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Re: Internetfreiheit
Verfasst: 01.09.2009, 13:24
von Dead
elevar hat geschrieben:Dead hat geschrieben:Wäre nett, wenn du das noch mal erläuterst. Als "Symbol" taugt es wie gesagt nur für Leute, die uninformiert sind alles im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlich betrachten.
Im Netz/Am Computer haben wir allgemein die Situation, dass das Begehen einer Straftat sich strukturell nicht von legalem Handeln unterscheidet. Man klickt sich halt so durch. Daher sind Hemmschwelle und Unrechtsbewusstsein recht gering. Durch solche Stoppschilder schafft man hier Klarheit und schafft eine weitere Hürde.
Ein Vergleich sei erlaubt. Ich behaupte, dass ein Kopierschutz einige davon abhält, eine CD zu kopieren, obwohl dieser zu umgehen ist. Auch solche, die das sonst getan hätten.
Nur, dass es wesentlich aufwändiger ist, einen Kopierschutz zu umgehen als eine DNS-Sperre. Um einen bestimmten Kopierschutz zu umgehen, musst du - als Nicht-Experte - gut und gerne schon mal ein bis zwei Stunden im Internet suchen und benötigst dann auch i.d.R. noch ein kostenpflichtiges Programm. Das ist vielen schlicht zu aufwändig, da lädt man sich das Spiel lieber direkt online herunter, als es sich zu kopieren.
Der Kopierschutz hält also nur davon ab, weil es nicht soo einfach ist, diesen zu umgehen. Das Unrechtsbewusstsein bzgl. Kinderpornographie ist dagegen wohl sehr ausgeprägt, im Gegensatz z.B. dem Download von Musik.
Ich bleibe dabei: Klarheit darüber, dass Kinderpornographie - auch im Internet - illegal ist, herrscht schon längt. Und eine Hürde ist das wie gesagt auch nicht: Jemand, der nicht pädophil ist, wird kein Bestreben haben, diese Sperren zu umgehen. Sollte es keine Sperre geben, wird eben die Seite schnellstmöglich wieder verlassen. Pädophile dagegen wissen auch sehr wohl, dass Kinderpornographie illegal ist. Was interessiert da eine Sperre, die man ganz problemlos umgehen kann?
Solche Sperren tragen auch nicht dazu bei, dass Pädophile sich im Internet unsicherer fühlen, denn ansonsten müssten entsprechende Seiten weniger frequentiert werden, meinst du nicht? Dem ist aber nicht so, was das Beispiel Schweden belegt.
Zumal die KiPo im World Wide Web ohnehin gering ist. Der Grund: Das WWW ist für Pädophile schon unsicher genug. Warum setzt man also da an, wo das Problem ohnehin schon am geringsten ist?
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 01.09.2009, 14:34
von elevar
Dead hat geschrieben:Nur, dass es wesentlich aufwändiger ist, einen Kopierschutz zu umgehen als eine DNS-Sperre [...]Der Kopierschutz hält also nur davon ab, weil es nicht soo einfach ist, diesen zu umgehen.
Das ist gar nicht der Punkt, sondern die Tatsache, dass man hier spezielle Maßnahmen ergreifen muss, um wissentlich das Gesetz zu brechen.
Dead hat geschrieben:Das Unrechtsbewusstsein bzgl. Kinderpornographie ist dagegen wohl sehr ausgeprägt, im Gegensatz z.B. dem Download von Musik.
Ich gebe dir Recht, dass Kinderpornographie kein besonders gutes Beispiel für meine etwas allgemeine Argumentation ist. Der kriminalisierende Effekt bleibt jedoch. Den kann man nun als mehr oder weniger wirksam einschätzen.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 01.09.2009, 15:20
von Floyd
elevar hat geschrieben:Ein Vergleich sei erlaubt. Ich behaupte, dass ein Kopierschutz einige davon abhält, eine CD zu kopieren, obwohl dieser zu umgehen ist. Auch solche, die das sonst getan hätten.
Das ist faktisch richtig, allerdings sollte man vielleicht erwähnen, dass eine Musik-CD ohne Kopierschutz zum privaten Gebrauch kopiert werden
darf, wohingegen die Umgehung eines Kopierschutzes strafbar ist. Der Kopierschutz ist also viel mehr als ein Hinweis auf eine potentielle Straftat, er ermöglicht diese erst.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 01.09.2009, 15:31
von Dead
elevar hat geschrieben:[...]Der kriminalisierende Effekt bleibt jedoch. Den kann man nun als mehr oder weniger wirksam einschätzen.
Was bedeutet wirksam? Weder werden mit solchen Sperren weniger KiPos produziert, noch angesehen. Das kann also mit Wirksamkeit nicht gemeint. Kriminalisierender Effekt müsste aber bedeuten: Die Leute bekommen ein Unrechtsbewusstsein und somit sinkt die Nachfrage nach Kinderpornogrpahie. Dieser Effekt ist aber nicht feststellbar.
elevar hat geschrieben:Das ist gar nicht der Punkt, sondern die Tatsache, dass man hier spezielle Maßnahmen ergreifen muss, um wissentlich das Gesetz zu brechen.
Auch, wenn ich mir Musik herunterlade, weiss ich, dass ich das Urheberrecht verletze. Aber: Es macht mir nicht viel aus. Wo ist nun der Unterschied, ob ich mir die Musik aus einem Radio streame (gibt's auch Programme für) oder gleich downloade? Früher hat man eben Kassetten überspielt.
Das einzige, was Leute davon abhalten würde, Musik illegal zu saugen, wäre eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, erwischt (und bestraft) zu werden. Die Tatsache, dass es nicht legal ist, spielt keine Rolle. Das gleiche gilt für KiPo-Konsumente: Sie wissen, dass es illegal ist, aber das ist nicht der springende Punkt. Der springende Punkt ist - wie beim Musik-Downloader - die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden (wobei illegaler Musikdownload natürlich wesentlich harmloser ist als das Konsumieren von KiPos).
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 01.09.2009, 16:09
von elevar
Dead hat geschrieben:
Auch, wenn ich mir Musik herunterlade, weiss ich, dass ich das Urheberrecht verletze. Aber: Es macht mir nicht viel aus. Wo ist nun der Unterschied, ob ich mir die Musik aus einem Radio streame (gibt's auch Programme für) oder gleich downloade? Früher hat man eben Kassetten überspielt.
Das einzige, was Leute davon abhalten würde, Musik illegal zu saugen, wäre eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, erwischt (und bestraft) zu werden. Die Tatsache, dass es nicht legal ist, spielt keine Rolle. Das gleiche gilt für KiPo-Konsumente: Sie wissen, dass es illegal ist, aber das ist nicht der springende Punkt. Der springende Punkt ist - wie beim Musik-Downloader - die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden
Jetzt haben wir immerhin einen feinen Meinungsunteschied herausgearbeitet. Dass man nur aus Angst vor Bestrafung keine Gesetze bricht, ist meines Erachtens nicht richtig. Das führt mir jetzt aber zu weit, zumal wir hier nur an einem Detail rumeiern und festhalten können, dass falls es ein Argument für die Sperren gibt, dies doch recht spärlich erscheint im Gegensatz zu denen, die dagegen sprechen.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 01.09.2009, 16:24
von Dead
elevar hat geschrieben:Jetzt haben wir immerhin einen feinen Meinungsunteschied herausgearbeitet. Dass man nur aus Angst vor Bestrafung keine Gesetze bricht, ist meines Erachtens nicht richtig.
Entweder bricht man keine Gesetze, weil man sie 1. für richtig hält oder 2. Angst vor Bestrafung hat. Natürlich würde ich keinen Mord begehen, auch wenn es gesetzlich erlaubt wäre. Ich würde mir auch keine Kinderpornos ansehen, wenn es erlaubt wäre. Dann würde ich folgende Aussage
Dead hat geschrieben:Das einzige, was Leute davon abhalten würde, Musik illegal zu saugen, wäre eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, erwischt (und bestraft) zu werden.
noch ergänzen: Es würde Menschen abhalten, Musik zu downloaden, könnte man an sie davon überzeugen, dass es einfach "falsch" ist und sie es somit aus eigenem Antrieb nicht mehr tun wollen. Das ist aber nicht der Fall, von daher müssen Strafen herhalten.
Auf die DNS-Sperren übertragen: Durch sie müsste ein "Lerneffekt" bei den Pädophilen eintreten. Das ist aber nicht der Fall, wie man an der gleichbleibenden Produktion von und Nachfrage nach KiPos trotz Sperre in Schweden sieht. Also müssen Strafverfolgungen herhalten, zu denen die Sperren aber absolut nichts beitragen.
elevar hat geschrieben:Das führt mir jetzt aber zu weit, zumal wir hier nur an einem Detail rumeiern und festhalten können, dass falls es ein Argument für die Sperren gibt, dies doch recht spärlich erscheint im Gegensatz zu denen, die dagegen sprechen.
Naja, laut realchris genügt ihm selbst ein einziges, unbedeutendes Argument. Daher wollte ich auch dieses entkräften.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 02.09.2009, 02:01
von basti007
realchris hat geschrieben:,Der Staat nutzt mit disem Stopschild eine Methode um Zensur auszuüben, die eben nicht gegen Grundgesetz ist.
Oh, also meine bescheidenen Semester im Nebenfach Internetrecht sehen da aber keine so eindeutige Richtung, beispielsweise durch die Tatsache, dass für Webseiten, die ungerechtfertigt auf diesen Sperrlisten landen, derzeit immer noch keine Möglichkeit der Entfernung besteht. Gleiches gilt für mögliche Aspekte der Vorzensur, die entstehen, wenn du für deine Webseite eine IP zugewiesen bekommst, die vorher ein Betreiber inne hatte, der auf einer Sperrliste lag (und die natürlich sofort freigegeben hat, weil was will der noch damit?). Von der Tatsache, dass niemand diese Zensur objektiv überwachen kann, weil sie geheim ist, ganz zu schweigen. Die Bundesprüfstelle darf auch nicht von sich aus einfach alles so beschlagnahmen, was ihr in den Kram passt. Eben das sind die Aspekte, die Vorzensur und reguläre Zensur unterscheiden. Vorzensur ist in Deutschland weiterhin unzulässig.
Im Punkt mit dem Verfassungsrichter stimme ich Dir zu - allerdings auch nur so lange, wie diese Institution noch unabhängig funktioniert (was in Deutschland Gott sei Dank bislang IMHO noch der Fall ist, aber auch hier äußere ich zukünftige Bedenken). Es relativiert aber natürlich nicht die Tatsache, dass sich die Regierung über alle von ihnen selbst einberufenen Anhörungen und Expertengremien (und einer gewichtigen Meinung der Bevölkerung) hinweggesetzt hat.
Ein spannendes Gespräch dazu fand ich übrigens das hier mit Florian Walther, höhrenswert:
http://chaosradio.ccc.de/archive/chaosr ... ss_124.mp3
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 23.06.2018, 01:53
von Beowulf
Vorzensur ist in Deutschland weiterhin unzulässig.
Das hat sich gerade geändert:
https://www.br.de/nachrichten/eu-rechts ... r-100.html
Aber schon vorher (2015 glaube ich) hat Deutschland ähnliches im Alleingang versucht, aber da hat Google einfach allen Nachrichtenportalen gedroht dass sie nicht mehr in den Suchergebnissen auftauchen, falls sie keine kostenlosen Lizenzen ausstellen. Und siehe da, nach und nach sind alle eingeknickt.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 23.06.2018, 16:51
von z10
Bleibt zu hoffen, dass es sich weiterhin nicht durchsetzen lässt. Ich könnte bei dem Thema absolut ausfallend werden, aber es hilft nichts. Eigentlich kann ich nur überlegen, wie man möglichst an so einem System vorbei wirtschaften kann, um so etwas zu bestrafen. Sollen sie auf ihren Lizenzen sitzen bleiben - oder noch besser: ersticken - , zur Not werden vorrangig offene Werke konsumiert. Linksteuer ist ja genauso bekloppt und zerstört die Basis der meisten Webseiten.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 08.07.2018, 01:08
von Beowulf
So, ihr kleinen Lämmchen, das EU-Parlament hat das ganze erst mal abgelehnt:
https://www.youtube.com/watch?v=WO_QQhZrw6g
278 dafür, 318 dagegen, 31 Enthaltungen.
Dann wollen wir mal hoffen, dass die Debatten im Herbst etwas Fruchtbareres bringen werden.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 08.07.2018, 02:20
von Sven
Na zum Glück habe mich schon gewundert wie es aussieht.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 08.07.2018, 11:29
von z10
Beowulf hat geschrieben: ↑08.07.2018, 01:08
So, ihr kleinen Lämmchen
Ist klar
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 08.07.2018, 14:56
von Beowulf
Natürlich... oder hat hier irgend jemand Einfluss auf diese Entscheidung nehmen können? Wir werden also brav weiter abwarten müssen, was die EU sich für uns ausdenkt.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 08.07.2018, 22:35
von Simon
Beowulf hat geschrieben: ↑08.07.2018, 14:56
Natürlich... oder hat hier irgend jemand Einfluss auf diese Entscheidung nehmen können? Wir werden also brav weiter abwarten müssen, was die EU sich für uns ausdenkt.
Warum so negativ? Ein schlechter Entwurf wurde abgelehnt. Zeigt doch nur, dass die EU funktioniert.
Re: Internetfreiheit
Verfasst: 08.07.2018, 22:58
von Uncoolman
Stimmt zwar, aber ebensogut hätte zugestimmt werden können, und auch darauf hätten wir keinen Einfluss. Das Problem wurde auch nur vertagt, das Gesetz wird kommen, weil die Mächtigen bzw. Reichen die Gesetze machen und weil dieses Gesetz exakt in ihren Kram passt. Stuttgart21 wird ja auch gebaut und Bäume nachts gefällt, wegen der vorgeblichen (?) Mehrheitszustimmung... Fakten schaffen heißt das Stichwort.