Du sagst es ja selbst, stundenglas: ein Unternehmen zu führen bedeutet ein grosses Risiko. Und dieses Risiko kann nur jemand eingehen, der genug Kapital hat und vor allem: jemand, der nicht in seiner Existenz bedroht ist, wenn seine Produktidee ein Rohrkrepierer wird. Die wenigsten Menschen haben erstens das nötige Kapital und zweitens verstehe ich voll und ganz, wenn die wenigsten Menschen bereit sind, dieses Risiko überhaupt einzugehen, zb durch einen Kredit. Persönlich kann ich mir das auch nicht vorstellen, nicht weil ich so einfallslos bin und vielleicht, wenn es mich denn interessieren würde, wäre ich sogar ein guter Unternehmer. Aber wer bitteschön kann es sich leisten, seine eigene Existenz aufs Spiel zu setzen - um möglicherweise ja, wahrscheinlich aber nein - mit einer Idee Gewinn zu machen? Das kann sich eigentlich nur jemand leisten, der so viel Kapital hat, dass es völlig egal ist, ob er mit seiner Idee Gewinn macht oder nicht, denn dann hängt seine Existenz eben nicht davon ab. Und genau in dieser exklusiven Lage sind nur sehr wenige Menschen wie zB reiche Erben.
Ähnliches gilt übrigens auch für die Arbeitnehmer: Deine materielle Existenz hängt davon ab, ob du für deine Arbeitsleistung ein ausreichendes Einkommen bekommst. Wenn nicht, hast du sowieso die Arschkarte gezogen, vielleicht ist der Staat gnädig und springt mit Sozialleistungen ein, aber du hast es in beiden Fällen nicht selbst in der Hand. Entweder du bist abhängig vom Chef, der dich mit dem Lohn erpressen kann, oder du bist abhängig vom Staat, der dir Almosen bezahlt. Selbstbestimmt bist du dabei nicht und deine Entscheidungsfreiheit ist sehr, sehr beschränkt. Du willst Urlaub? Okay, sagt der Chef, dann musst du aber auch umso mehr arbeiten. Was, du hast Familie und willst mehr Zeit mit deinen Kids verbringen? Dem Chef ist das doch egal, du weisst doch, wie das ist, sagt der Chef: jeder Arbeitnehmer ist ersetzbar und da draussen warten so viele Menschen sehnsüchtig auf eine freie Stelle. Also musst du bereit sein, auf dein Privatleben zu verzichten und stattdessen noch mehr schuften, weniger Lohn in Kauf nehmen, längere Anfahrtswege akzeptieren und deine Gesundheit in Gefahr bringen, denn sonst entscheidet dein Chef sich für jemanden anderen, der keine eigene Familie hat und weniger Lohn verlangt als du. Die Abhängigkeit von einem Einkommen durch Arbeitslohn macht dich erpressbar und du bist nicht frei, auch wenn es offiziell immer heisst, jeder kann sich einen neuen Job suchen, wenn ihm sein alter nicht mehr passt. Nix da, die Freiheit hat nur der Chef, er kann sich aus einem grossen Angebot die billigsten und willigsten Arbeitskräfte aussuchen.
Das Bild mit den Schiffbrüchigen würde ich eher so beschreiben: Die Bibliothek mit dem ganzen nötigen Wissen gibt es zwar vielleicht auf der Insel, aber unter den Schiffbrüchigen gibt es welche, die sofort einen Besitzanspruch auf die Bibliothek durchsetzen und der Rest ist dazu verdammt, den ganzen Tag für die selbsternannten "Eigentümer" der Bibliothek zu schuften, damit diese im Luxus schwelgen. Wenn nun jemand kommt und sagt: Hey, das ist unfair, die Bibliothek gehört doch uns allen und wir sollten sie dafür einsetzen, dass wir alle im Luxus schwelgen und nicht nur ein paar wenige, dann wird er als Radikaler und Kommunist von der Insel verbannt und ins Meer geworfen.
Das führt uns gleich zur Eigentumsfrage: Es geht ja nicht darum, den Menschen ihr Haus und ihren Kanarienvogel wegzunehmen und alles in Gemeinschaftseigentum zu überführen. Nein, es geht eigentlich nur darum, dass die Werkzeuge und die Infrastruktur (Maschinen, Transportmittel, Wissen, Land,..) im privaten Eigentum sind, während die grosse Mehrheit, die nichts derartiges besitzt, darauf angewiesen ist, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Die Werkzeuge und Infrastruktur sind privat, die Arbeit ist aber gesellschaftlich und der Zweck des ganzen ist nur der wirtschaftliche Profit der Privateigentümer. Ich finde, es wäre besser, wenn auch die Werkzeuge und Infrastruktur gesellschaftlich wären und der Zweck des Wirtschaftens darin bestehen würde, nicht den privaten Profit zu bedienen, sondern sich an den individuellen Bedürfnissen aller Menschen in der Gesellschaft zu orientieren. Ich sage es ganz offen: Ich denke, an einer gewissen Form von Planung (bitte nicht zu verwechseln mit Planwirtschaft) wird man in diesem Sinne also nicht vorbeikommen, denn anders wird es nicht gehen, die Wirtschaft an den individuellen Bedürfnissen auszurichten, aber man sollte berücksichtigen, welche Fehler und Irrtümer die Planwirtschaften in der Geschichte gemacht haben und daraus Lektionen ziehen und diese Fehler nicht wiederholen. Der Markt taugt jedenfalls nicht als Mechanismus für die Befriedigung der Bedürfnisse.
Und ja, du hast völlig recht: ein Teil der Linken versteht Kommunismus so, dass man einfach den Reichen etwas wegnimmt und den Armen gibt. Es geht hier im Grunde nur um die Frage der Methode und nicht um die Frage, was Kommunismus eigentlich im Kern ist und welcher Sinn dahinter steht. Es gab in der Geschichte eben nicht nur autoritäre Massenmörder wie Stalin und Mao, die die Sache mit der Umverteilung von oben nach unten durch staatlichen Terrorismus organisieren wollten, sondern es gibt auch ganz andere Beispiele: Ich denke hier vor allem an den chilenischen Sozialismus von Salvador Allende (1970-73). Dieser Mann hat versucht, mit den Besitzstandswahrern zu REDEN und AUSZUVERHANDELN, wie der demokratische Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus praktisch vor sich gehen soll.
Vergleicht man unseren Wohlstand mit anderen Ländern geht es uns viel zu gut ... das wir hier einen Lebensstandard haben der viel zu Hoch ist.
Sorry, aber bei dieser Aussage biegen sich bei mir die Zehennägel nach oben. Ja, unser Wohlstand ist verhältnismäßig hoch, aufgrund einer ungerechten Weltwirtschaft. Aber was soll das bitte heissen, dass es uns "zu gut" geht und unser Lebensstandard "viel zu hoch" ist? Ich finde, der Lebensstandard kann gar nicht hoch genug sein und nicht uns geht es "zu gut", sondern es ist eine Schande, dass Menschen auf diesem Planeten immer noch am Hunger verrecken, kein Dach über dem Kopf haben, an heilbaren Krankheiten sterben, durch eine versaute Umwelt krank werden, sich keine Bildung leisten können, wegen Arbeitslosigkeit depressiv werden, oder sich auch einfach nicht einmal eine Kinokarte oder ein Bier leisten können, weil sie jeden Cent dreimal umdrehen müssen usw.
Und schliesslich sage ich ja auch nicht, dass es heute schlecht ist, aber früher besser war, sondern ich bin der Meinung, es war früher nicht gut und es hat sich bis heute nicht vieles zum Besseren verändert. Es geht heute leider vorwärts ins Gestern: Wir nähern uns wieder Zuständen an, wie wir sie schon einmal im Früh/Manchesterkapitalismus gehabt haben mit Kinderarbeit und allem Drum und Dran.
Und zum Konsum: Nun ja, es gilt auch hier - um sich zwischen Fair Trade und Massenware entscheiden zu können, muss man erst einmal selbst genug Geld verdienen, um den höheren Preis bezahlen zu können. Diese ethische Frage ist ein Luxus, den sich nur eine Minderheit leisten kann, beim Rest kommt zuerst das Fressen und dann die Moral.
Oh F%*#, ist das schon wieder ein Buch geworden..