im Allgemeinen sind in dieser Hinsicht meist erbärmlich und hinken Film und Buch um Meilen hinterher.
Danke - darunter leiden Adventures als storylastige Genres übrigens ganz besonders, egal, wo sie gemacht werden. Vor allem, da der Pool an Entwicklern und Autoren in dieser Nische nicht mehr allzu groß ist. Ich wollte das nicht verallgemeinern mit meiner These: Wenn jemand sich damit herauswinden wolle, sein Spiel sei zu "deutsch" für den internationalen Markt, dann verschleiere er damit, dass er in einem größeren Markt nicht mehr so konkurrenzfähig ist wie daheim. Das ist von Spiel zu Spiel unterschiedlich - und es sind ja nicht nur in Deutschland entwickelte Adventures, die international oft kritischer gesehen werden. Aber: Im Fall zum Beispiel des Fussball Managers lässt sich Jahr für Jahr in der deutschen Presse je nach Magazin deutlich ablesen, dass sie ausländische Konkurrenzprodukte gar nicht mehr kennt. Die können hier ohne aufwändige Verfremdung von Daten nicht vertrieben werden wegen Exklusivlizenzen und erscheinen deshalb nicht mehr - auch eine (legale) Art, seine Marktanteile zu sichern, gerade im Sportspiele-Sektor, wo Lizenzen sehr wichtig sind.
Im Falle Daedalic ist es ja nicht so, dass die Spiele bisher bloß wegen der ein oder anderen misslungenen Übersetzung und Vertonung im Schnitt weniger euphorisch als in ihrer Heimat gesehen werden. Und das nicht nur in amerikanischen Medien. Sondern teilweise stark wegen Spieldesign, was ich selbst gerade bei "The Whispered World" teilweise nachvollziehen kann. Wo wir gerade dabei sind: Adventure Gamers ist keine amerikanische Seite, noch nie gewesen. Wie schon erwähnt: Die Reaktionen zu Deponia sind doch bisher sehr positiv. Mich irritierte ursprünglich die Aussage von jemandem, der sich wunderte, wie ein und dasselbe Spiel so unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Das ist die natürlichste Sache der Welt - ganz besonders bei stark storylastigen Spielen, wie Adventures es in der Regel sind.