DasJan hat geschrieben:Kruttan hat geschrieben:Lassen wir Büroarbeiter am Wochenende frei haben und diejenigen, die für diese Büroarbeiter Dienstleistungen erbringen nicht, so geben wir den Büroarbeitern eine höhere Priorität.
Nur solange der Sonntag einen Sonderstatus hat. Wenn ich sage: alle Männer müssen blaue Uniformen anziehen und alle Frauen rote Uniformen, dann bevorzuge ich ja weder Männer noch Frauen. Erst wenn blau aus irgendeinem Grund die bessere, wichtigere, von Gott gesegnete Farbe ist, dann wird das unfair.
Ich denke du hast mich missverstanden.
Erstens habe ich das Anrecht auf einen freien Sonntag nicht durch naiv-religiöse Behauptungen der Marke "er ist von Gott gewollt" begründet, daher finde ich diesen Vergleich unangebracht.
Zweitens bin ich zwei Posts vorher noch einmal darauf eingegangen, dass ich diesen Sonderstatus ja als ein Recht ansehe. Ein vernünftiger Betrieb zahlt jemandem, der Samstag Abend von 22:00 bis 8:00 morgens Fließbandarbeit macht, mehr als jemandem, der die gleiche Arbeit am Dienstag von 8:00 bis 18:00 macht. Dies sehe ich als ein Recht des Arbeiters an und nicht als einen Zwang, dass er am WE mehr Geld entgegen nehmen muss. Er kriegt dieses Geld, weil er auf sein Anrecht auf Feierabend und Wochenende verzichtet.
Drittens bezog ich mich auf deinen Vorschlag, Büroarbeitern das Wochenende frei zu lassen, während die Einzelhändler dafür zwei Tage in der Woche frei bekommen. Damit räumen wir diesen das Recht auf ein freies Wochenende ein, welches mehr Wert hat als das Recht auf zwei freie Wochentage, weil
viertens die Schüler Samstag und Sonntag frei haben und daher Büroarbeiter den Bonus haben, etwas mit ihren Kindern zu unternehmen (das ist nicht gleichzusetzen mit einer Aussage der Marke
“weil Gott das so will“ ). Für einen Einzelhandelsarbeiter sind Tagesausflüge daher nur möglich, wenn sie sich Urlaub nehmen, was ich persönlich unfair finde und
fünftens auch nicht durch eine Aufgabe des Sonderstatus aus der Welt geräumt wird. Dann würden Wochenendarbeiter nur am WE halt weniger verdienen. Bloß weil wir den Sonntag dann als normalen Werktag ansehen, ist es ja immer noch so, dass in deinem Modell ausschließlich die Büroarbeiter das Wochenende, welches dann bestenfalls nur einen
anderen Namen hat, frei haben.
Ich habe dieses Modell als ungerecht bezeichnet, weil ich denke, dass Büroarbeiter und Arbeiter im Einzelhandel meines Erachtens das gleiche Recht auf Familie haben wie Einzelhandelsarbeiter. Daraufhin habe ich den Vorschlag gemacht, dass es fairer wäre, wenn man ein Modell bieten würde, das beiden durch dein Modell entstehenden Parallelgesellschaften zumindest einen Tag mit ihren Kindern gönnt.
Sofern du das doch so verstanden hast, dann frage ich mich, wie die Aufhebung des Sonderstatus dann verstehst. Warum ein anderes Ansehen dafür sorgen würde, dass es fair ist, Büroarbeitern zwei gemeinsame, freie Tage mit ihren Kindern zu gönnen und Arbeitern des Einzelhandels nicht...
Darüber hinaus ging es mir gar nicht darum, sondern um die notwendige Prämisse gewisser Glaubensaxiome. Ich wollte darstellen, dass ein Modell welches sagt: "Büroabreiter haben mehr Anrecht auf Familie als Einzelhandelsarbeiter" allgemein als unfair empfunden wird. Wenn wir es als unfair empfinden, so setzten wir ein Glaubensaxiom (dieses muss nicht aus religiöser Motivation kommen - und kommt es meist auch nicht) voraus, das sagt "ein Mensch hat den gleichen Wert und die gleichen Rechte, egal ob er in einem Büro oder im Einzelhandel arbeitet" oder "Jeder Mensch sollte das gleiche Anrecht auf Familie haben". Ich behaupte einfach mal, dass selbst die meisten eingefleischten Atheisten dieser Meinung sind. Selbst Dawkins (den ich um Gottes Willen nicht mit allen Atheisten gleichsetzen möchte
) liefert ein Glaubensbekenntnis, dessen er sich auch (hin und wieder zumindest) bewusst ist.
Wenn nun ein Modell einem solchen Glaubensaxiom nun nicht Stand hält, wie es bei deinem "Mo-Fr. Mi-So"-Modell imho der Fall ist, wenn man die Richtigkeit der Aussage "Jeder Mensch sollte das gleiche Anrecht auf Familie haben" annimmt, dann wird eine Modifizierung gefordert. Der Glauben eines jeden Menschen, die Strukturen in seinem Kopf, seine ideologischen Vorstellungen (worunter meist auch viele sind, denen man sich nicht bewusst ist), das beeinflusst alle Entscheidungen. Daher kann man den individuellen Glauben nicht rauslassen, wenn man irgendetwas begründet.
Es bezog sich auf deine Aussage, dass man Sachverhalte ohne Glauben begründen könne. Ich hab widersprochen und meinte, dass man diese Sachverhalte zwar ohne Religion, aber nicht ohne Glaubensaxiome begründen kann.
In diesem Kontext finde ich etwas komisch, dass du mit diesem seltsamen Uniform-Beispiel ankommst. Vor allem aber finde ich es deshalb komisch, weil ich nie gesagt habe, dass der Sonntag frei sein sollte, weil Gott dies wolle (Wäre ich biblizistisch veranlagt, müsste ich mich übrigens eigentlich für einen freien Samstag einsetzen, darin liegt deren großer Fehler). Ich meine, dass ich meine Argumente gegen die Sonntagsarbeit (bzw. gegen eine Gleichstellung des Sonntags mit einem Werktag) ohne religiöse Bezüge (nur halt nicht ohne das Glaubensaxiom der prinzipiellen Gleichbehandlung) begründet habe. Auch geht es mir um das Recht auf EINEN freien (möglichst gemeinsamen) Tag. Weshalb ich dieses Uniformenbeispiel mit willkürlich gewählter und festgesetzter Farbe und vor allem die Begründung "wenn blau aus irgendeinem Grund die bessere, wichtigere, von Gott gesegnete Farbe ist, dann wird das unfair" nicht für angebracht halte. Auch "irgendeinem Grund" klingt ein wenig abwertend, denn ich habe mit dem schulfreien Wochenende, an dem der Einzelhandel nicht teilnehmen kann, imho ein einen schon gewichtigen Grund geliefert. "irgendein Grund" klingt so, als hätte ich gar keinen nachvollziehbaren Grund geliefert.
Und um die Uniformen noch mal zu entkräften (und um noch mal darzustellen, wie dieses Beispiel auf mich wirkt): ich finde es sinnvoll, dass Feuerwehrleute nicht in leicht entflammbaren Cocktailkleidern zum Brandort fahren und meine, dass es hierfür auch einen Grund gibt: Nämlich das die vorgeschriebene Uniform etwas Hitzebeständiger ist. Gut, diese eben gemachte Aussage von mir könntest du analog zu oben zwar wieder als
irgendeinen Grund, vielleicht den dass Gott Männer in Cocktailkleidern unansehnlich findet abstempeln, aber der Zusatz lenkt die Aussage erstens in eine falsche Richtung und es ist zweitens nicht irgendein, sondern ein gewichtiger Grund. Daher wäre es angebracht, auf den Grund einzugehen und ihn nicht irgendwie abzustempeln.
-edit-
Sorry, falls ich mich darüber eben zu sehr aufgeregt habe, fühlte mich nur gleich wieder völlig ignoriert und in eine Schublade mit irgendwelchen Fundamentalisten gesteckt.
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Kruttan hat geschrieben:Und Trennung zwischen Kirche und Staat (und auch die Trennung zwischen Religion und Staat) ist etwas anderes als die Trennung zwischen Christen und Staat.
Absolut. Jeder muss unabhängig von seiner Weltanschauung Politik machen dürfen. Die Kirche besteht aber aus ihren Mitgliedern, und wenn die aus einem religiösen Antrieb heraus Gesetze machen, die z.B. Nichtchristen am Karfreitag das Feiern verbieten, dann überschreiten sie die Grenze. Wenn eine Partei "christlich" schon im Namen trägt, liegt eben die Vermutung nahe, das sie das beabsichtigt.
Ich weiß wo du herkommst und als eine Bekannte Karfreitag Steak gekauft hat, wurde sie in Bad Godesberg auch schief angeguckt (Und der Raum dürfte außerdem neben seiner traditionellen Prägung auch noch Opus Dei Hochburg sein, was vielleicht noch schärfere Spannungen bringt). Mir ist aber kein Gesetz bekannt, welches dir das Feiern verbietet. Und wenn dich ein Christ deshalb schief anguckt oder dir gerade den Spaß verbieten will, dann verstößt er erstens gegen das Doppelgebot der Liebe und man könnte ihm zweitens mal (hab's eben rausgesucht) 1. Korinther 8, übers Götzenopfer, also über unreines Essen unter die Nase halten: "Aber die Speise fördert uns vor Gott nicht: essen wir, so werden wir darum nicht besser sein; essen wir nicht, so werden wir darum nicht weniger sein." Es geht hier primär und das Verhältnis zwischen Christen und Heiden und eine Absage an das jüdische Traditionsverständnis. Man kann das Essen von Speisen imho auch auf Veranstaltungen jeder Art ausweiten, da es hier um's gleiche Prinzip geht.
Und ich würde Christen nicht mit irgendeiner hyperkonservativen Sittenpolizei gleichsetzen, die krampfhaft versucht, jedem Traditionen aufzudrücken, deren Begründung sie selbst nicht kennen. Solche Leute verzerren durch ihr provokantes und negatives Auftreten das Gro der Christen, auch wenn solche Leute bei dir in der Gegend wuchern.
Kruttan hat geschrieben:Was meines Erachtens Deutschland fehlt ist in Bezug auf den Islam ein Partner, der ähnlich wie die Kirche in Bezug auf das Christentum mit dem Staat kooperiert.
Was spricht dagegen, ganz im Sinne der Trennung von Kirche und Staat, dass das Christentum (genau wie der Islam) auf die Partnerschaft mit dem Staat verzichtet, die Kirche die Kirchensteuer selbst eintreibt und die Personen, die das gerne möchten, Unterricht erteilt?
Bin kein Experte auf dem ganzen Rechtlichen Gebiet, daher verzeiht mir Fehler oder Naivität, aber warum soll der Staat ausgerechnet auf die Partnerschaft mit den Kirchen verzichten, aber nicht auf Partnerschaft und Unterstützung von allen Körperschaften, Gesellschaften, Hilfsorganisationen etc.? Warum darf der Staat eine Schiffsbau-Gesellschaft unterstützen, diverse Stiftungen und Institute, seien sie wissenschaftlicher oder sozialer Art, aber bei der Kirche soll Schluss sein? Warum sollen kirchliche Kindertagesstätten nicht die gleiche Unterstützung bekommen, wie andere auch? Die Kirche übernimmt eine diakonische Aufgebe und setzt sich für soziale Dinge ein. Warum ist diese Arbeit weniger wert, bloß weil man seine Handlungen eventuell auch aus Glaubensüberzeugung tut?
Warum muss man eigene Institutionen schaffen, die extra Steuer für diese einziehen? Der Staat nimmt der Kirche doch nur diese Aufgabe ab. Ist ja nicht anders als ein Dauerauftrag, dem ich ja auch nicht zustimmen muss. Wer nicht Mitglied ist, der zahlt doch auch keine Kirchensteuer...
Und die weltanschauliche Neutralität kann imho, wie schon gesagt, nur durch die Kirche aufrecht erhalten werden. Beim Islam besteht sie momentan noch nicht wirklich. Darin sehe ich einen Nachteil, keinen Vorteil.
Außerdem tritt der Staat auch an die Kirchen heran, wenn er Aufgaben zu bewältigen hat, die er aufgrund seiner Neutralität gar nicht leisten kann.
Kruttan hat geschrieben:Übrigens ist ein weiterer Bruch der Neutralität die Schnapsidee einiger CDU-Politiker, den Kreationismus in den Biologieunterricht zu integrieren.
Aus den USA kannte ich das ja, aber CDU-Politiker greifen das jetzt auch auf? Gar nicht mitbekommen. Urks.
ich heiße bei weitem nicht alles gut, was die CDU tut. Eigentlich sehr vieles nicht. Wobei es aber auch viele Parteien gibt, bei denen ich deutlich mehr nicht gut heiße und keine, der ich in allen Punkten zustimmen würde. Es sind aber der Fairness halber zu sagen, dass diese CDU-Politiker wohl auch Exoten innerhalb ihrer Partei sind. Nur hier ist ein Beispiel, wo ein Staatsmann aus seiner Rolle heraustritt. Die sollte er aber halten.
Und es haben nicht alle Christen eine schwarze Seele oder sind böse Menschen, glaub mir
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Fightmeyer hat geschrieben:Also daß man die Religionen im Rahmen eines Unterrichtsfaches den Schülern näher bringt halte ich auch für sinnvoll. Alerdings sollten die Lehrer keiner der Religionen angehören, daß es meiner Meinung dann nur zu einer Darstellungsverzerrung kommen kann.
Ich halte die Ausgrenzung von Anhängern gewisser Religionsgemeinschaften von bestimmten (Beamten-)Berufen für bedenklich.
Was die Darstellungsverzerrung angeht: Jeder gibt auch unbewusst die Dinge weiter, die ihm persönlich wichtig sind. Und ein Mensch, der keine weltanschaulichen Grundsätze hat (sofern es einen solchen Menschen überhaupt gibt), der wird sogar auch dies weitergeben.
Ich halte es auch für schwer vorstellbar, dass ein Mensch sich in allen Religionen bestens auskennen kann, in allen reflektiert denken und sich trotzdem nicht für oder gegen auch nur eine einzige, geschweige denn zum Agnostizismus, entscheidet...
Es sollte auch weniger in der Religion unterrichtet werden, als vielmehr, einfach nur alle Religionen und ihre Inhalte vorzustellen. Dann kann sich der Schüler selber überlegen, ob er irgendetwas davon annehmen möchte.
Einspruch. Das ist der Fall. Zumindest sollte es laut Lehrplan der Fall sein. Ein Freund von mir studiert Reli-Lehramt und der muss sich in allen Weltreligionen auskennen. Und wir haben uns damals auch mit den Weltreligionen beschäftigt.
Und bei uns konnte man zwischen evangelischer, katholischer Religion als auch Werte und Normen wählen. Ich halte dieses Modell und die Entscheidung eines jeden Schülers für eins dieser Fächer für sinnvoll. Vom Stoff her sind sie ähnlich, setzen nur auch mal andere Schwerpunkte, die je nach Vorprägung durchaus ihre Berechtigung haben und unter Umständen auch s e h r wichtig sein können. Ich sehe darin auch keine Bevorteilung einer spezifischen Religion, aber dazu später.
Ziel ist ein kritischer, reflektierter Umgang mit der Religion. Nicht die Überzeugung der Richtigkeit einer bestimmter. Und der Religionsunterricht an unseren Schulen ist nun mal auch absolut nicht missionarisch. Es ist nicht der Unterricht, der den Schülern den Glauben nahe bringt, es ist das gesamte Umfeld, in erster Linie Elternhaus und Freunde. Und wie schon oben gesagt, man kann nicht jeden daran hindern, die Dinge weiterzugeben, die einem wichtig sind. Eine tatsächlich neutrale Erziehung fernab von allen Weltvorstellungen der Kinder würde schon härtere Maßnahmen, wie die sofortige staatliche Enteignung aller Neugeborenen, fordern (welche in ihren Lagern aber wiederum in einer bestimmten Anschauung geprägt werden).
Wichtig ist imho die Möglichkeit der Pluralität. Ich stimme dir zu, dass alle Weltreligionen unterrichtet werden müssen, allein schon deshalb, weil es bei uns auch immer "bunter" wird. Und ich stimme dir zu, dass die Chance zur eigenen Entscheidung ermöglicht werden soll. Aber diese Chance wird nicht dadurch ermöglicht, indem wir bei den Jugendlichen möglichst allen Weltanschauungen den gleichen unterrichtlichen Rahmen geben. Dies ist schon durch die Chronologie der Inhalte (in bestimmten Lebensphasen sind Jugendliche Unterrichtsinhalten und auch der Spiritualität anders zugetan) und den sozialen Hintergrund nicht möglich.
Stattdessen sollten die Schüler gewisse Kompetenzen erlangen: unter anderem die Fähigkeit zur Skepsis, Reflektion, dem Sich-in-eine-Sache-Hineindenken (und sie auch zu Ende denken können), des Bewusstseins eigener Verantwortung etc.
Diese Kompetenzen sind im ganzheitlichen Schulunterricht (und auch außerhalb dessen) zu erwerben und tragen unter vielem anderen auch dazu bei, dass auch die Entscheidung zu einer bestimmten Religion getroffen werden kann. Dies ermöglicht ja auch erst die Kritik an der eigenen Religion, was viel eher zum einem Religionswechsel führen mag, als eine simple Präsentation der Inhalte einer anderen Religion. Und es ermöglicht nach der Religionswahl ein verantwortungsbewusstes Leben innerhalb dieser.