So, nachdem ich den Text von Gamona jetzt noch komplett gelesen habe: Berechtigte Kritik am Gameplay, zumindest was die Trigger angeht. Ansonsten wie oben gesagt vielleicht ein bisschen zu spoilerisch mit Blick auf den Inhalt, so viel wollt ihr, denke ich, insbesondere über Styles nicht bereits wissen, und ein paar der genannten Sachen klingen vielleicht ganz hübsch, ich würde es eher als leicht geschwollene Diktion bezeichnen (ist nicht böse gemeint, Matthias!), sind aber inhaltlich nicht so ganz korrekt. Gilt übrigens auch für die beschrieben Spielsituation mit dem doofen Trigger (er meint die Szene ganz am Anfang von Kapitel 1, die auch in unserem Vorschauvideo als Beispiel genannt wurde). Egal.
Aber dennoch mal allgemein zum Vorwurf an Gray Matter, man hätte diese Probleme ohne Weiteres beseitigen können und es würde am nötigen Feinschliff in diesem Bereich fehlen: Beidem würde ich doch dezent widersprechen wollen. Sicherlich hätte man in einigen Fällen mit entsprechenden Hinweisen in den Kommentaren oder den Dialogen in die entsprechende Richtung stoßen können, aber das gilt eben nicht oder nur sehr bedingt für alle Situationen. Völlig sinnfreie Trigger gibt es außerdem nicht so oft, wie man anhand des Textes vielleicht meinen könnte. Dass sich der Sinn bzw. die nachvollziehbare Ursache etwas zu oft erst im Nachhinein erschließt, ist sicherlich richtig. Man muss sich aber überlegen, wie die möglichen Alternativen ausgesehen hätten und was diese fürs Spiel - und auch für dessen weitere Entwicklung - bedeutet hätten. Denn um die "Problemsituationen" alle wegzukriegen, hätte man an vielen Stellen wesentlich weitreichendere Änderungen vornehmen müssen, als hier und da ein paar Sätze einzubauen. Dahinter steht immerhin eine von vorne bis hinten durchgeplante Konzeption, die eben ein paar unschöne Macken hat. Zudem leuchtet es ein stückweit ein, dass Jane Jensen die Spieler dazu zwingen will, sich intensiver als unbedingt nötig mit der Umgebung zu beschäftigen.
Ziel eines Spiels sollte es sein, den Spieler interaktiv zu unterhalten. Klingt erstmal nicht nach einer weltbewegenden Erkenntnis.

Aber genau das ist eben sehr schwierig, gerade wenn man gleichzeitig eine recht komlexe Spielwelt erschaffen oder sagen wir vorgaukeln will und eine komplexe Geschichten mit fein ausgearbeiten Charakteren erzählen möchte. Nun will ich mir ja keinen Film anschauen, sondern eben eine interaktive Erfahrung machen. Mache ich es wie House of Tales es zuletzt meist getan hat, und schraube das Gameplay massiv zurück, oder sorge ich zwar für massig Interaktion, die mich aber wenn eher physisch denn geistig fordert ( wenngleich wiederum verbunden mit Rückwirkungen auf die Psyche), wie etwa Heavy Rain mit zahlreichen Quick-Time-Events? Es gibt natürlich viele Möglichkeiten. Aber wir reden hier schließlich von einem Spiel, das ein klassisches Adventure sein will und nicht von einem, das auf vollkommen unabhängigen Pfaden wandelt bzw. wandeln will (oder glaubt zu wandeln). Zudem kann man nicht jedes denkbare Modell auf jedes x-beliebige Spiel übertragen.
Was soll die Interaktivität bewirken? Ich soll mittendrin sein, eintauchen und nicht bloß beobachten, mich so mit der Spielfigur und dem, was passiert, auf besondere Art und Weise auseinandersetzen. Ein Gefühl von Kontrolle und Freiheit in dieser Spielwelt bekommen, selbst dann, wenn ich tatsächlich in ein auch noch so enges Korsett geschnürt werde. Der Spieler soll das nur so wenig wie möglich zu spüren bekommen - und das in einem storybasierten Spiel(!), das allein deshalb schon nach Linearität schreit. Das funktioniert an den entsprechenden Stellen in Gray Matter, in denen der Durchblick oder auch mal ein bisschen die Logik fehlt, ebenfalls nicht, da genau diese Punkte einem Kontrollverlust gleichkommen, aber das gilt eben auch für diverse Spielhilfen, auch wenn sie direkt ins Spiel integriert sind. Angenehmer, komfortabler? Vielleicht. Leichter? Auf jeden Fall! Besser? Würde ich nicht unbedingt sagen.
Den spielerischen Macken, die Gray Matter hat, könnte man, da so manches für die spannende Erzählstruktur wichtig ist, nur beschränkt auf verschiedene Art entgegenwirken, ohne gleich weitreichende Anpassungen vornehmen zu müssen. Aber wenigstens die meisten der möglichen Anpasungen dürften genau das tun, was an anderen Spielen von Genre-Fans genauso kritisiert wird, nämlich indem man durch "Händchenhalten", also z.B. dem Blockieren von Schauplätzen oder häufigen, automatisierten Aktionen wie Szenenwechseln, das Heft mehr und mehr aus der Hand nimmt. Gray Matter beschneidet mit seinen Fehlern zwar die Kontrolle oder das Gefühl von Kontrolle, gewährt dafür aber eben ein vergleichbar hohes Maß an Freiheit, die durch das meist völlig freie Reise zwischen den Schauplätzen oder z.B. auch durch die vollkommen unabhängig von allem anderen laufenden Schnitzeljagden geht. Diese Freiheiten gewähren andere Adventures oft deutlich eingeschränkter und nehmen dem Spieler gleichzeitig an anderer Stelle genauso die Kontrolle weg, wenn mir die Spielfigur z.B. andauernd unaufgefordert Hinweise gibt oder mir gar direkt vorschreibt, was ich als Nächstes zu tun habe. Denkt mal an Black Mirror 2 oder ganz besonders an Lost Horizon, die Nymphen vor Black Mirror Castle oder, nun, fast jede Aktion in Lost Horizon. Fenton quasselt einen ja dauernd ungefragt und nicht selten über alle Maßen voll.

Das macht die Spiele natürlich deutlich leichter, dadurch fällt aber nicht zuletzt auch unter den Tisch, wenn die Rätsel selbst vielleicht gar nicht die hohe Qualität haben, gar nicht so logisch sind oder vielleicht nicht mal inhaltliche Relevanz aufweisen. Das fällt abhängig vom Interface eventuell sogar noch stärker auf, wenn mir das Spiel vorschreibt, welche Aktion überhaupt logisch sei, und zumindest ausprobiert werden kann, oder mir eine fadenscheinige Erklärung liefert, weshalb diese oder jene Aktion nicht geht, eine ganz ähnliche Aktion aber sehr wohl.
Vollkommen unabhängig davon, was nun "besser" wäre, ich will zumindest nicht, dass alle Spiele diesbezüglich "identisch" sind. Außerdem möchte ja auch nicht jeder mehr oder minder 'widerstandslos' durch ein Abenteuer kommen. Deshalb sage ich auch, ein gewisser Aufwand des Spielers steht Gray Matter gut zu Gesicht, ich hätte ihn mir nur im einen oder anderen fordernden Rätsel gewünscht als in sowas.
Aber vielleicht noch zu den Zaubertricks: Man könnte anhand des Textes meinen, dass sie ein sehr zentraler Bestandteil des Gameplays sind. Das kann man so aber meines Erachtens nicht sagen. Es gibt zwar einige davon, aber wenn man allein die Zeit nimmt, die man dafür aufwänden muss, machen sie nur einen kleinen Teil des Gameplays aus.
Schwierig sind sie in der Tat nicht, aber sie sind meist recht clever mit den entsprechenden Aktionen verknüpft. Ich wähle dabei eben meist nicht einfach einen Trick aus, der dann automatisch ausgeführt wird, sondern muss selbst etwas dafür tun, wodurch man wiederum Kontrolle gewinnt, dazu hatte ich ja weiter oben bereits etwas geschrieben.
Die Kritik, dass sie zu leicht wären, verstehe ich deshalb gar nicht. Denn mir fallen zwar eine ganze Reihe Möglichkeiten ein, wie man sie anspruchsvoller hätte gestalten können, aber quasi jede davon, hätte die Tricks wesentlich schwieriger gemacht - und damit auch frustiger - oder hätten so gut wie nichts verändert. Nehmen wir z.B. die Schritt-für-Schritt-Anleitung weg, (die man nicht benutzen muss, wenn man nicht will), muss man ausprobieren, was man eben auch so bereits kann. Sperren wir hingegen die Option, mit der bereits richtige Schritte als korrekt festgehalten werden*, schaut jeder in die Schritt-für-Schritt-Anleitung, weil man sonst gar nicht voran kommen würde. Nimmt man beides raus, spielt man Lotto.
Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich finde den Test von Matthias völlig okay, genauso wie die Wertung. Wir dürfen ja schließlich alle unterschiedlicher Meinung sein und so richtig weit liegen er und ich ja gar nicht auseinander, in einigen Punkten wenigstens.
*Wenn die korrekten Schritte bespielsweise so aussehen: 1. Ablenkung / 2. Manipulation / 3. Ablenkung und man wählt 1. Ablenkung / 2. Objekt in die rechte Hand verschieben / 3.Ablenkung und klickt dann den Zauberstab an, mit dem den Trick ausführen würde, wenn er korrekt vorbereitet wurde, dann wird Schritt 1 als zutreffend abgehakt.
Edit: Was ich oben, glaube ich, noch vergessen habe... Der Unterschied zwischen einem Konzept wie in Gray Matter oder z.B. auch in den Jonathan-Boakes-Spielen und Titeln wie etwa denen von Animation Arts ist folgender: Sobald ich den entsprechenden Trigger gefunden oder eben ein anspruchsvolleres Rätsel gelöst habe, erlange ich in einem Spiel wie Gray Matter gefühlt die zwischenzeitlich verlorene Kontrolle wieder in vollem Umfang zurück. In einem Spiel, das mir die Kontrolle über meine Handlungen von vornherein sehr deutlich beschneidet, ist das aber nicht der Fall.