..eve. hat geschrieben:Jetzt würde mich aber schon interessieren, lieber Ozzie, warum du die doch mit recht fundierten Argumenten hinterlegte Meinung Vainamoinens in Disput zu stellen wünschtest.
*seufz*
Aber auch nur, um deine Kuriosität zu befriedigen.
Also Vaina, ich frage mich, ob du von zwei Dingen redest oder nur von einem. Ist dir das Spiel zu mickrig als Spieler? Ist es dir einfach zu kurz, sind dir die Rätsel zu schnell gelöst? Oder ist dir das Spiel zu mickrig als erbrachte Leistung, weil du denkst, dass Double Fine hinsichtlich Rätseldesign/implementierung, Animationen/Grafik, etc. nicht genug geleistet hat?
Zum ersten: Broken Age ist kurz, die Rätsel sind leicht. Ich hab ein wenig über 5 Stunden gebraucht, um ans Ende zu kommen. Ich wünschte die Rätsel wären komplexer, wenn auch nicht unbedingt schwerer. Ich finde es hätte dem Gleichgewicht zwischen Rätsel und Geschichte nicht geschadet hier und da noch einen Zwischenschritt einzubauen, etwa manchen Charakteren einen Gefallen erweisen zu müssen, bevor sie einem einen Gegenstand aushändigen. Ich habe Sympathie dafür, dass sich manche mit Broken Age unterfordert fühlen. Das RPG Driftmoon gibt mir ein ähnliches Gefühl von Unterforderung, wie andere es beschreiben mit Broken Age zu haben, aber ich persönlich hatte das Gefühl mit Broken Age nicht. Das Gameplay hat Schwächen, ja, aber ich fand es angemessen. Ich störte mich nicht an zu wenigen Hotspots und auch nicht an dem Fehlen eines separaten Anschauen-Befehls. Nennenswert reduziert sind die Interaktionsmöglichkeiten gegenüber Grim Fandango mal nicht.
Ansonsten: Ob ein Rätsel schwer oder leicht ist, ändert nix daran, wie aufwändig es zu implementieren ist. Vielleicht hätte sich Broken Age einige der Hinweis spendenden Zeilen ersparen sollen. Das hätte weniger Aufwand für die Entwickler und schwerere Rätsel für die Spieler bedeutet. Das Rätsel mit dem Pfirsich erscheint mir etwa ähnlich komplex zu dem Monkey-Wrench-Rätsel aus Monkey Island 2. In beiden Fällen ist nur ein Gegenstand für die Lösung von Relevanz (in Monkey Island 2 ist noch der Zwischenschritt mit der Banane auf dem Metronom nötig, in Broken Age muss man herausfinden, wie man den Pfirsich bekommt). In beiden Fällen muss man den Gegenstand von einem Ort herbekommen, an dem man schon einmal war und der weit weg ist von dem Ort, an dem an ihn braucht. Einziger nennenswerter Unterschied: den Pfirsich mag man noch haben, wenn das Rätsel sich einem offenbart, während man den Affen vermutlich noch nicht hat, sobald sich einem das Problem in die Quere stellt. Unabhängig davon, komplexer und aufwändiger zu implementieren ist weder das eine noch das andere Rätsel, wobei das Monkey-Wrench-Rätsel klar das schwerere ist. Es ist nicht umsonst berüchtigt, vor allem in den internationalen Fassungen, in denen es keinen Sinn macht. Ist es weniger mickrig, indem es allein schwerer ist?
Das Pfirsich-Rätsel mag mit allem, was dazu gehört, vielleicht gar komplexer in der Implementation sein. So ziemlich jeder Charakter reagiert auf den Pfirsich nennenswert, oft mit Hinweisen, in einem Fall hinderlich zur Lösung des Rätsels. Ich denke die Charaktere in Monkey Island 2 haben weniger zum Affen zu sagen. Vielleicht täusche ich mich.
Zu den Animationen: Broken Age weist Tweening-Animationen auf, die für Flash-Produktionen charakteristisch sind. Machinarium und Deponia machen auch von ihnen Gebrauch, sowie Animationsserien wie Adventure Time und Archer. Sie sind aber nur ein Trick von vielen, die Broken Age animationstechnisch einsetzt. Ich kenne kein anderes 2D-Adventurespiel mit solch einem grafischen Detailgrad, das so aufwändig animiert ist, ob mittels Licht- und Schattenspielen, fallender Blätter, fliegender Vögel, aufsteigendem Rauchs oder quirliger Wolken, in der Welt von Broken Age wirkt erstaunlich wenig statisch. Dazu trägt die Inszenierung bei, die ständigen Wechsel der Kameraperspektiven bei Dialogen, von Totalen zu Nahaufnahmen. Auch eher eine Seltenheit.
Broken Age's grafischer Stil ist weniger sauber als für ein Cartoon-Look üblich, er sieht stattdessen mehr pinselartig gezeichnet aus. Während Rufus
aus Deponia aus vielen größeren einfarbigen Flächen besteht, gibt es
bei Vella mehr subtile Farbabstufungen. Vielleicht fallen die Tweeninganimationen deswegen mehr unangenehm ins Gewicht, weil man irgendwie auch deswegen detailiertere Animationen erwartet? Vielleicht ist die Grafik zu detailiert, um für manchen mit dem Animationsstil zu harmonieren? Sicherlich wäre es schön gewesen, wenn jeder einzelne Frame per Hand gezeichnet worden wäre, aber dann hätten wir schon Animationsfilmqualität, und so teuer auch Broken Age sein mag, so billig ist das dann eben doch nicht.
Wenn ich schon dabei bin die Produktionsqualitäten von Broken Age zu benennen: Dein willkürliches Missverständnis, Vaina, dass Double Fine das Parallax-Scrolling in Broken Age für ne Innovation hält, ließ mich jedes Mal auf meine Finger schlagen (im Pendant zu auf die Zunge beißen), wenn du es von dir gabst. WAS sie als Innovation verstehen ist die Möglichkeit, dass der Spielercharakter von einer Ebene weiter im Hintergrund zu einer weiter im Vordergrund (oder andersrum) wechselt. Das kommt am deutlichsten etwa in der Szene vor Curtis Haus zu tragen. Vella läuft den Hügel hoch, befindet sich damit auf einer anderen Ebene näher zur Kamera, bis sie zum Waldpfad gelangt, der vordersten Ebene in der Szene. Der Wechsel zwischen diesen Ebenen, wobei auch rein- und rausgezoomt wird, was den Tiefeneffekt verstärkt, erscheint mir in der Tat neu, habe ich doch sowas zuvor noch nie in einem Adventurespiel gesehen. Aber du magst mich natürlich gerne korrigieren.
Zu "Grafik in Grundformen": Sieht das nach "Grafik in Grundformen" aus?
Mehr habe ich nicht zu sagen. Das sollte jetzt aber auch "fundiert" genug sein.