Seite 2 von 2

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 10:48
von Grappa11
Onkel Donald hat geschrieben:Das Hauptproblem ist heute eben auch, dass bei weitem (!) nicht jeder, der gerne schreibt und davon leben möchte auch wirklich das Zeug dazu hat.
das ist richtig, wobei das eben letztlich wenig mit einer erworbenen Qualifikation als vielmehr mit Talent zu tun hat (und weder das eine noch das andere über den Erfolg entscheidet). Klar reicht Talent alleine nicht aus, es gibt immer gewisse Grundlagen, die man haben muss oder die zumindest sehr hilfereich sind, um Erfolg haben zu können - welche Art von Erfolg bzw. ob er sich dann überhaupt einstellt, ist wieder eine andere Kiste. Wer aber kein Talent hat, der kann noch so viel arbeiten (und wird vielleicht sogar dafür belohnt), wird aber trotzdem qualitativ nie an die "Großen" rankommen.

Das gilt so ziemlich überall, wo Kreativität gefragt ist, aber auch in Berufen, in denen zwischenmenschliche Kontakt wichtig sind oder im Profisport bzw. anderen Berufen, die spezifische körperliche Vorraussetzungen haben.


Davon abgesehen muss man aber nicht zwingend ein Talent in dem Bereich mitbringen, in dem man tätig ist. Dieter Bohlen ist wohl kein schlechtes Beispiel. ;) Von Musik an sich hat der keine Ahnung, das gibt er auch offen zu. Aber wie der Musikmarkt funktioniert, wie die Medien ticken, das weiß der Kerl ganz genau.
Dass man sich dem Zeitgeist anpassen kann, dem Trend folgt und damit Erfolg haben kann, das zeigt schon seit vielen Jahren Madonna. Und in der Literaturszene ist das eben ähnlich. Es versuchen immer haufenweise Leute auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Die meisten scheitern dran. Wenn man bereits einen Namen hat, dann verkauft sich auch der letzte Schrott noch gut - natürlich nicht auf Dauer - hat man aber noch keinen, wird es eben schwierig überhaupt rein zu kommen.
Was ich damit sagen will: Es gibt so oder so kein Rezept für Erfolg. Es ist imho kein Fehler solche Seminare zu besuchen, wenn man das für richtig und das Angebot für seriös hält. Nur sollte man gleichzeitig in sich gehen und überlegen, ob man nicht vielleicht andere Talente hat, die man eher fördern sollte. Ihr kennt sicherlich Leute, die schon mal ein Rhetorikseminar besucht haben. Den einen merkt man das kaum an, da sie vorher schon gut reden konnten, manchen nur im Detail (denen es eben wirklich was gebracht hat), wenn man ganz genau zuhört, und den anderen wiederum steht das gar nicht gut zu Gesicht. Es kann eben nicht jeder alles können und nicht alles was man gerne macht, kann man auch beruflich nutzen.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 11:11
von Onkel Donald
Ein sehr schöner und ausgewogener Beitrag vom Grappa trinkenden Schuhverkäufer. Ich kann das alles aufgrund meiner eigenen Erfahrung und Einschätzung unterschreiben.
Grappa11 hat geschrieben:das ist richtig, wobei das eben letztlich wenig mit einer erworbenen Qualifikation als vielmehr mit Talent zu tun hat (und weder das eine noch das andere über den Erfolg entscheidet). Klar reicht Talent alleine nicht aus, es gibt immer gewisse Grundlagen, die man haben muss oder die zumindest sehr hilfereich sind, um Erfolg haben zu können - welche Art von Erfolg bzw. ob er sich dann überhaupt einstellt, ist wieder eine andere Kiste. Wer aber kein Talent hat, der kann noch so viel arbeiten (und wird vielleicht sogar dafür belohnt), wird aber trotzdem qualitativ nie an die "Großen" rankommen.
Genau darauf wollte ich auch mit meinem Vergleich vom Rohdiamanten und dem Diamantschleifer hinaus - die naturgegebene Größe kann das beste Handwerk nicht beeinflussen. Und noch etwas kommt hinzu: Gerade im literarischen Bereich ist eine gewisse Persönlichkeitsreife vonnöten, die es dem Autor erlaubt, seinen Figuren und der Handlung eine gewisse Tiefe zu verleihen. Im Genre des Groschenromans sieht man deutlich, was dabei herauskommt, wenn einfach nur verschiedene Karteikarten mit Klischees immer wieder neu gemischt und aufgeschrieben werden, ohne dass der Autor wirklich aus seiner Seele schöpfen kann.

Die Beispiele mit Bohlen und Madonna finde ich übrigens sehr stimmig und praxisnah. :mrgreen:

PS. Das Hobby "Schreiben" kann aber auch jenseits aller beruflichen Perspektive viel Spaß machen und auch einen schönen Ausgleich zum beruflichen Alltag darstellen. Ich würde also allen Hobby-Autoren raten, die Begeisterung für ihre Tätigkeit nicht von der Wahrscheinlichkeit einer Veröffentlichung abhängig zu machen.

Allen, die es trotzdem ernst meinen, sei zum Trost gesagt: Auch Michael Ende hat mit seiner "unendlichen Geschichte" viele Klinken putzen müssen - und die gilt heute als Klassiker und eines der erfolgreichsten deutschen Bücher überhaupt.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 11:12
von nufafitc
Onkel Donald hat geschrieben:Da ist viel Wahres dran, aber ganz so schlimm wie in Amerika ist es in Deutschland noch nicht. Man hat durchaus die Chance, einfach ein Manuskript einzusenden und angenommen zu werden. Viele Verlage lassen sich zunächst aus Zeitgründen eine Leseprobe (in der Regel den Beginn der Geschichte) schicken und fordern bei Bedarf den gesamten Text an.
Da muss ich direkt an die Figur Suther Kane aus "In The Mouth of Madness" (deutsch: Mächte des Wahnsinns) von John Carpenter denken ;). Ich glaube wieso, dass der Job eines Lektors echt keine leichte Aufgabe mit manchen "Künstlern" ist. Vielleicht ist Dan Brown da sogar n ganz netter Kerl, der keinen so hohen Anspruch an Sprache oder auch viel komplexen Inhalt will. Einem E-Literaturtypen... da stelle ich mir das schon etwas schwieriger und anstrengender vor...
Onkel Donald hat geschrieben:Das Hauptproblem ist heute eben auch, dass bei weitem (!) nicht jeder, der gerne schreibt und davon leben möchte auch wirklich das Zeug dazu hat. Die Verlage werden zugemüllt mit Hdr-, HP-, Sherlock-Holmes- und sonstigen Klonen. Nicht alles, was dem Autor selbst und vielleicht dem geneigten Freundeskreis gefällt, muss deshalb auch gleich einen größeren Leserkreis ansprechen, dem der persönliche Bezug zu Geschichte und Verfasser logischerweise fehlt.
Ja, ich denke hier liegt der Hund oder die Katze oder welches Tier auch immer (die Ente? ;)) begraben. Denn man hat selbst immer eine Art Tunnelblick, was das eigene Schreiben betrifft. Das ist nicht nur bei solchen Sachen so, sondern bei Arbeiten, Klausuren, Präsentationen. Deshalb ist das Feedback von anderen enorm wichtig. Wenn man das von vornherein ablehnt, dann war's das eigentlich schon, außer man ist das Genie schlechthin (und daran glaube ich nicht).
Ich kann mal von einem Seminarteilnehmer erzählen, ohne Namen zu nennen. Die ist zur ersten Sitzung überhaupt erschienen. Also da, wo ich zum allerersten Mal vor ner Gruppe von Leuten stand, alles selbst organisiert hatte (Raum, Lesematerial, Gastbesuch von 2 Dozenten)... und bei der Vorstellrunde meinte sie so: "Yes, I want to make my work prominent. I already wrote something and want to make it available to the public." Dabei meinte ich vorher schon, in dem Kurs geht es nicht darum, wer der Beste ist und dass man sich wichtig tut, und dann kam das... Da haben sie alle angeguckt, erst mal ein Schweigen, und ich meinte dann: "Oooookay. Thanks. Next one please." Naja, einen Tag später bekam ich sogar ne Mail, in der stand, sie hätte erwartet, mein Prof würde das Seminar leiten, jemand, der sich mit der Materie auskennt.
Naja. Gibt's ab und zu halt Beispiele von Leuten, die sicher ganz gut schreiben (eine Seminarteilnehmerin hatte sich später auch in nem Creative Writing-Studiengang in England eingeschrieben), aber die Toleranzgrenze, das Kritikvermögen ist oft nicht wirklich vorhanden.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 11:26
von nufafitc
Onkel Donald hat geschrieben:Und noch etwas kommt hinzu: Gerade im literarischen Bereich ist eine gewisse Persönlichkeitsreife vonnöten, die es dem Autor erlaubt, seinen Figuren und der Handlung eine gewisse Tiefe zu verleihen. Im Genre des Groschenromans sieht man deutlich, was dabei herauskommt, wenn einfach nur verschiedene Karteikarten mit Klischees immer wieder neu gemischt und aufgeschrieben werden, ohne dass der Autor wirklich aus seiner Seele schöpfen kann.
Ja, die literarischen Beispiele, die ich genannt hatte (Pratchett, Dickens, Bukowski) haben ihren eigenen Stil. Den kann man zwar versuchen zu kopieren (ich glaube, ich habe durch die Discworld-Bücher etwas von meinem Humor, von Dickens seinen späteren Pessimismus und von Bukowski... na, sagen wir mal ehrliche Offenheit ;)). Aber man merkt sofort, was das Original ist und was die Kopie. Es gibt ja auch so eine kreative Schreibaufgabe, in der es darum geht, über ein Thema mit dem Stil eines bestimmten Autors zu schreiben (David Lodge's "Thinks" sei da erwähnt, auch wenn es beileibe nicht die sympathischsten Charaktere hat).
Frey hat das in seinem Buch "How to write a Damn Good Novel" auch sehr gut ausgedrückt, indem er das Beispiel... ich glaube... der Hausfrau nennt, die von ihrem Mann unterdrückt wird, sich in den Postboten oder so verliebt, blabla (an dieser Stelle auch ein Verweis an die Klischees in "Phantasmagoria" ;)). Denn wenn man die Klischees erkennt, weiß man zumindest, was man vielleicht umgehen sollte (auch wenn's vielleicht zu kommerziellem Erfolg führt: siehe die ganzen Kitschromane, Mystery, Fantasy, Krimi etc.-Sektion).
Onkel Donald hat geschrieben:PS. Das Hobby "Schreiben" kann aber auch jenseits aller beruflichen Perspektive viel Spaß machen und auch einen schönen Ausgleich zum beruflichen Alltag darstellen. Ich würde also allen Hobby-Autoren raten, die Begeisterung für ihre Tätigkeit nicht von der Wahrscheinlichkeit einer Veröffentlichung abhängig zu machen.
Ja, sehe ich genau so. Natürlich haben viele gewisse Ambitionen und Träume, und das ist auf gar keinen Fall verkehrt. Man sollte sich aber nicht von der harten Realität unterkriegen lassen und zu den Leuten werden, die sagen: "Kunst, Literatur, bah, damit kann ich nix verdienen, das interessiert die Wirtschaft nicht". Wer Spaß dran hat zu schreiben und sich mit anderen Leuten austauscht, das ist viel wert. Ich mache zwar momentan eine kleine Pause mit dem Kurs wegen Prüfungen und hatte einige emotionale Durchhänger wegen ein paar Leuten, aber Spaß macht es trotzdem meist (trotz fehlender Bezahlung und Zeitaufwand). Eigentlich genau wie hier beim AT Artikel schreiben ;)

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 11:38
von Onkel Donald
nufafitc hat geschrieben:Frey hat das in seinem Buch "How to write a Damn Good Novel" auch sehr gut ausgedrückt, indem er das Beispiel... ich glaube... der Hausfrau nennt, die von ihrem Mann unterdrückt wird, sich in den Postboten oder so verliebt, blabla (an dieser Stelle auch ein Verweis an die Klischees in "Phantasmagoria" ). Denn wenn man die Klischees erkennt, weiß man zumindest, was man vielleicht umgehen sollte (auch wenn's vielleicht zu kommerziellem Erfolg führt: siehe die ganzen Kitschromane, Mystery, Fantasy, Krimi etc.-Sektion).
Ich hab' die Stelle gelesen, aber wie so vieles bei Frey sollte man auch diese Ausführung lediglich als eine grobe Richtlinie verstehen und sich nicht sklavisch daran halten - sonst läuft man Gefahr, dass der fließende kreative Prozess zu einem festen Schema erstarrt. Zum Punkt Klischees: Allzu oft ist es gerade das krampfhafte Vermeidenwollen dieser, die eine Geschichte erzwungen konstruiert wirken lässt. Es gibt nun einmal gewisse Dinge, die den Menschen ausmachen, die häufig auftreten und sich auch wiederholen. Ohne Klischees geht es m. E. nicht, aber die entscheidende Frage ist eben, wie ich als Autor damit umgehe, wie ich sie einsetze. Es kann sinnvoll sein, Klischees an ausgewählten Stellen gezielt zu durchbrechen und damit einen besonderen originellen Effekt zu erzielen. Wer aber immerzu bemüht ist, alles anders und alles neu zu machen, der könnte sich am Ende kräftig vergaloppieren.

Wir waren uns ja ohnehin schon einig: Wirkliche durchgängige Innovation gibt es nicht mehr, in irgendeiner Form war alles schon mal da, aber die Mischung macht's. Rowling hat z. B. das bekannte Erfolgsrezept der Internatgeschichten (in England durch Blyton sehr vertreten) mit der gegenwärtig angesagten Fantasy verknüpft und das sehr intelligent und vielschichtig ausgearbeitet. Das Ergebnis spricht für sich, obwohl mittlerweile HP zu einem Selbstläufer geworden ist und Rowling alles verkaufen könnte, das ihren Namen oder den des Zauberlehrlings trägt. Den letzten Potter-Bänden merkt man deutlich an, dass eine weitere Überarbeitung notgetan hätte, sie sind streckenweise sehr langatmig und redundant geraten. Hier machte sich wohl der Zeitdruck seitens Öffentlichkeit und Verlag bemerkbar.

Re: Kreatives Schreiben an Uni,Schule,in Deutschland,USA,GB usw.

Verfasst: 28.10.2009, 12:11
von nufafitc
Onkel Donald hat geschrieben:Zum Punkt Klischees: Allzu oft ist es gerade das krampfhafte Vermeidenwollen dieser, die eine Geschichte erzwungen konstruiert wirken lässt. Es gibt nun einmal gewisse Dinge, die den Menschen ausmachen, die häufig auftreten und sich auch wiederholen. Ohne Klischees geht es m. E. nicht, aber die entscheidende Frage ist eben, wie ich als Autor damit umgehe, wie ich sie einsetze. Es kann sinnvoll sein, Klischees an ausgewählten Stellen gezielt zu durchbrechen und damit einen besonderen originellen Effekt zu erzielen. Wer aber immerzu bemüht ist, alles anders und alles neu zu machen, der könnte sich am Ende kräftig vergaloppieren.
Ja, das stimmt. Ich meinte damit auch nur, dass man sich selbst bewusst sein sollte, wie einfach man da in diese Klischeekiste reinfallen kann, wobei man doch so überzeugt von sich ist, was total originelles geschaffen zu haben. Und ja, die Verquickung von verschiedenen Ideen kann kräftig in die Hose gehen, bei allen Medien. Wer es nur der Experimentierfreudigkeit macht... warum nicht--- nur sollte man auch nicht erwarten, dass das viele Leute interessiert.
Die Surrealisten haben ja damals wirklich einigen Scheiß gemacht, um's mal etwas deutlicher auszudrücken. Klar stand da eine gewisse Ablehnung von Normen dahinter, aber... wenn man da so Texte liest, schön sind die meisten nicht wirklich. Denn da kommt man zum Thema Provokation. Wer irgendwas durchbrechen will, was gang und gäbe ist, läuft leicht Gefahr, am Ende der einzige zu sein, der das liest.
Loriot hat das ja ziemlich genial hinbekommen, indem er bekanntes mit ungewöhnlicher Sichtweise vermischt hat (Hunde halten Menschen als Haustiere). Da gab es zu seiner Studienzeit nen Riesenaufschrei von Kirche, Staat und sonstwem, weil man das ja nicht machen konnte. Er natürlich: MOOOOMENT, und hat's dann denen, die zuhören wollten, erklärt... aber ist schon einer der wenigen deutschen Comedians (auch ein schreckliches Wort, sagen wir Humoristen, Karikaturisten), die subtil sind: "Ich gebe euch etwas Leichtes zum Schlucken, ohne das ihr wisst, wie sich euer Magen danach umdreht", so ähnlich hatte er es formuliert.

Zu Rowling denke ich dasselbe: Ich habe den ersten Roman auch verschlungen, den zweiten teils, den dritten fand ich richtig genial. Der vierte war Mist, und dann hatte ich auch kein Interesse mehr, weil es einfach immer dasselbe Schema war und die Charaktere wie das Setting, Story uninteressant wurden.